Nahbar und ehrlich mit Kindern über das Thema Geburt sprechen – für die Macherinnen von „Das Baby von Bethlehem“ ein Anlass, die Weihnachtsgeschichte neu zu interpretieren und ein Kinder(aufklärungs)buch zu schreiben. Unser Redaktionsmitglied Daria Ronellenfitsch hat das Buch für euch gelesen und schildert ihre Leseeindrücke.
Es dauert nicht mehr lange, dann feiern Christ*innen die Geburt Jesu Christi. Wer das Kinderbuch „Das Baby von Bethlehem – Die Geschichte einer Geburt“ liest, wird bemerken: Ein Kind zu gebären ist schneller gesagt als verstanden – insbesondere, wenn es alleine, ohne die Hilfe einer Hebamme oder Ärzt*in, in einem tierischen Stall zwischen Heu und Stroh geschieht.
Worum geht es?
Maria, die als eine Zimmerin vorgestellt wird, ist bereits schwanger, bevor sie Josef kennenlernt. Dieser hat sie sehr lieb und freut sich mit ihr auf das Kind. Wie in der biblischen Weihnachtsgeschichte müssen Maria und Josef nach Bethlehem ziehen. Die schwangere Maria weiß, dass die Reise anstrengend für sie werden wird. In Bethlehem angekommen sind alle Zimmer belegt, der Wirt bietet den Reisenden allerdings den Stall als Unterkunft an. Kaum angekommen setzen Marias Wehen ein; „sie fühlen sich an wie komische Bauchschmerzen, die in Wellen kommen und gehen.“ Die Wirtstochter Anouk, die bereits die Geburt ihrer kleinen Schwester miterlebt hat, weiß was nun zu tun ist und unterstützt die in den Wehen liegende Maria. Eindrücklich wird dann lebensnah, kindgerecht und vor allem ehrlich der Geburtsprozess erzählt.
Zwischen einer Bandbreite von Gefühlen und Emotionen über die kraftvolle Anstrengung beim Gebären bis zur unendlichen Freude beim ersten Stillen tritt in der Erzählung eine nahbare, außerordentlich starke Maria auf.
Liebevoll wird sich um das neugeborene Kind gesorgt. Sogar die Nachgeburt und das Abtrennen der Nabelschnur wird thematisiert. Dann darf sich eine erschöpfte Maria nach der Geburt ausruhen, Josef hält das Kind bei Ochs und Kuh warm und Anouk geht fort um eine kräftige Suppe zu kochen und ihrer Familie die frohe Kunde zu bringen. Zur gleichen Zeit leuchtet ein Stern am Himmel über dem Stall auf. Neugierig darauf, was der funkelnde Stern wohl bedeuten mag, macht sich eine Hirtenfamilie auf den Weg. Am Stall angekommen staunen alle über das Wunder der Geburt. Die Hirtin (selbst dreifache Mutter) übergibt Maria und Josef ein Lammfell als Geschenk für Jesus: „Wenn du das Baby darin einwickelst, übersteht es auch die kommenden Nächte. Alle Hirtenkinder beginnen ihr Leben in einem Lammfell.“ Die Geschichte endet in einem großen gemeinsamen Festmahl bei Suppe und Brot für die Wirtsfamilie, die Hirtenfamilie und die junge Familie mit Maria, Josef und Jesus.
Was die Geschichte bietet
Nach meiner ersten Lektüre des Kinderbuches war ich zugegebenermaßen an einigen Stellen etwas irritiert. Ich habe kaum Erfahrung mit Kinderbüchern und keine mit solchen über die Weihnachtsgeschichte. Wenn ich es nochmal reflektiere, dann war ich vermutlich zunächst sogar überfordert mit der ehrlichen Darstellung in diesem Buch – ich habe mich gefragt, ob ich es in einem Kinderbuch für adäquat halte, einen Dammbruch oder das Ausscheiden einer Plazenta bei der Nachgeburt zu thematisieren. Hilfreich für meine eigene Auseinandersetzung war mir in Erinnerung zu rufen, was die beiden Macherinnen Anne Steckner und Madlen Rehse auf ihrer Website zu dem Buch als leitende Idee definieren: Das Buch wagt einen Spagat, es soll nicht nur Weihnachtsgeschichte, sondern auch Aufklärungsbuch sein.
Mit dem Wissen um diesen Ansatz im Hintergrund konnte ich mich viel leichter auf die Geschichte einlassen – mit all den für mich in einem Kinderbuch ungewöhnlich erscheinenden Begriffen. Versteht man das Buch aber wirklich als den Versuch, eine bekannte Erzählung von der Geburt eines Kindes auch als eine Chance zu begreifen, den Prozess einer Geburt an sich für Kinder verstehbar zu machen, treten Irritation und Unsicherheit in den Hintergrund und eine liebevolle Geschichte hervor. Was für eine wunderbare und geniale Idee, die Geburtsgeschichte wirklich als eine Geburtsgeschichte zu erzählen. Besonders fasziniert mich daran tatsächlich meine Irritation im ersten Moment, die sich durch die Beschäftigung mit der dahinterstehenden Idee in große Begeisterung gekehrt hat. Nach nun mehrmaligem Lesen der Erzählung bleibt mir besonders die Vielschichtigkeit der Details in Erinnerung.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das Buch einen Raum eröffnet als Eltern mit dem eigenen Kind über das Thema Geburt ins Gespräch zu kommen oder damit auf die anstehende Geburt eines Geschwisterkindes vorzubereiten.
Viele offene Fragen („Wann es wohl zur Welt kommt, das kleine Menschlein?“) regen (Kinder) dazu an, mit der Geschichte mitzufühlen und der je eigenen „Menschwerdung“ . Dem Kind wird so die Möglichkeit eröffnet, eigene Fragen zu stellen.
Als besonders gelungen empfinde ich darüber hinaus das Changieren zwischen der theologischen Dramaturgie der „klassischen“ Weihnachtsgeschichte mit der Möglichkeit einer Interpretation des Jesus als den (zukünftigen) Hirten und der gleichzeitigen Offenheit, die Geschichte schlicht als eine Erzählung über ein junges Paar zu begreifen, das ein Kind in einem Stall bei Ochs und Kuh gebärt und dieses Wunder der Geburt eines Menschen andere Menschen berührt und freudig stimmt.
Auf der Website zum Buch adressieren die Macherinnen ihr Buch an ganz unterschiedliche Personen und Gruppen.
Der unkonventionelle Ansatz eröffnet eine ganz neue, an mancher Stelle vielleicht sogar herausfordernde Begegnung mit einer durchaus bekannten Geschichte.
Ich empfinde es als große Bereicherung, mich auf die Geschichte und die Idee eingelassen zu haben. Daher sei dieses außergewöhnliche Kinder(aufklärungs)buch jedem*r Interessiertem*n empfohlen.
Hashtag: #babybethlehem
(Beitragsbild: @babybethlehem.de)
Anne Steckner / Madlen Rehse, Das Baby von Bethlehem. Die Geschichte einer Geburt, 2021.
Der Redaktion wurde ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.