Die Forschung im Bereich des Transhumanismus und somit an der Perfektionierung des menschlichen Körpers ist im vollen Gange. Caroline Helmus fragt, wie sich die Theologie in die Diskurse einbringen kann.

Das Zusammenrücken und Durchdringen von Technik und Mensch ist im 21. Jahrhundert fast schon als Gemeingut zu bezeichnen. Zunehmend lassen sich Stimmen vernehmen, die einen Schritt weiter gehen wollen. Sie streben eine technologische Transformation des Menschen in ein posthumanes Wesen an. Diese Vision des Transhumanismus sieht die Möglichkeit, mithilfe wissenschaftlich-technischer Mittel die Grenzen, die dem menschlichen Leben auferlegt sind, zu überwinden. Konkret werden hier das Aufheben von Alterungsprozessen sowie die physische, intellektuelle und psychische Leistungssteigerung des Menschen angesprochen.1 Dass der Mensch damit ein technologisch formbares Objekt sei, ist m. E. unlängst in den öffentlichen, kulturellen und politischen Raum eingedrungen und wird meistens unreflektiert übernommen.

Technologisches vs. christliches Menschenbild?

Es ist aber nicht so, als hätte das technologische Menschenbild eine gesellschaftliche Monopolstellung inne. Weiterhin wird gerne auf ‚das‘ christliche Menschenbild zurückgegriffen, nicht zuletzt auch, um einen Gegenpol zum technologischen Menschenbild zu schaffen. So äußerte kürzlich die gegenwärtige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, in einer Bundestagsdebatte zum Thema KI:

Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen.2

Karliczek drückt damit nicht nur aus, dass sich die Gesellschaft normierend am christlichen Menschenbild orientieren soll, sondern auch, dass das christliche Menschenbild in einer Distanz zum technologischen Fortschritt steht.

Bevor aber darüber diskutiert werden kann, ob beide Menschenbilder in offener Opposition zueinander stehen, muss vorab ausbuchstabiert werden, welche Menschen- und Körperbilder beiden Positionen zugrunde liegen. Insgesamt kreist der folgende Beitrag deshalb um zwei Pole, um den des Körperbilds im Transhumanismus und den der christlichen Körperbilder, die als Antwortmöglichkeiten dem technologischen Menschenbild entgegengestellt werden. Über eine von Foucault inspirierte Analyse der dahinterliegenden Herrschafts- und Machtstrukturen können beide Diskurse schließlich zusammengeführt werden, weil sie m. E. jeweils biopolitisch agieren, indem sie Lebensprozesse steuern wollen.

Der gebrochene Körper

Der biologische Körper wird im Transhumanismus als gebrochener, weil endlicher Körper wahrgenommen. Dies führt zugleich zu einem normativ aufgeladenen Blick. Denn die biologische Bedingtheit wird hierbei mit Leiderfahrungen gleichgesetzt und damit der Körper pathologisiert. Daraus folgernd treten verschiedene Transhumanisten für das Recht auf morphologische Freiheit ein als ein Recht, den eigenen Körper zu modifizieren und so die biologisch inhärenten Grenzen zu überwinden. Auch die häufig mechanischen Metaphern des Körpers als Auto, Gebäude oder Maschine verdeutlichen die Perspektive auf den Körper als etwas, das der Wartung bedarf, reparaturbedürftig ist, aber gerade deswegen auch verbessert werden kann.

Um dies umzusetzen verfolgt der Transhumanismus das Diktum der Kontrolle des Biologischen. Die Huldigung eines vollkommenen Körpers verleiht dem Körper einen Produktcharakter und rückt den perfekten Körper als mögliche Handlungsdimension in den Mittelpunkt. Dadurch partizipiert der Transhumanismus an Diskursen über den Körper bzw. Diskursen über die Lebensgestaltung und wirkt damit biopolitisch auf den Menschen ein. Denn die Idee des gebrechlichen Körpers fungiert einerseits als Hoheitsdeutung dessen, wie sich ein biologischer Körper verstehen soll. Andererseits wird über die propagierte Vision einer Verschmelzung von mehr Technik bei gleichzeitiger Reduktion der biologischen Faktoren das, was und wie ein Körper sein soll, normiert. Die Bevorzugung bestimmter Körperbilder wie das eines gesunden, funktionierenden Körpers, zeugt von den machtbesetzten Diskursen, in denen der Transhumanismus ruht.

Wundmale, die bleiben – mehr als schöner Schein

Die christliche Theologie bietet dagegen Diskurse an, die das biologische Dasein mit all seinen Facetten als Moment begreifen, welche es anzunehmen gilt. So wird gerne auf die christliche Vorstellung, dass Gott Mensch geworden ist, zurückgegriffen, da dies konträr zum Bild des ‚aufgemotzten‘ Körpers stehe. Die Inkarnation, aber auch das Leben und Leiden Jesu Christi stehen dafür, dass das menschliche Sein und seine Bedingungen angenommen werden. Die Lebensgeschichte Jesu ist außerdem davon geprägt, dass sich Jesus nicht um politische, soziale oder körperliche Andersartigkeit schert. Vielmehr wendet er sich gerade den Ausgegrenzten, denjenigen, die von der Norm abweichen, zu. Selbst nach seinem Tod werden seine Wundmale nicht retuschiert oder verklärt. Vielmehr wird diese unschöne, aber eingebrannte Erfahrung Teil seines Seins und gegenüber den zweifelnden Jüngern zum verkörperten Erkennungszeichen, wirklich er selbst zu sein.

Es liegen also zwei Körperdiskurse vor: Einerseits ein Diskurs, der Gefahr läuft, einer Gegenwartsflucht zu huldigen und sich in technologischen Möglichkeiten zu verlieren. Andererseits wurde angerissen, dass die Theologie einen Körperdiskurs anbietet, der einen wirksamen Gegenpol zu diesem schönen Schein sein kann. An diesem Punkt kann die Auseinandersetzung aber nicht stehenbleiben. Wenn mit Foucault gilt, dass Diskurse über den Körper immer sozial generierte Diskurse sind, die sich in Macht- und Herrschaftsverhältnisse verstricken, gilt dies nicht nur für den Transhumanismus, sondern auch für die Theologie. Wenn die Theologie im Verhältnis zum Transhumanismus gerade ein konträres Körperbild stilisiert, normiert sie zugleich das Bild des geschundenen Körpers bei einer gleichzeitigen imperativischen Handlungsaufforderung, den Körper auszuhalten und Enthaltsamkeit gegenüber möglichen technologischen Optionen zu wahren. Die Betonung der Resilienz und der Achtsamkeit ist dementsprechend ebenso normativ wertend und machtbesetzt.

Die Macht der Widersetzung

Die Gefahr der Normierung des geschundenen Körpers kann aber rückverweisend auf den transhumanistischen Körperdiskurs aufgedeckt werden. Denn der Transhumanismus hat in einem Motiv Recht: Es gibt körperliche Erfahrungen, die nicht zum Aushalten sind, Erfahrungen, bei denen man wörtlich verstanden „aus der Haut fahren“ möchte.

Die Theologie muss hier Vorsicht walten lassen, um nicht anmaßend zu wissen, dass der ‚rechte‘ Umgang mit gebrochenen Körpern darin besteht, das Leid und die Natürlichkeit des Körpers zu bewahren. Ansonsten wird nicht nur ihre Botschaft, sondern auch das Subjekt, dem diese Botschaft zukommt, instrumentalisiert. Die Betonung des Gebrochenseins als einer menschlichen, unentrinnbaren Disposition, als Grundmoment des Daseins, kann in den reduktionistischen Anspruch der Alternativlosigkeit des Gegebenen münden.

So generiert der Transhumanismus durch den technologischen Fortschritt eine Freiheit als Macht des Widerstandes gegen den biologisch vermeintlich alternativlosen Körper. Hier liegt die Anziehungskraft, die der Transhumanismus ausübt, begründet. Seine Macht liegt also in der Möglichkeit der Widersetzung.3

Beide Diskurse entspringen damit der foucaultschen „Lebensmacht“4, da sie das Leben steigern, intensivieren wollen und deshalb der Kontrolle unterstellen. Beide Diskurse bezeugen eine Normierung des Lebens, als das, was zu tun oder zu lassen ist. Sie generieren eine Macht, die sich auf den Körper auswirkt, weil sie biopolitisch agieren.

Hashtag der Woche: #transhuman


Anm.: Der vorliegende Beitrag beruht auf der Dissertation, die Caroline Helmus an der Universität Köln vorgelegt hat.

Weitere Informationen zum Transhumanismus lassen sich beispielsweise bei der bpb finden: „Der neue Mensch“.

(Beitragsbild @comfreak)

1 Vgl. N. Bostrom, Transhumanist Values Transhumanist Values, in: http://www.nickbostrom.com/ethics/values.pdf; zuletzt abgerufen am 19.12.2016, 5; M.More, Transhumanism. Towards a Futurist Philosophy, in: Extropy 6 (1990), 6–12, 6f.; S. L.Sorgner, Transhumanismus – „die gefährlichste Idee der Welt“!?, Freiburg/Basel/Wien 2016, 13.

2 Anja Karliczek, Bundestagsdebatte über Künstliche Intelligenz, 15.02.2019, in: Plenarprotokoll 19/81, 9472.

3 Vgl. M.Foucault, Der Wille zum Wissen. Bd. 1. Sexualität und Wahrheit, Frankfurt am Main 212017, 14.

4 Ebd., 132.

 

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caroline helmus

geboren 1989, studierte an der Universität zu Köln die Fächer Katholische Theologie, Geschichte und Philosophie und legte ihr Erstes Staatsexamen im Dezember 2014 ab. Von April 2016 bis März 2019 war sie Stipendiatin bei der a.r.t.e.s Graduate School for the Humanities Cologne mit einem Dissertationsprojekt über das Verhältnis von transhumanistischer und theologischer Anthropologie. Seit Mai 2019 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Systematische Theologie des Instituts für Katholische Theologie der Universität zu Köln im Forschungsprojekt "Ist „glauben“ ein universales Vermögen? Zur Möglichkeit des Glaubensvollzugs bei von Geburt an starker kognitiver Beeinträchtigung" angestellt. (Profilfoto © a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne / Foto: Patric Fouad)

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