In weniger als 100 Tagen beginnt der 103. Katholikentag in der diesjährigen Gastgeberstadt Erfurt. Paula Greiner-Bär ist Erfurterin und wirkt beim Katholikentag an verschiedenen Stellen mit. Die y-nachten.de-Redakteurinnen Hannah Ringel und Claudia Danzer haben mit ihr über den anstehenden „katholischen Ausnahmezustand“ in Erfurt gesprochen.

y-nachten.de: Paula, du hast auf dem Katholikentag in Stuttgart vor zwei Jahren nach Erfurt eingeladen. Nun steht der Katholikentag bereits vor der Tür. Was macht für dich persönlich den besonderen Vibe eines Katholikentages aus?

Paula Greiner-Bär: Für mich wird der Katholikentag in Erfurt tatsächlich erst der zweite nach Stuttgart sein, an dem ich teilnehme. Bis ich in Stuttgart im Abschlussgottesdienst gemeinsam mit Bischof Ulrich Neymeyr zum Katholikentag nach Erfurt einladen durfte, kannte ich das alles gar nicht und hatte es, um ehrlich zu sein, auch nie wirklich auf dem Schirm. Und dann habe ich es da lieben gelernt  – die Glaubensgemeinschaft, die Gespräche, den Austausch über Gott und die Welt – im wahrsten Sinn des Wortes –, das gemeinsame Beten und Singen, das Wiedersehen mit Freund:innen und Bekannten aus ganz unterschiedlichen Kontexten und vielleicht auch die müden Beine am Abend, weil man den ganzen Tag unterwegs war und viele tolle Menschen getroffen hat – das alles, würde ich sagen, macht den besonderen Vibe für mich aus und den wünsche ich mir auch für Erfurt.

y-nachten.de: Du hast in Erfurt katholische Theologie studiert, arbeitest und lebst in Erfurt. Wie ist es für dich, dass der Katholikentag in „deine Stadt“ kommt?

Paula Greiner-Bär: Ganz ehrlich? Meine erste Reaktion war – Oh, Gott, haben sie sich das richtig überlegt… Wie soll das hier gehen? Fünf Tage katholischer Ausnahmezustand in einer eher kleineren Landeshaupt- und Bischofsstadt, in der gerade noch vielleicht 30 % der Menschen christlich sozialisiert sind. Aber mittlerweile sehe ich es als echte Chance. In Erfurt gibt es eine lange christliche und auch jüdische Tradition, die nicht zuletzt durch die vielen Kirchtürme und jüdischen Einrichtungen im Stadtbild sichtbar ist. Ein guter Ort also, um so ein Fest des Glaubens zu begehen. Und vielleicht ist der Katholikentag ja auch eine Chance, diesen Glauben sichtbar zu kommunizieren, besonders gegenüber den Menschen in der Stadt, die mit Religion und Kirche nicht viel bis gar nichts anfangen können. Er wird eine Einladung sein, einfach dabei zu sein und zu erleben.

y-nachten.de: „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Ps 37) – hoffnungsvolle aber auch herausfordernde Worte in 2024. Was verbindest du mit dem diesjährigen Motto?

Paula Greiner-Bär: Oh, mit dem Motto verbinde ich tatsächlich ganz viel. Ich weiß nicht, ob wir so viel Zeit bzw. Platz haben. Ich halte das Motto für absolut klug und passend gewählt – treffender kann vielleicht eine christliche Hoffnungsbotschaft im Moment nicht sein. Auf mindestens 5 von 7 Kontinenten gibt es bewaffnete Konflikte oder Krieg. Viele Kriegsgebiete und Krisenherde haben wir gar nicht im Blick, weil sie in unseren Medien keine Rolle spielen. Und dann ist da die Frage nach der Zukunft. Für die Menschen in diesen Kriegs- und Konfliktgebieten. Für die Menschen, die die Mühen und Gefahren einer Flucht auf sich nehmen. Für die Menschen, die schon jetzt massiv vom Klimawandel betroffen sind. Für die Menschen in unserem Land, die mit Sorge auf die Inflation, die steigende Gewalt und den Rechtsextremismus blicken. Und dann dieses Wort Frieden. Das klingt für mich manchmal so wahnsinnig groß und unerreichbar. Aber diese klare Botschaft, dass ein Mensch, der Frieden will und lebt, eine Zukunft hat – und ich bin sicher, es ist eine gute Zukunft – beeindruckt mich dann doch wieder so sehr, dass ich glaube, dass Frieden möglich ist. Im Kleinen und im Großen. Es braucht einfach mehr Menschen des Friedens.

y-nachten.de: Auch vor einer 100 Jahre alten Institution wie dem Katholikentag machen Veränderungen nicht halt. Was ist dieses Jahr beim Katholikentag vielleicht anders oder neu, und was ist wie immer? Und auf welche Veranstaltung freust du dich am meisten?

Paula Greiner-Bär: Ja, vor Veränderungen ist auch der Katholikentag nicht gefeit. Er wird auf jeden Fall von der Veranstaltungszahl her kleiner sein, als es die vorherigen Katholikentage waren, und auch die Inflation kickt natürlich leider ganz schön rein, aber die objektiv geringere Quantität wird definitiv nicht die Qualität mindern. Es wird die klassischen Podien geben, einige Konzerte, die Kirchenmeile und verschiedene Aktionen.

Ich kenne das Programm noch nicht im Detail. Aber persönlich bin ich immer ein Fan von den großen Gottesdiensten und habe sogar das Glück, im Jugendgottesdienst am Samstag-Abend und im Abschlussgottesdienst, der in diesem Jahr gleichzeitig auch die Bistumswallfahrt des Bistums Erfurt ist, mitzuwirken. Aber auch die Gebetszeiten in der Mitte des Tages haben in dem Gewusel und zwischen den vielen Eindrücken einen hohen Wert. Und dann – das sage ich hier vielleicht auch nicht ganz uneigennützig – freue ich mich darauf, dass zwei Kolleginnen und ich eine Ausstellung zu den Frauen im Stammbaum Jesu (Mt 1,1–17) präsentieren dürfen, die auch ein tolles Kinderprogramm enthält. Die Podien werden hochkarätig besetzt sein und auch sonst sind, denke ich, tolle Aktionen geplant. Am Ende ist es sicher die Mischung, die es so gut macht.

y-nachten.de: In den letzten Wochen sind unglaublich viele Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Gerade im Hinblick auf die anstehenden Landtags- bzw. Kommunal- und Europa-Wahlen in Deutschland: Inwiefern ist der Anstieg von Rechtsextremismus Thema auf dem Katholikentag?

Paula Greiner-Bär: Ein Katholikentag in Erfurt kann gar nicht anders, als den Anstieg von Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft zu thematisieren. Im Herbst sind Landtagswahlen in Thüringen – die Wahlergebnisse und auch Wahlprognosen der letzten Monate in Thüringen und auch der anderen anstehenden Wahlen sind erschreckend und alarmierend. Das haben die Verantwortlichen in der Organisation des Katholikentages, soweit ich das wahrnehme, gut und auch mit der nötigen Sensibilität im Blick. Es wird Veranstaltungen mit Politiker:innen auf Bundesebene geben, aber eben auch besonders mit Menschen, die sich für unsere Demokratie stark machen und für ein buntes und weltoffenes Thüringen und Deutschland stehen. Dass der steigende Rechtsextremismus Thema ist und sein wird, ist das eine. Wichtig wird vor allem auch sein, die Vorzüge einer Demokratie und demokratische Werte zu thematisieren und vielleicht ganz bewusst auch auf dem Katholikentag zu leben.

y-nachten.de: Worin siehst du die größten Herausforderungen für den diesjährigen Katholikentag?

Paula Greiner-Bär: Da würde ich gern zwei Ebenen unterscheiden. Eine Herausforderung ist ganz klar, was ja eben schon deutlich geworden ist, die Frage nach dem Umgang mit der Thematik um den steigenden Rechtsextremismus und den spürbaren Demokratieverdruss hier vor Ort in Erfurt und Thüringen. Und die andere Herausforderung ist vielleicht die Logistik. Erfurt hat einen wunderschönen mittelalterlichen Stadtkern, der aber eben relativ eng und vor allem häufig auch nicht barrierefrei ist.

y-nachten.de: Und das ständige Thema, das wohl kein Katholikentag loswird: Wie geht der Katholikentag mit dem Dauerbrenner des Reformbedarfs der Katholischen Kirche um?

Paula Greiner-Bär: Ich denke, es ist gut, dass das kein Katholikentag loswird. Ganz im Gegenteil – so ein Event, wo viele Menschen aus unterschiedlichen kirchlichen, christlichen oder auch nicht religiös gebunden Kontexten zusammenkommen, lädt gerade dazu ein, Dinge und Themen neu anzustoßen oder vielleicht einfach schon zu praktizieren, die die Realität der Menschen in ihrer Kirche abbilden. Reformen und Reformbedarf werden auf jeden Fall in den Podien Thema sein, aber ganz praktisch auch in den unterschiedlichen Liturgien sichtbar und erfahrbar werden: Ja, es kann am Fronleichnamstag eine Wort-Gottes-Feier geben und in den großen Gottesdiensten werden Frauen predigen. Vielleicht kleine, längst überfällige, aber keine unbedeutenden Schritte.

y-nachten.de: Auf dem Katholikentag in Stuttgart wurden die sinkenden Teilnehmerzahlen medial beachtet. Inwiefern war das Thema bei den Planungen? Wären anstelle von evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen eine dauerhaft ökumenische Veranstaltung eine Option?

Paula Greiner-Bär: Die sinkende Teilnehmendenzahl bringt auch verminderte finanzielle Möglichkeiten für solch ein Event mit sich. Das und eben die geringere Nachfrage schlagen sich bspw. in der Reduktion von Veranstaltungen nieder. Katholikentage können nicht mehr in dem Umfang geplant werden, wie noch vor 20 oder vielleicht auch 10 Jahren. Dauerhaft ökumenische Veranstaltungen halte ich definitiv für eine Option. Das spart Ressourcen auf allen Ebenen, bietet aber gleichzeitig wieder mehr Möglichkeiten, was Aktionen und Inhalte betrifft. Und es bringt vielleicht auch wieder mehr Menschen zusammen. Hier in Erfurt wäre der Katholikentag ohne Ökumene und die wirklich gute Zusammenarbeit und Expertise mit den evangelischen Geschwistern gar nicht möglich. Das hat sich andersherum auch im Lutherjahr 2017 – nicht nur in Erfurt, sondern in allen ostdeutschen Diözesen und Landeskirchen – gezeigt.

y-nachten.de: Zuletzt was ganz Pragmatisches: Ich habe trotz vollem Programm Zeit für einen Moment Sightseeing – was darf ich in Erfurt nicht verpassen?

Paula Greiner-Bär: Was in Erfurt auf jeden Fall ein Muss ist, ist der Spaziergang über die Krämerbrücke oder zumindest an ihr vorbei, am besten mit einem leckeren Eis in der Hand. Und für einen wirklich schönen Blick auf den Domplatz und die Altstadt lohnt sich immer ein Gang (oder eine Auffahrt mit dem Fahrstuhl) auf den Petersberg. Dort werden auch Veranstaltungen sein. Also lohnt es sich gleich doppelt.

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(Beitragsbild: @paula-greiner-bär)

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paula greiner-bär

studierte katholische Theologie in Erfurt und ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Exegese und Theologie des Neuen Testaments. Sie promoviert zur Verbindung von Erzählstrukturen und Raum im Matthäusevangelium und ist ab und zu in der kirchlichen Sendereihe „Augenblick mal“ oder den Gedanken zur Nacht im Radio (mdr) zu hören.

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