Drei Priesterseminare für die deutschen Diözesen – ist das eine zukunftsfähige Priesterausbildung für das 21. Jahrhundert? Philipp Graf erhebt einige Anfragen an das vor kurzem veröffentliche Papier der DBK. Es offenbart, dass anstelle der nötigen grundlegenden Reformen der Weg des Heiligen Rests gegangen wird.

Was einige Auserwählte da im stillen Kämmerlein1 erarbeitet haben, schlug in der vergangenen Woche wie eine Bombe in die katholisch-theologische Landschaft Deutschlands ein: der Vorschlag zur Qualitätssicherung der Priesterausbildung in Deutschland (im Folgenden schlicht und bewusst altmodisch „Papier“ genannt). Erstaunlich, dass die Ausbildung einer Berufsgruppe, die in jedem Jahr immer weniger wird und im Vergleich zu Lehramtsstudierenden eine verschwindend geringe Zahl darstellt, derart Aufmerksamkeit erfährt.

Theologie zwischen Kirche und Welt

Auf juristischer Ebene ist die Aufmerksamkeit verständlich: In den Konkordaten zwischen verschiedenen staatlichen Stellen und dem Heiligen Stuhl hängt die Existenz einer theologischen Fakultät oftmals daran, ob die Ausbildung von Priesteramtskandidaten an dieser Fakultät – zumindest theoretisch – stattfindet. Dass das nicht zwingend der Fall sein muss und wissenschaftstheoretisch ein fragwürdiges Konstrukt darstellt, hat die Reaktion des Dekans der Erfurter katholisch-theologischen Fakultät gezeigt. Er verweist auf eigene Regelungen zwischen dem Freistaat Thüringen und der Theologischen Fakultät Erfurt, die diese als eigenständige wissenschaftliche Institution stärken. Er geht sogar noch weiter: Kirche steht mit anderen öffentlichen und privaten Institutionen in einem Konkurrenzkampf um die besten Köpfe dieser Fakultät! Diese Aussage hat übrigens das Potenzial, manche Diözesen von jener feudalen Haltung zu befreien, die sie gegenüber manchen Mitarbeiter*innen und auch Priestern an den Tag legen.

Quasi-priesterlicher Wanderzirkus

Neben der juristischen Ebene ist es vermutlich noch etwas Anderes, was die Gemüter erhitzt und Hoffnungen auf eine Kirche ohne starke Machtgefälle enttäuscht: die Loslösung der Priesteramtskandidaten aus ihrem Umfeld, die dieser Vorschlag forciert, wenn er Ausbildungsstadien zentralisieren möchte. Die erste Phase vor dem Studium wäre hier, das Studium dort, die seelsorgerliche Ausbildung in einer dritten Stadt. Es entstünde ein Wanderzirkus überregionaler, nord-, mittel- und süddeutscher Kohorten von Priesteramtskandidaten; dass ostdeutsche Standorte in dem Papier keine Berücksichtigung finden, ist von anderen Stellen bereits hinreichend moniert worden.2

Hier zeigt das Papier eine erstaunliche Inkonsistenz: Zentralisierung steht der Regionalität der Ausbildung, aber auch dem Streben nach mehr und früh geübter Kollegialität zwischen den verschiedenen pastoralen Berufsgruppen entgegen, die ebenfalls gefordert wird. Die lehramtlich festgelegte Differenz zwischen Klerus und Laien(-theolog*innen) „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“3 würde bereits in einem frühen, nicht notwendigen Ausbildungsstadium weit vor der Ordination markiert, wenn Priesteramtskandidaten von Standort zu Standort rotieren und damit den Bezug zum konkreten (und nicht bloß imaginierten) Volk Gottes verlieren. Priesteramtskandidaten werden sozial isoliert und die Bildung dauerhafter Netzwerke mit Kommiliton*innen wird ihnen erschwert.  Schwieriger wird damit auch die notwendige Entsakralisierung des priesterlichen Standes, ohne die eine wirksame Prävention missbräuchlichen Handelns nicht denkbar ist. Das haben jene Missbrauchsfälle gezeigt, in denen der Pfarrer den meisten Gemeindemitgliedern als Quasi-Heiliger und die Betroffenen und die wenigen, die ihnen geglaubt haben, als Rufmörder*innen galten.

Bischöfe leiten, Laien leiden?

Laien(-theolog*innen) waren aus dem Diskussionsprozess bisher ausgeschlossen und sind es strukturell auch weiterhin. Über die Form der Ausbildung von Priesteramtskandidaten, also jener potenziellen Amtsträger, die später die Vollmacht über die Seelen und das Ganze einer Pfarrei innehaben, werden am Ende die Bischöfe im Kollektiv (=DBK) oder einzeln entscheiden. Das stellt das Papier klar. Den einzelnen Bischöfen sei wenigstens geraten, ihren Ausbildungsleiter*innen der verschiedenen pastoralen Berufe und Theologieprofessor*innen zuzuhören.4 Ohnehin erscheint das Papier erstaunlich arm an theologischer Reflexion, was Priestersein im 21. Jahrhundert überhaupt bedeutet. So kann man hinter dem Wunsch, ausreichend große Lerngruppen von Priesterseminaristen zu bilden, nur die Argumentationsfigur jener volkskirchlichen Rudimente vermuten, für die „Gemeinschaft“ eine Floskel ist, hinter der sich institutionelle Selbstreproduktion,5 männerbündische Selbstisolation und spirituelle Leere verbergen.

Diversität statt Homogenität

Dieser Artikel soll nicht ohne konstruktive Vorschläge enden. Hierfür bietet das Papier der DBK-Arbeitsgruppe eine Basis, wenn es als Voraussetzung für die Priesterausbildung „Immobilien und Infrastruktur für unterschiedliche Wohnformen (Seminar, Wohngemeinschaften oder Pfarrhaus)“ ansieht. Will man am Gebäude Priesterseminar festhalten, empfiehlt sich wiederum ein Blick nach Erfurt, wo Priesteramtskandidaten mit Student*innen verschiedener Fächer unter einem Dach wohnen, essen und Gottesdienste feiern. Statt Homogenität der Lerngruppen, wie sie das Papier impliziert, wird hier Diversität gelebt. Das hat einen weiteren Vorteil: Für Interessenten am Priesterberuf sind diejenigen, die in der gleichen Generation sind und sich für die Ausbildung entschieden haben, in erreichbarer Nähe. Kontaktaufnahme und Erfahrungsaustausch gestalten sich so leichter. Auf Dauer ist damit auch dem Beruf als solchem geholfen. Ein weiterer Vorschlag ist die Auflösung des Seminars und die Bildung von WGs etwa in Pfarrhäusern der Stadt. Dann gerne auch mit anderen Studierenden gemeinsam, evtl. unter der Bedingung, dass man sich am Gemeindeleben der jeweiligen Pfarrei beteiligt. Beide Vorschläge haben außerdem den Vorteil, dass sie den Priesteramtskandidaten keine Lebenssituation vorgaukeln, die sie außerhalb von Klostermauern nirgendwo mehr finden werden: eine Gemeinschaft zölibatär lebender Menschen. Vielmehr sind sie als zölibatär lebende Menschen später allein auf weiter Flur. Umso dringlicher sind Pflege und Ausbildung regionaler Netzwerke von Kolleg*innen und Freund*innen bereits im Studium.

Hashtag der Woche: #heiligerrest


(Beitragsbild @emilegt)

1 Der Regens des Priesterseminars an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt beklagt die fehlende Einbindung seiner Institution in den Gesprächsprozess, obwohl dort immerhin Priesteramtskandidaten aus vier deutschen Bistümern ausgebildet werden: https://www.katholisch.de/artikel/25978-frankfurter-regens-priesterausbildung-kann-auch-zu-zentral-sein

2 Vgl. die Stellungnahme des Erfurter Dekans und Frankfurter Regens.

3 Aus der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche, Lumen Gentium Nr. 10 (hier nachzulesen: http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19641121_lumen-gentium_ge.html).

4 Positives Beispiel auch hier Erfurt: https://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/erfurt/aus-fuer-priesterausbildung-uni-erfurt-100.html. Eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Pastoraltheologie findet sich hier: http://www.theologie-und-kirche.de/pastoraltheologie-stellungnahme-priesterausbildung.pdf

5 Zum Priesterseminar als Institutionalisierung hierarchischer Machtansprüche vgl. den Artikel des Münsteraner Priesterseminaristen Maximilian Heuvelmann: https://www.feinschwarz.net/mit-foucault-im-seminar/

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philipp graf

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Altes Testament an der TU Dortmund. In seiner Dissertation betrachtet er das Buch Josua unter rollentheoretischer Perspektive.

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