Christlich-charismatische Bewegungen, wie etwa das Gebetshaus in Augsburg, erhalten immer mehr Zulauf. Sie predigen eine neue Entschiedenheit für den Glauben und wollen die Mission wieder als Kern des Christentums verstehen. Franca Spies sieht das kritisch und fragt nach dem Zusammenhang von Gotteserfahrung und Politik.

Bullshit-Bingo in der Theologie:

Der Fromme von morgen wird ein „Mystiker“ sein, einer, der etwas „erfahren“ hat, oder er wird nicht mehr sein.1

Diesen (Teil-)Satz von Karl Rahner können wohl alle Theolog*innen aus dem Kopf zitieren, ohne den zugehörigen Aufsatz jemals gelesen zu haben. Rahners Prognose hat sich bewahrheitet: Wenn die Sozialisation als Rekrutierungsinstrument der Religionen weitgehend ausfällt, gewinnen andere Formen an Bedeutung. Die Erfahrung zum Beispiel. Gott muss spürbar sein.

Komm’, Herr Jesus, mach’ mich fromm …

Insofern verwundert es kaum, dass charismatische Strömungen im mitteleuropäischen Christentum so viel Zulauf erleben. Institutionen wie das Gebetshaus Augsburg oder die Loretto-Gemeinschaft bezeugen diese Entwicklung eindrucksvoll. Teils zeigt sich hier eine Frömmigkeit, die geradezu ekstatisch daherkommt und medienwirksam ihre eigene Entschiedenheit für „Jesus“ zelebriert. (Christologische Titel sind offenbar out.)

Das Augsburger Gebetshaus rund um Johannes Hartl und jene, die sich in seinem Dunstkreis bewegen, haben längst verstanden, dass das Ende der Volkskirchen nicht an einem fernen Horizont droht. Es ist sichtbare Wirklichkeit. Ihre Therapie für das kränkelnde Christentum lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Mission!

Es ist nicht mehr genug, katholisch sozialisiert zu sein. Die Kirche muss wieder wollen, dass Menschen ihr Leben durch eine klare Entscheidung Jesus Christus übergeben.

(Mission Manifest, These 1)

Sind das nun die „Frommen“ von heute, die Rahner vorhergesagt hat? Bilden diese charismatischen Strömungen eine neue „Mystik“? Mag sein. Viel wichtiger: Bin ich eine Spielverderberin der christlichen Sache, wenn ich einige dieser Bewegungen trotzdem eher ungeil finde? Oder sollte ich mich als Christin nicht über alles erfolgreich Vermarktete freuen, auf dem „Jesus“ draufsteht?

Boah, ich hoff’ voll, dass Du Jesus kennenlernst. Der ist echt ’n Erlöser.

Bleiben wir beim Gebetshaus. Wann immer ich damit konfrontiert bin, kann ich mich eines Eindruckes nicht erwehren: Hier werden traditionalistische Positionen in eine hippe Ästhetik gewandet, um den Eindruck eines zeitgemäßen Christentums zu erwecken. Hartl hat das perfektioniert: In knallige Farben gehüllt, ein Einstecktuch in der Brusttasche des Jacketts oder einen lässigen Schal umgeworfen, lässt er sich in einen Sessel fallen, gönnt sich noch einen Schluck aus der Hipsterbrause in seiner Hand und erklärt ver(w)irrten Schäfchen die komplexe Welt in Videoclips à 90 Sekunden.

Alle dieser Videos verlaufen ähnlich. Frage: Sind alle Religionen gleich wahr? Antwort: Lerne Jesus kennen. Frage: Wie sind Kreuzzüge zu bewerten? Antwort: Lerne Jesus kennen. Frage: Können wir im Himmel Sex haben? Antwort: Lerne Jesus kennen. Undsoweiterundsofort.

Guess what? Eine Mate-Flasche macht noch kein 21. Jahrhundert. Christlich-religiöse Themen in 90 Sekunden und verständlicher Sprache abhandeln zu wollen, mag ein ehrenhaftes Unterfangen sein. Doch nicht alle drängenden Fragen an das Christentum können individualisierend-emotionalisierend damit beantwortet werden, dass man Jesus kennenlernen soll. Die pluralisierten Denk- und Lebensbedingungen unserer Zeit lassen das ebenso wenig zu wie der breit gefächerte und zur Differenzierung nötigende theologische und gesellschaftliche Diskurs.

Sünde! Sünde! Sünde?

Apropos alle drängenden Fragen: Wer sich in den Medien des Gebetshauses umsieht, wird schnell feststellen, dass sich die Themen wiederholen. Irgendwas mit Sünde, Gebet, Himmel und Hölle, irgendwas mit Sex, irgendwas mit anderen Religionen und warum die falsch liegen (ratet mal: kein Jesus). In der Summe ergibt das eine locker flockige Mischung aus Dr. Sommer und Vulgärsoteriologie, die knallhart die Grenzen göttlicher Gnade auszumachen vermag.

Mein lieber Herr Gebetshaus-Verein: Wenn sich das Christentum derart in seine toxische Binnenfrömmigkeit einigelt, wenn alle nur noch um ihre persönliche Bekehrung und ihre „Beziehung zu Jesus“ besorgt sind, geht ganz schön was verloren. Was wäre eigentlich, wenn alle Christ*innen „Fromme“ in diesem Sinne wären? Ja, es würde viel gebetet. Man hätte wohl wenig Sex vor der Ehe. Frauen wären wieder richtige Muttis. Wir würden endlich hemmungslos die muslimischen Geflüchteten taufen. Achja und: Das mit diesen Kreuzzügen wäre gar nicht so wild, das haben schließlich sündige Menschen gemacht, aber Jesus ist voll gut und „echt ’n Erlöser“.

Was ist denn eigentlich mit dem ganzen anderen Shizzle jenseits der eigenen frommen Fehlbarkeit, der in dieser Welt schiefläuft? Oder um eine Terminologie zu verwenden, die das Gebetshaus vielleicht versteht: Was ist mit der strukturellen Sünde? Mit globaler und intergenerationeller Ungerechtigkeit, mit Fremden- und Frauenhass, mit den Opfern der Geschichte — der Kreuzzüge beispielsweise — oder den Opfern gnadenloser Strukturen? Mit Menschen kurzum, deren eigene Stimme nicht gehört wird und die vom Aufruf an verwöhnte Mitteleuropäer*innen, einfach Jesus kennenzulernen, nicht das Geringste haben?

Bezüglich all dieser Fragen scheint mir manch charismatische Bewegung komplett entpolitisiert und blind für die gesellschaftliche Verantwortung des Christentums. Ja, mehr noch: Die primäre Qualifizierung der Welt als potentielles Missionsgebiet neigt dazu, diese auf ein feindliches Außen des Christentums zu reduzieren.

Die Welt als Feind, als Gegenmacht für den Christen – wie passt das zu den Grundaussagen des II. Vatikanums? Hat nicht gerade Gaudium et spes theologisch grundlegend das Verhältnis der Kirche zur Welt, zu den Menschen und zur Gesellschaft neu bedacht und sich von einem solchen Weltverständnis abgewendet?

(Ursula Nothelle-Wildfeuer über das Mission Manifest)

Ganz auf dieser Linie formuliert auch Karl Rahner — im oben genannten, viel zitierten und wenig gelesenen Aufsatz — mit wunderbaren Worten, dass Gott

im Leben des Christen auch dort sein (kann), wo ohne ausdrückliche Frömmigkeit das weltliche Leben fröhlich, frisch, ernst und tapfer gelebt wird.2

Mystik und Politik

Es soll niemandem das Recht abgesprochen werden, seine Beziehung zum Erlöser zu pflegen. Doch kann das Christentum kaum auf seine individuell-mystische Seite reduziert werden. Oder drastischer: Von-Jesus-berührt-Sein kann man ja machen, ist aber nicht alles. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erinnert die neue politische Theologie das Christentum immer wieder daran, sich mit den Leidenden der Welt zu solidarisieren und sie zum Prüfstein des eigenen Tuns und Denkens zu machen. Für Johann Baptist Metz ergibt sich diese Perspektive aus der Situation, Theologe „nach Auschwitz“ zu sein:

Im Bewußtwerden der Situation nach Auschwitz drängte sich mir die Gottesfrage in ihrer merkwürdigsten, in ihrer ältesten und umstrittensten Version auf, eben in der Gestalt der Theodizeefrage (…): Gottesrede als Schrei nach Rettung der Anderen, der ungerecht Leidenden, der Opfer und Besiegten in unserer Geschichte.3

Diese „Mystik des Leidens an Gott“, das Rückfragen angesichts der Gottverlassenheit, entspreche der Gebetstradition Israels — etwa der Klagepsalmen oder des Buches Hiob —, zu der auch Jesu Schrei am Kreuz gehöre. Doch richtet sich die Mystik bei Metz eben nicht nur in das Innere des eigenen Selbst, sondern konkretisiert und politisiert sich in einem „aus der Gottesleidenschaft geborenen Geist der Mitleidenschaft“4 . Dorothee Sölle formuliert den Zusammenhang von Mystik und Politik nicht minder deutlich. Gerade der Weg ins Innere, die „Erfahrung der Einheit“, mache sensibel für die „Zersplitterung des Lebens“:

Keine Gotteserfahrung läßt sich so privatisieren, daß sie Besitz der Besitzer, Privileg der Mußehabenden, esoterischer Bereich der Eingeweihten bleibt.5

Von einem triumphalistischen Jesus-Bild, das gegen weltliche Irritationen immunisiert, ist bei Sölle und Metz nichts zu spüren. Auch erinnert ihre politische Theologie daran, dass sich Mystik nicht einfach im vereinzelten Moment intensiven Erlebens erschöpft, sondern vielmehr einen Prozess beschreibt, in dem eine Weltsicht eingeübt und angeeignet wird: nach innen und außen.

Fromme von heute, so Rahner eingangs, müssten Mystiker*innen sein, sie müssten etwas erfahren haben. Doch sah auch Rahner die Notwendigkeit einer „Weltfrömmigkeit“, in der sich

Mystik der Gotteserfahrung und humane Welttat (…) konkret zur Einheit christlicher Frömmigkeit von morgen zusammenfügen.6

In manchen Frömmigkeitsformen werden jedoch die wirklich drängenden sozialen Fragen unserer Zeit nicht mehr gestellt oder (bestenfalls?) mit allen anderen in den autoreferentiellen Himmel-Hölle-Sex-Brei eingerührt und darin gesellschaftlich-immunisiert, dafür religiös-exklusivistisch beantwortet.

Der politischen Theologie gefällt das nicht. Auch wenn „Jesus“ draufsteht.

Hashtag der Woche: #ohjesus


(Beitragsbild: @shaunimages)

1 Karl Rahner, Frömmigkeit früher und heute, in: Ders., Schriften zur Theologie VII, Einsiedeln / Zürich / Köln 1966, 11-31, 22.

2 Ebd., 24 (Herv.: F.S.).

3 Johann Baptist Metz, Theologie als Theodizee?, in: Willi Oelmüller (Hg.), Theodizee – Gott vor Gericht?, München 1990, 103-118, 104.

4 Johann Baptist Metz, Passion und Passionen, in: Ders., Armut im Geiste — Passion und Passionen, Münster 2007, 63-78, 69.

5 Dorothee Sölle, Mystik und Widerstand. „Du stilles Geschrei“, Hamburg 1997, 18.

6 Rahner, Frömmigkeit (wie Anm. 1), 30.

Print Friendly, PDF & Email

franca spies

studierte katholische Theologie in Freiburg und Jerusalem. Nach ihrer Promotion in Freiburg arbeitet sie nun in der Fundamentaltheologie an der Universität Luzern. 2016 hat sie y-nachten mitgegründet und gehört bis heute der Redaktion an.

10 Replies to “Mein lieber Herr Gebetshaus-Verein!

  1. Das beschriebene Kommunikationsmodell – äußerliche Modernität und „Lerne Jesus kennen“ – erinnert mich stark an amerikanisch geprägte evangelische Freikirchen. Zunächst mal funktioniert das gut. Welcher Christ gibt schon gern zu, dass seine persönliche Jesusbeziehung wohl weniger toll ist als die, die der andere behauptet und für sich in Anspruch nimmt.

    Interessant wird es dann bei anderen Fragen: Wie wird mit kritischen Fragen und ernsthaften Zweifeln umgegangen? Wie mit den Fragern und Zweiflern? Und wie glaubwürdig in ihrer Persönlichkeit und tätiger Nächstenliebe sind die Jesus-Beansprucher?

    1. Ich habe eine ganze Reihe Predigten von Johannes Hartl gehört. Sie sind beeindruckend intellektuell und geistlich analytisch und aufklärend sowie sehr stark bibelorientiert. Keinesfalls emotional schwärmerisch, sondern sehr praktisch, substantiell und lebensnah. Hier wird nicht in falsche emotionale Steuerung des Lebens geführt, sondern tiefgreifend daraus befreit. Die Kolumne setzt sich mit einem Klischee auseinander, aber nicht mit der Verkündigung von Johannes Hartl. An der geht sie fundamental vorbei.

      1. Im Text setze ich mich hauptsächlich mit den Videos des Gebetshauses auseinander, die Hartl wohl für ein valides Bild seiner Theologie hält. Sonst würden sie kaum seinen öffentlichen Auftritt prägen. Auf dieser Basis muss ich Ihnen widersprechen. Sicherlich hat Hartl sehr gute Bibelkenntnisse und ist auch theologiegeschichtlich nicht ahnungslos. Aber: In den Debatten, die er behandelt, berücksichtigt er nicht im Mindesten den Wissens- und Diskussionsstand gegenwärtiger Theologie.
        Beispiele: Die Bibel wird völlig unkritisch gelesen – eine geistliche Schriftlektüre ist zwar legitim, aber bedarf einer entsprechenden hermeneutischen Reflexion. In Bezug auf andere Religionen ignoriert Hartl jegliche Debatte zur Frage des Heils in Christus. Das Zweite Vaticanum etwa würde auch betonen, dass niemand an Christus vorbei erlöst wird, sieht dennoch Heilsmöglichkeiten außerhalb der Sozialform Kirche. Weitere Themen, die Hartl unterkomplex betrachtet, wären die Frage nach verantworteter Elternschaft oder Geschlechterrollen. Zu alledem haben sich viele kluge Menschen sehr differenzierte Gedanken gemacht.
        Dem gegenüber steht bei Hartl der ständige Verweis darauf, wie schön etwas ist oder wie gut es sich anfühlt etc. Das muss dann auch als Begründung für entsprechende theologische Positionierungen herhalten, weil eine differenzierte Auseinandersetzung zu unliebsamen (weil: uneindeutigen) Ergebnissen führen würde. Emotion kann und darf aus dem religiösen Vollzug natürlich nicht verbannt werden, aber die reine Emotionalisierung religiöser Themen abseits aller Diskurse halte ich für sehr problematisch.

  2. ja gebetshaus und co konzentrieren sich vielfach auf introspektive frömmigkeit. ein blick über den tellerrand zeigt aber, dass gerade auch aus dieser oftmals starke bewegungen, die sich für soziale gerechtigkeit einsetzen, entstanden sind. evangelischerseits johann hinrich wichern bei dem aus der pietistischen „inneren mission“ die moderne diakoniearbeit geworden ist. dazu auch jean henry dunant der das rote kreuz gegründet hat, ähnlich auch die heilsarmee. und in den letzten jahren sind im spektrum anglikanischer charismatischer frömmigkeit große bewegungen entstanden, wie „street pastoring“, „caring for ex-offenders“, „william wilberforce trust“,…  die erleben, dass gerade ihre jesus zentrierte frömmigkeit sie zur diakonischen arbeit motiviert. mit ein bisschen geduld ist da bestimmt auch bei gebetshaus und co noch potential dazu da.

  3. Dass eine Dogmatikerin die 90-Sekunden-Statements als unterkomplex ansieht, verstehe ich voll und ganz. Dass man die super-coole Sprache (ausnahmsweise mal nicht mit schwäbischem, sondern hier mit bayrischem Einschlag 😉) als aufgesetzt empfindet, erst recht. Aber das wäre für mich noch kein Grund, diese Bewegung so stark zu kritisieren. Die Lösung „Jesus“ als Antwort auf viele Fragen begegnet mir (weniger kurz- und enggeführt) in vielen theologischen Schriften. Ist sie nicht sogar ein Merkmal von Theologie des 20. Jahrhunderts zwischen all den Ideologien? Wenn man z. B. Ratzingers Auslegung der Evangelien in „Jesus von Nazareth“ liest, kann man ein ähnliches Resümee ziehen. Die Frage nach der politischen Aktivität halte ich für hart an der Grenze zum Whataboutism. Wie Benny oben schreibt: Wer weiß denn, wie sich die Frömmigkeit dieser Leute im Alltag auswirkt. Und selbst wenn sie vor allem beten. War das in der Kirche nicht schon immer so? Den einen beten die andern zu viel, den andern handeln die einen zu oberflächlich. Aber in der Summe sind wir „ein Leib“, und die verschiedenen Organe wirken zusammen. Im großen Senfbaum ist Platz für die unterschiedlichsten Vögelchen, auch für die aus dem Gebetshaus in Augsburg.

    1. Hallo Daniel,
      in der Tat halte ich die Kurz-Videos für unterkomplex und die Sprache ebenso. Das ist aber nicht (einzige) Grund meiner Kritik. Auch gegen eine christologische Konzentration habe ich nichts einzuwenden. Natürlich habe auch ich nichts dagegen dass „Menschen ihr Leben durch eine klare Entscheidung Jesus Christus übergeben“ (s.o.). Aber es stellt sich doch die Frage, was (ich bin geneigt zu schreiben: zur Hölle) das eigentlich heißen soll? Bedeutet es, dass das oberste Interesse des Christentums darin liegt, dass möglichst viele Menschen den bösen Mächten der Welt entrissen, getauft werden und ein entschieden christliches Leben führen (bei dem man wiederum fragen müsste: Wie geht das?)? Das wäre wohl die Option des Gebetshauses, die ich by the way nicht nur den 90 Sekunden-Clips entnehme, sondern auch dem Buch „Mission Manifest“ und längeren Hartl-Vorträgen – s. dazu auch den hervorragenden Artikel von Ursula Nothelle-Wildfeuer, der oben verlinkt ist.
      Dagegen bin ich der Auffassung, dass christlicher Selbstvollzug die Welt da draußen nicht als Missionsgebiet ansieht – und entsprechend die Menschen nicht als Missionsobjekte. Und – Obacht! – ich kann auch christologisch argumentieren: In der Menschwerdung macht Gott sich die Weltlichkeit der Welt zu eigen. Daher funktioniert in meinen Augen eine dualistische Schwarz-Weiß-Logik christlicherseits nicht.
      Und damit kommen wir zur Frage, ob meine Konzentration auf die Politik „hart an der Grenze zum Whataboutism“ ist, was wohl nichts anderes heißen soll als: Es ist Whataboutism. Es scheint mir, als hättest Du diesen entscheidenden Aspekt meines Textes nicht ganz verstanden. In meinen Augen ist Politik kein äußerer Zusatz zum Christentum, sondern dessen wesentlicher Bestandteil. Nicht nice-to-have, sondern Prüfstein. Das kann man unterschiedlich theologisch ausdrücken: Menschwerdung (s.o.), Reich-Gottes-Botschaft Jesu, Einheit der drei Grundvollzüge (Liturgie, Verkündigung, Diakonie!) der Kirche oder eben politische Theologie.
      Nochmal in aller Kürze: Solus Christus – einverstanden. Bei der Frage, was das im Vollzug bedeuten soll, erwarte ich aber erheblich mehr theologische Reflexion. Das Gebetshaus entwickelt sich womöglich noch mehr in die diakonische Richtung. Jüngst hat Hartl aber wieder bekräftigt, das Christentum möge sich aus politischen Fragen raushalten. Was einzelne Anhänger*innen des Gebetshauses machen, war nicht die Frage des Artikels. Es ging um das, was da an theologischen / religiösen Vorstellungen verbreitet wird.

      1. Hallo Franca,
        Danke für die ausführliche Antwort.
        Wenn Hartl wirklich ausdrücklich der Meinung ist, das Christentum solle sich generell aus der Politik raushalten (Link?), fehlt bei ihm auch m. E. etwas Wesentliches an der Botschaft. Dass sich einzelne christliche Bewegungen aus der Politik herausgehalten haben, sieht man aber in der Kirchengeschichte doch immer wieder. Ich denke da an kontemplative Orden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin mit dem Speichern der angegebenen Daten einverstanden: