Dass sich die Priesterausbildung in den kommenden Jahren verändern wird, scheint klar. Nur ein Konsens innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz steht noch aus. Manuel Hauth blickt als Priesteramtskandidat auf die derzeitige Priesterausbildung – und formuliert Wünsche für eine Ausbildung der Zukunft.

Gerade in einer von multikausalen Krisen gebeutelten Gesellschaft braucht der Mensch auch einen Anhaltspunkt für seine Seele, seine Spiritualität. In unserer Gesellschaft kommen wir deshalb nicht ohne qualitativ ausgebildete Seelsorgende aus. In Anbetracht der immer weiter sinkenden Zahl an Menschen, die sich für einen kirchlichen Beruf als Priester, Pastoralreferent*in oder Gemeindereferent*in entscheiden, dürfte die Notwendigkeit einer hoch qualifizierten und menschenorientierten Ausbildung auch den Verantwortungsträger*innen  in den Kirchen durchaus bewusst sein. Die Umsetzung dieser Gewissheit fällt jedoch, so wirkt es zumindest gelegentlich, eher durchwachsen aus. Doch wie sieht die Ausbildung der zukünftig Seelsorgenden in Deutschland überhaupt aus?

Das heutige Erscheinungsbild der Priesterausbildung

Werfen wir einen Blick in die Priesterausbildung – aus der Sicht eines Priesteramtskandidaten, reflektieren den Status quo und diskutieren die Relevanz, über die Möglichkeiten einer zukünftigen Ausbildung der Priester nachzudenken. Gleichwohl nur die Perspektive der Priesterausbildung in Betracht gezogen wird, können viele Elemente auch auf die Ausbildungen der anderen pastoralen Berufsgruppen ausgeweitet werden.

Die derzeitige Priesterausbildung, grundgelegt im Kirchenrecht (cc. 232-264)1, sowie in der ratio fundamentalis2 für die Weltkirche und der ratio nationalis3 für die deutschsprachigen Gebiete, legt, stark vereinfacht, neben vielen weiteren Punkten das Wohnen in der Seminargemeinschaft und die Grundorientierung der Ziele der Priesterausbildung fest:  Menschliche Reife, pastorale Befähigung und theologische Bildung sind die Grundsäulen, anhand derer die Kandidaten wachsen sollen und auch gemessen werden. Jeder Seminarist wird dabei in eine vorgegebene Konzeption eingeführt und läuft im besten Falle in der Zeit seiner Ausbildung in den vorgegebenen Bahnen.

Die Pläne der Deutschen Bischofskonferenz, diese Ausbildungsform zu zentralisieren, liegen derzeit auf Eis, doch in Anbetracht der geringen Zahlen und der finanziellen Situation scheint der Weg der Zusammenlegung der Priesterausbildung an einzelnen, ausgewählten Standorten unweigerlich notwendig.4 Die Vorteile der Zentralisierung liegen scheinbar eindeutig auf der Hand. Doch in der Zentralisierung liegt auch die Gefahr verborgen, das Individuum in ein Konzept zu stecken, das auf einige möglicherweise sehr gut passt, aber auf andere nicht im gleichen Maße.

Wie individuell kann Priesterausbildung sein?

Die Nachteile sehe ich eindeutig bei den Subjekten der Ausbildung selbst. Jungen Menschen, die sich aller gesellschaftlicher Konfrontation, Anfragen und Angriffen zum Trotz und im tiefen Bewusstsein der Skandale der älteren und jüngeren Geschichte auf den Weg machen, den Ruf Gottes zu prüfen, werden wegweisende Entscheidungen von Verantwortungsträger*innen abgenommen. Die Wahl des Studienorts zum Beispiel ist weitestgehend vorgeschrieben, eigene Wünsche finden in den derzeitigen Konzepten selten Platz – Einzelausnahmen natürlich ausgenommen. Doch die Wahl des Studienorts und die Wahl der Wohnform spiegeln ebenso persönliche und intime Identität wider, wie die Ausbildung persönlicher Spiritualität und Gebetsformen.

Die Möglichkeiten der freien Entscheidung, wie man wohnen und wo man studieren möchte, ist in den Konzepten der Priesterausbildung zwar gegeben, jedoch nur und streng genommen ausschließlich durch das Mittel der Beurlaubung. So sehr man den Begriff auch für sich persönlich positiv wenden mag, die Wahrnehmung und Auffassung des Wortes „Beurlaubung“ geht in den meisten Fällen mit einer negativen Konnotation einher.

Die Beispiele zeigen ansatzweise, was bei der Priesterausbildung, aber auch ein Stück weit bei der Ausbildung aller pastoralen Berufsgruppen fehlt: Es bedarf, gerade bei einer geringen Zahl an Auszubildenden, des Blicks für jeden Einzelnen. Die derzeitige Priesterausbildung lässt kaum Raum für die persönliche Entfaltung der Interessen und Kompetenzen. Der Kandidat wird anhand der in den Ausbildungskonzepten vorgegebenen Orientierungspunkte gemessen, bewertet und im besten Fall in einer guten Feedbackkultur auf Missstände hingewiesen, mit der Bitte um Besserung. Doch was ist, wenn die Orientierungspunkte auf die individuelle Person bezogen zu kurz fassen?

Anforderungen an eine zukünftige Seelsorgeausbildung

Es braucht eine kompetenzorientierte Ausbildung. Ein Konzept, das den Einzelnen in den Blick nimmt und ihn dazu einlädt, seine Charismen zu entdecken und diese auch zu fördern, um so intensiv und passend die Christusnachfolge zu gestalten.

Eingebundenheit in Netzwerke, Rückhalt in den eigenen Reihen und in den außerkirchlichen Reihen und in besonderer Weise eine fürsorgende, wertschätzende Umgangsweise der Bischöfe und Verantwortlichen für das eigene zukünftige Personal.

Dazu gehört, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen das auch möglich ist. Wohnen in einem Seminar oder lieber in einer kleinen Wohngemeinschaft, Kontakt zur eigenen theologischen Bubble oder auch Kontakt zu Studierenden anderer Studienfächer, Angegriffenheit von außen, um durch eine tiefe, persönliche Reflexion die eigene Entscheidung immer wieder anfragen zu lassen und gestärkt aus der Angegriffenheit hinaus zu treten. Entscheidungspunkte, denen die Personen in Seelsorgeausbildungen intensiv und immer wieder begegnen müssen.

Seelsorgeausbildung für eine Kirche der Zukunft

Das Ziel der Ausbildung in einem Priesterseminar ist den letzten Jahren etwas verschwommen. So wie sich die kirchliche Landschaft und die Struktur von Pfarreien ins Ungewisse verändern wird, werden auch die Menschen in Seelsorgeausbildungen auf eine ungewisse Zukunft vorbereitet. Unabdingbar für eine Ausbildung der Zukunft ist eine Vision, wie Kirche in Zukunft Kirche sein mag und Kirche sein kann. Denn Seelsorge muss und wird sich verändern und auf andere Ebenen verschieben, als auf die Ebene der Pfarrei. An diesem Punkt beginnt auch die Auseinandersetzung und Reflexion des eigenen Priesterbildes der Priesteramtskandidaten und des eigenen Arbeitsbildes der Pastoral– und Gemeindereferent*innen. Wenn sich die Spielfelder der Seelsorge verändern, müssen sich auch die Ausbildungen dieser Berufe verändern. Nach Kompetenzen orientiert ausgebildet, ergeben sich auch Möglichkeiten der Spezialisierung im Fachgebiet. Eine Möglichkeit, hoch qualifizierte und auf den gewählten Bereich angepasst ausgebildete Seelsorgende zu erlangen.

Ein Thema, dem, wie ich finde, noch viel mehr Raum gegeben werden muss, als es derzeit möglich ist. Hat das „klassische“ Priesterseminar  in der heutigen Zeit seine Existenzberechtigung  verloren? Es bietet für viele angehende Priester den passenden Ort der Ausbildung, aber nicht für jeden in gleichem Maße. Was es braucht, ist mehr Variabilität und Entscheidungsfreiheit, den passenden und individuellen Weg auf dem Weg der Berufung und der Christusnachfolge zu finden.

Hashtag der Woche: #futurepriests


Beitragsbild: Joshua Earle

1 Vgl.: Codex Iuris Canonici. Auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus, in AAS 75 (1983) Pars II; lateinisch-deutsche Ausgabe, hg. Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofskonferenz, der Erzbischöfe von Luxemburg und Straßburg sowie der Bischöfe von Bozen-Brixen, von Lüttich und von Metz, Kevelaer9 2018, cc. 232 – 264.

2 Kongregation für den Klerus, Das Geschenk der Berufung zum Priestertum. Ratio fundamentalis Institutionis Sacerdotalis, hg. Vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2017.

3 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Rahmenordnung für die Priesterbildung, Bonn 2003.

4 Vgl.: https://www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/entwicklungen-im-prozess-zur-neuordnung-der-priesterausbildung. Zuletzt abgerufen am 06.01.2023

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manuel hauth

studiert seit 2020 katholische Theologie (Mag.Theol.), bisher in Frankfurt a.M. / Sankt Georgen, Trier und Bochum und ist Priesteramtskandidat. Seine Zeit in Bochum nutzte er bewusst, um Einblicke in unterschiedliche pastorale Arbeitsfelder zu gewinnen und legte dabei den Schwerpunkt unter anderem auf die Notfallseelsorge.

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