Juliane Eckstein ist als Vertreterin des theologischen Mittelbaus beim Synodalen Weg und berichtet von ihren Eindrücken der ersten Vollversammlung.

Der Synodale Weg ist gestartet. Fünfundvierzig Stunden dauerte die erste Vollversammlung und hat uns Teilnehmer*innen erschöpft wieder entlassen. So vieles ist in den letzten Tagen passiert. Ich kann es erst anfanghaft ordnen. Zunächst startete der Synodale Weg fulminant. Am späten Donnerstagnachmittag liefen wir zum St. Bartholomäus-Dom in Frankfurt, in dem der Eröffnungsgottesdienst stattfinden sollte. Schon auf dem Weg gab es zahlreiche Begrüßungen und Begegnungen. Die Atmosphäre war ausgesprochen herzlich. Im Nu war man im Gespräch. Diese positive Grundstimmung zog sich durch den gesamten Abend. Fast kam ich mir vor wie auf einem Katholik*innen- oder Kirchentag.

Die Trennung von „drinnen“ und „draußen“ wird hinfällig

Und doch war etwas anders. Vor dem Dom hatten sich verschiedene Gruppen versammelt. Die Vertreter*innen von „Maria 2.0“ waren wohl die auffälligsten unter ihnen, wenn auch nicht die einzigen. Es sah aus wie eine politische Demonstration, war aber keine. Die „Demonstrant*innen“ sangen und beteten. Zudem herzten sie sich mit zahlreichen Synodenteilnehmer*innen. Diese wiederum trugen in nicht wenigen Fällen das rote Kreuz am Revers, das Erkennungszeichen der Bewegung. Es wurde deutlich: Es gibt keine starre Trennung zwischen „denen da draußen“ und „denen da drinnen“. So vielfältig wie die Kirche ist auch die Synodalversammlung.

Die erste Nagelprobe gab es noch vor dem Beginn des Beginns: „Wie ziehen wir in den Dom ein?“, lautete die Frage. Gespannt und etwas skeptisch spekulierten wir darüber, wie weit der Geist der Partizipation im Ernstfall gehen würde. Aber tatsächlich kam die Ansage: „Jeder ZdKler schnappt sich einen Bischof und zieht mit ihm zusammen ein.“ Ganz so war es dann zwar nicht. Doch wir schritten gemeinsam, bunt gemischt, ohne Trennung nach Ständen in den Dom ein und feierten dort eine wirklich schöne Heilige Messe.

Es fiel auf, wie sehr man sich bemühte, alle Möglichkeiten der liturgischen Gleichberechtigung auszunutzen. Es sang ein Mädchenchor, es dienten (fast) nur Ministrantinnen, es lasen nur Lektorinnen, es gab zahlreiche Kommunionhelferinnen. Man wollte in jedem Fall vermeiden, eine reine Männerkirche darzustellen. Und diese Bemühungen weiß ich wirklich zu würdigen.

Sternberg: „Kein deutscher Sonderweg“

Nach Ende des Gottesdienstes sprach der Präsident des ZdK, Thomas Sternberg. Seine Rede hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, weil sie einiges klargestellt hat und auf Einwände gegen den Synodalen Weg eingegangen ist. So betonte Sternberg, dass keine*r einen deutschen Sonderweg wolle und erst recht keine Abspaltung der deutschen von der Weltkirche. Vielmehr betonte er die weltweite Vernetzung der deutschen Katholik*innen und zitierte immer wieder den Brief, den Papst Franziskus im vergangenen Jahr an die deutschen Katholik*innen geschrieben hatte.

Einen Aha-Moment bescherte mir seine Erklärung, dass die Voten, also die Entscheidungen des Synodalen Wegs, in drei Gruppen einzuteilen sein würden: In diejenigen, die in Deutschland entscheidbar und umsetzbar sein werden, in diejenigen, die nach Rom verwiesen würden und dort entschieden und umgesetzt werden müssen, und als letztes in diejenigen, die an ein etwaiges Allgemeines Konzil verwiesen werden müssten, so denn irgendwann eines stattfindet. Man sei sich vollauf bewusst, dass nicht alles vor Ort entscheidbar sei. Aber über alles müsse man reden dürfen.

Anschließend skizzierte er, wie für ihn Reform und Evangelisierung zusammenhängen. Im Vorfeld der Versammlung war diskutiert worden, ob die vier thematischen Foren des Synodalen Weges nicht um ein fünftes Forum „Evangelisierung“ ergänzt werden sollten. Dieser Vorschlag war zwar abgelehnt worden, waberte aber weiter durch die Medien und Gespräche. Sternberg reagierte nun auf diese Diskussionen, indem er erklärte, was er unter „Evangelisierung“ versteht: Sie sei die „evangeliumsgemäße Umgestaltung der Kirche und der Gesellschaft“. Die Evangelisierung fange bei der Kirche selbst an. 

Die Sache mit der Evangelisierung

Damit hat er sicherlich Recht – einerseits. Andererseits erkenne ich in solchen Äußerungen die Gefahr der Nabelschau, gegen die Franziskus anschreibt. In letzter Zeit habe ich mich mit zahlreichen Menschen unterhalten, die sich als Erwachsene haben taufen lassen oder die mit geistigen Aufbruchsbewegungen zu tun haben. Ich habe festgestellt, dass keine*r meiner Gesprächspartner*innen die gesamte kirchliche Lehre lebt oder offensiv vertritt. Zumal sie sehr umfassend ist. Alle setzen ihre Schwerpunkte, die sie gut vertreten und vor sich selbst rechtfertigen können. An anderen Stellen machen sie Abstriche. Spannend ist dann immer, welche Elemente der Katholischen Lehre hinten angestellt werden, um das, was ihnen wertvoll geworden ist, annehmen und/oder verbreiten zu können.

Daher stimme ich an dieser Stelle Papst Franziskus zu, wenn er in seinem Brief schreibt, dass die Evangelisierung oberste Priorität haben sollte. Sobald man versucht, den Glauben zu vermitteln, zu erklären, zu leben, ihm neue Formen zu geben, dann rücken andere Inhalte in den Vordergrund als diejenigen, die oft zum Kern des Katholischseins hochstilisiert werden. Andererseits bemerkt man sofort, welche Elemente „der kirchlichen Sozialgestalt“ (ein Buzzword, das auch in den folgenden Tagen immer wieder auftauchte) und welche Lehrformulierungen (nicht Lehrinhalte!) die Evangelisierung erschweren oder gar zum Scheitern verurteilen.

Persönliche Perspektiven bekommen Raum

Genau von dieser Dialektik berichteten nach Sternbergs Rede im Kölner Dom sechs Synodale. Ihre Perspektiven waren unterschiedlich, aber allesamt persönlich und eindrücklich. Sie alle betonten, dass sie gläubig geworden oder geblieben sind, weil sie glaubwürdige Zeugen der frohen Botschaft Jesu kennengelernt haben. Sie alle fanden Kirche attraktiv, weil sie darin Freiheit gefunden haben. Und sie alle sahen die Kirche als einen Raum, in dem sie sich engagieren können und wollen.

Aber auch die Probleme wurden nicht verschwiegen. Ein Priester aus Magdeburg, in der katholischen Diaspora, gab eine gewisse Sprachunfähigkeit gegenüber nicht kirchlich sozialisierten Menschen zu. Eine Gemeindereferentin und eine Ordensfrau berichteten von schmerzhaften Geschlechtergrenzen in der Kirche. Zudem erzählten sie von erschütternden Seelsorge-Gesprächen, in denen sie resignierte oder gebrochene Zeug*innen des Evangeliums begleiten. Dass in diesem Zustand jeder Versuch der Evangelisierung zum Bumerang wird, liegt auf der Hand.

Insgesamt habe ich aus diesen Beiträgen drei Faktoren herausgefiltert, die m.E. für unsere Gesellschaft typisch sind und an denen wir nicht vorbeikommen: Wir können unseren Glauben erstens nur vermitteln, wenn wir dabei als authentische Menschen wahrgenommen werden. Eine sich reformierende Kirche muss eine solche Authentizität ermöglichen. Zweitens wird unsere Kirche nur dann attraktiv, wenn sie den Menschen ein Mehr an Freiheit bietet. Und drittens müssen Menschen in der Kirche das Gefühl bekommen, dass ihr Handeln von Belang ist und wertgeschätzt wird. Diese drei Begriffe – Authentizität, Freiheit und Selbstwirksamkeit – möchte ich durch meine weiteren Berichte mitlaufen lassen. Sie sollen mir zum Prüfstein werden, um den Fortgang der Debatten beurteilen zu können.

Hashtag: #SynodalerWeg


(Beitragsbild: @dominikmartin)

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juliane eckstein

ist diplomierte Dolmetscherin und hat später in München und in Jerusalem Katholische Theologie studiert. Sie hat im Alten Testament über das hebräische Ijobbuch promoviert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Georgen. Sie findet die derzeitigen Umbrüche in der Kirchenszene spannend.

3 Replies to “Synodengänger*innen: Aufbruch – Der erste Tag

  1. Liebe Juliane, auch aus Künzell vielen Dank für deine Sicht der Dinge, die drei Grundprinzipien, die du am Ende nennst, nehme ich in meine Arbeit im Religionsunterricht und im Pfarrgemeinderat mit. Bleib dran!

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