Kann mensch über Glaube und Sexualität heute noch sprechen? Jonas und Lea vom Podcast „liebesäpfel“ finden: Ja! Florian von y-nachten.de hat Jonas gefragt, was er den großen Kirchen heute beim Thema Sexualität raten würde.
y-nachten: Medien und Glaubenskommunikations sind traditionell Ende Januar Thema in der römisch-katholischen Kirche. Am 24. Januar gedenkt sie dem hl. Franz von Sales, dem Schutzpatron der Journalist*innen und Schriftsteller*innen, weil er zu Lebzeiten kreative und innovative Wege der Glaubenskommunikation entwickelte. Mit dem Podcast „liebesäpfel“ bringst auch du, Jonas, mit deiner Kollegin Lea das Thema Glaube unter einer speziellen Perspektive auf’s Tableau. Was war eure Idee dahinter?
Jonas: Die Grundidee entstand in persönlichen Gesprächen. Lea ist Sexualpädagogin und war damals als Jugendsexualpädagogin aktiv. Ich bin evangelischer Theologe. Im Gespräch merkten wir, dass wir relativ große Schnittmengen bei diesen Themen haben. Uns ist aufgefallen, dass sich einerseits der theologisch-christliche Diskurs sehr viel mit Sexualität beschäftigt und gleichzeitig der sexual-pädagogische viel mit Spiritualität und Religiosität zu tun hat. Im wirklichen Gespräch sind beide jedoch selten.
y-nachten: Aber ihr beide seid nun regelmäßig im Podcast im Gespräch!
Jonas: Ja, wir beide sind wahrscheinlich auch Grenzgänger*innen. Lea ist sehr an Spiritualität interessiert und setzt sich auch sehr viel mit ihrer religiösen Erziehung auseinander. Sie kommt aus Südtirol und ist sehr katholisch aufgewachsen. Und dann bin da ich, der aus dem sehr liberalen Hippie-Umfeld kommt, wo Sexualität sehr früh eine Rolle gespielt hat. Dort ist es einfach sehr normal darüber zu reden. Erst später habe ich wirklich gelernt, dass Sexualität auch mit Tabus aufgeladen ist, vor allem aus einer religiösen Perspektive. Und da haben wir gemerkt: okay, da gibt es viel Gesprächsbedarf und wir haben gesehen, dass es hierfür eigentlich gar kein richtiges Angebot gibt. Insbesondere für diese Schnittmenge zwischen Sexualität und Spiritualität/Religiosität.
y-nachten: Aus katholischer Perspektive ist das Verhältnis von Glaube und Sexualität – etwas angespannt und wird in der Öffentlichkeit viel mit Tabus und Restriktionen verbunden. Sollte sich Kirche da lieber gar nicht zu Wort melden?
Jonas: Was unseren Podcast vor allem bei jungen Leuten so erfolgreich macht – die Mehrzahl unserer Hörer*innenschaft ist zwischen 20 bis Mitte 30 – ist, dass wir einerseits authentisch für zeitgenössisches Christ*insein stehen. Andererseits reden wir sehr offen und authentisch über unsere Sexualität. Dadurch gewinnen wir große Glaubwürdigkeit. Wir sprechen nicht als Amtsträger*innen einer Kirche.
y-nachten: Fehlt es also Kirche bzw. den Kirchen beim Thema Sexualität an Authentizität?
Jonas: Ich glaube das kommt sehr auf die Art der Kirchlichkeit an – also ob katholisch, evangelikal, evangelisch, landeskirchliche. Ich glaube, das macht einen sehr großen Unterschied. Und durch Themen wie z.B. Ehe ist Sexualität auch mit Kirche irgendwie verbunden. Ich glaube also nicht, dass es sinnvoll ist, sich komplett rauszuhalten.
y-nachten: Sollten katholische Priester also einen Sex-Podcast starten?
Jonas: Klar stellt sich die Frage, ob ein katholischer Priester prädestiniert für einen Sexpodcast wäre. Ich würde sagen, vermutlich nicht. Aber es wäre spannend mit ihm darüber zu sprechen, weil auch diese Person ja eine Sexualität hat. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch und das gilt natürlich auch für alle Mitglieder von Kirchen, eine Sexualität haben und Kirchen trotz des Rückgangs ihrer Bedeutung immer noch auch in diesem Thema mitspielen. In meinem Umfeld kenne ich doch sehr viele Menschen, bei denen ihre Religiosität auch etwas mit ihrer Sexualität zu tun hat. Und wir wollen das sichtbar machen. Weil alles, was man ins Unbewusste verdrängt, treibt dort sein Unwesen. Das wollen wir verhindern!
y-nachten: Klingt das nicht ein bisschen nach „Kirche im Schlafzimmer“?
Jonas: Klar finde ich, dass Kirche nicht ins Schlafzimmer gehört. Ich finde auch nicht, dass Gott primär ins Schlafzimmer gehört. Kirche – und damit Religion – ist mit einem Weltverhältnis verbunden, das den ganzen Menschen angeht. Aus diesem Grund gehört auch Sexualität und unsere Leiblichkeit dazu. Im Zweifelsfall ist es immer besser über etwas zu reden, als es auszuklammern. Es gibt das Sprichwort: Früher haben alle über ihren Glauben geredet und niemand über Sex – heute reden alle über Sex, aber niemand über seinen Glauben. Das ist gar keine so schlechte Analyse. Trotzdem führt das auch zu Problemen. Ich glaube, dass es beides braucht. Wir müssen über unsere Sexualität und über unseren Glauben reden. Und darüber, wo sie sich überschneiden.
y-nachten: Was war für dich das größte Learning in dieser Zeit?
Jonas: Es klingt vielleicht banal, aber es sind schon vor allem die viele Perspektiven, die man auf dieses Thema haben kann. Durch die Gäst*innen, die immer wieder eingeladen sind, ist mir sehr bewusst geworden, was für eine Pluralität an Lebensweisen da ist und wie eng diese mit Religion und Spiritualität verknüpft ist. Selbst bei den Leuten, die zu uns gekommen sind und sich nicht als religiös bezeichnen. Diese hatten entweder eine Art Spiritualität oder aber sie haben sich über Abgrenzung von Religiosität definiert.
y-nachten: McLuhan prägte den Ausspruch „The medium is the message.“ Inwiefern prägt das Format Podcast den Inhalt?
Jonas: Das Schöne am Podcast ist seine Vielfalt und Offenheit. Wir haben einen Podcast im Gesprächsformat. Dahinter steckt die sokratische Vorstellung, dass im Gespräch etwas heranwachsen kann. Das ist ganz oft die Erfahrung in der Folge. Die entscheidenden Gedanken und Sachen, die dann wirklich hängen bleiben, sind oft nicht in der schriftlichen Vorbereitung zu finden. Oft entwickelt sich aus einem Punkt im Gespräch ein neuer Gedanke. Ich glaube, dass das auch viel zu den innovativen oder unerwarteten Wendungen im Podcast beiträgt, dass es eben ein loses Gespräch ist und wir nicht im Vorfeld schon alles klären.
y-nachten: Was würdest du den Kirchen als Institutionen beim Thema „Glaube und Sexualität“ raten
Jonas: Das, was ich Kirche fast immer raten würde: Mehr zuhören. Das Schöne an dem, was wir jetzt auch gerade durch die digitale Kirche erleben, ist, dass sich Leute im Vorfeld kein Mandat mehr bei der Kirche holen. In den Ohren vieler Hörer*innen stehe ich zwar für die Kirche, obwohl ich nicht bei ihr angestellt bin. Ich finde das tatsächlich positiv, gerade aus protestantischer Sicht. Darum: Hört Leuten wie Lea und mir, aber auch ganz vielen anderen Menschen, die sich mit anderen aus ihrer Generation connecten, zu. Gebt Menschen, die Formen wie Polyamorie oder ein queeres Dasein leben, einen Raum und sagt: ‚Das ist auch ein Teil von uns. Man kann in der Kirche sein und so sein. Als kirchliche Institutionen sind wir vielleicht nicht perfekt auf euch vorbereitet, aber schaut mal: Es gibt bei uns Personen, die leben das schon, vielleicht könnt ihr Euch mit denen connecten!‘ Das wäre mein Wunsch für die Kirche.
y-nachten: Zum Schluss: Auf wie viele Folgen dürfen wir uns noch freuen?
Jonas: Wir haben kein Limit festgelegt!
y-nachten: Da freuen uns drauf, vielen Dank!
Hashtag: #sexeducation
Beitragsbild: Charlesdeluvio auf Unsplash.