Julius Kreiser war mit anderen jungen Menschen deutschsprachiger Jugendverbände in Rom, um von dort aus die Weltsynode zu beobachten. Für y-nachten.de fasst er seine Eindrücke und Einschätzung zusammen.

Die Weltsynode ist bereits einige Wochen vergangen, die Meinungen über ihre Ergebnisse gehen, wie schon vor und während ihres Verlaufs, weit auseinander. Für die einen war sie eine reine Beschäftigungstherapie, um die Lai*innen, die auf Reformen drängen, ruhig zu halten. Für die anderen war sie der Untergang bischöflicher Würde, der katholischen Theologie, ja eigentlich der Kirche im als Ganzer.

Ich schreibe jetzt diesen Artikel, um von persönlichen Erfahrungen zu berichten, die ich im Umfeld der Synode machen konnte. Wie bereits oft angemerkt, scheiterte die Weltsynode daran, junge Menschen strukturell einzubinden. Unter den Teilnehmenden waren gerade mal zwei unter 30-jährige Personen und beide waren aus Nordamerika. Daher entschied der BDKJ, gemeinsam mit anderen deutschsprachigen Jugendverbänden und -Organisationen, zur Mitte der Synode den „DACHS-Bau“ zu beziehen. „DACHS“ steht dabei als Abkürzung für Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol.

Uns ging es primär darum junge Menschen an diesem Prozess in Rom zu beteiligen oder zumindest ihre Perspektiven z u platzieren.

Daher war unser Fokus vor allem, Gespräche mit Synodalen zu organisieren. So kamen ein Gespräch mit Frère Alois, dem Leiter von Taizé und ein Gespräch mit vielen deutschsprachigen Synodalen (von deutscher Seite Professor Söding sowie die Bischöfe Bätzing, Overbeck, und Oster) zustande. Es waren gute Gespräche, wo wir zum einen persönliche Berichte über die laufende Synode hören konnten, aber auch selbst noch einmal Anliegen platzierten.

Die viel eindrücklichere Erfahrung war aber wohl das besondere Gefühl der Verbundenheit, das wir in diesen Tagen erleben konnte. Obwohl die 22 Personen-Runde aus jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kontexten bestand, verband uns ein gemeinsames Verständnis, was Fragen von Demokratisierung, Geschlechtergerechtigkeit und Queer-Sensibilität, also die klassischen „heißen Eisen“, anging. Klar, waren die deutschen Delegierten, vermutlich geprägt vom synodalen Weg, oft etwas pessimistischer eingestellt.

Aber wir haben alle, ohne uns darauf besonders verständigen zu müssen, gemerkt, dass wir eine sehr ähnliche Vision von Kirche miteinander teilen.

Der „deutsche Sonderweg“, wie der Synodale Weg und seine Anliegen von konservativ-reaktionären Kräften oft genannt wurde, fühlte sich gar nicht mehr so sonderbar an.

Wenn von einem solchen Sonderweg geredet wurde, dann wurde ihm immer „die Weltkirche“ gegenübergestellt. Die Weltkirche ist dabei das, was vermutlich beim Weltjugendtag von den römischen Verantwortlichen versucht wird zu inszenieren: Die nicht-deutsche katholische Welt sei nämlich streng konservativ und lehramtstreu und interessiere sich nur für die Neuevangelisation, katholische Tradition und jede Menge Priester. Schlimme moderne Verirrungen, wie Menschenrechte für Frauen und queere Personen oder Demokratie finde sie hingegen langweilig bis bedrohlich.

Diese Weltkirche gibt es aber nicht.

Das konnte man unter anderem selbst erleben, wenn man mit Menschen aus anderen Teilkirchen dieser Welt in Kontakt kommt. Als ich beispielsweise auf der Weltversammlung der Fimcap von der KjGay, dem queeren Netzwerk der KjG erzählte, waren unsere philippinischen und chilenischen Partner*innenverbände begeistert. Die gleiche Begeisterung kam auch von vielen westeuropäischen Verbänden. Ich denke, sie rührt aus dieser geteilten Vision heraus, wie ich sie eben auch im DACHS-Bau bemerken konnte.

Sie deckt sich interessanterweise auch mit der Erfahrung, von der uns die deutschen Synodalen erzählten: Dass die „deutschen“ Themen auf allen Kontinenten der Kirche Themen sind, wenn auch in unterschiedlicher Stärke. Wie auch viele andere Berichte bestätigen, beschäftigen sich Gläubige auf aller Welt mit den Fragen, wie Lai*innen und insbesondere Frauen mehr in Entscheidungen eigebunden werden. Oder wie die Kirche inklusiver sein kann und von ihr Verstoßene wieder um Verzeihung bitten könnte, sei es, weil sie queer sind oder zivil wiederverheiratet.

Das reicht nicht aus, um den Reformwilligen und Resignierten in Deutschland Mut zu machen, dass diese streng hierarchische Kirche sich bald aufraffen wird und ihre großen Probleme angeht, seien es Diskriminierung, Machtasymmetrie oder vertuschter Missbrauch.

Es sollte aber reichen, um in Zukunft jedes Mal besonders kritisch zu sein, wenn Kritik an der Kirche als „deutscher Sonderweg“ innerhalb einer ansonsten konservativen Weltkirche abgetan wird.

Dann sollte dieses Abtun erklären müssen, wie es ausgerechnet eine „Kolonne“ lateinamerikanischer Frauen gewesen sein soll, die auf der Synode für die Frauenweihe gestritten hat. Es sei denn, die hier genutzte Erzählung von „der Weltkirche“ ist nicht mehr als eine bloße Instrumentalisierung mangelnder Repräsentation progressiver Stimmen in vielen Teilkirchen. Wer dann „Weltkirche“ sagt, lügt.

Hashtag der Woche: #dieweltkirchegibtesnicht


Bildquelle: Foto von iam_os auf Unsplash

 

 

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julius kreiser

Julius Kreiser studiert seit 2019 in Tübingen und seit Herbst 20222 auch in Wien katholische Theologie im Magister. Er ist geistliche Diözesanleitung der KjG Rottenburg-Stuttgart und interessiert sich ansonsten für Queerfeminismus, vegane Küche und kollektive Klima-Praxis.

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