Gemeinsam unterwegs zu sein (caminar juntas) ist elementar für die Theologinnen von Teologanda, dem argentinischen Theologinnen-Netzwerk. Eine Woche lang durften Edith Wittenbrink (Mainz) Theresa Thunig (Bochum) und Mirijam Salfinger (Wien) als Vertreterinnen der Jungen AGENDA mitgehen und sich im Rahmen eines Nachwuchsworkshops Anfang März in Buenos Aires austauschen. Für y-nachten berichtet Mirijam Salfinger von ihren Erfahrungen.

Lange vor uns begannen Theologinnen aus Argentinien und Deutschland sich auszutauschen und sowohl persönliche als auch wissenschaftliche Bande zu knüpfen. Der Kontakt begann bereits 1990 mit dem ersten Treffen von Virgina Azcuy, die 2003 Teologanda (mit-)gründete, und Margit Eckholt, die von 2015–2019 Präsidentin von AGENDA war. In den folgenden Jahren schlossen sich weitere Theologinnen aus Argentinien und im deutschsprachigen Raum diesem Austausch an und begannen auch theologisch im Rahmen von unterschiedlichen Projekten und Treffen zusammenzuarbeiten. Hilfreich dafür war, dass immer wieder Argentinierinnen über Förderungen des Stipendienwerks Lateinamerika-Deutschland (ICALA) Forschungsaufenthalte in Deutschland verbringen konnten. Bisherige Höhepunkte dieser Verbindung waren die beiden Kongresse 2005 und 2016 in Buenos Aires und zahlreiche gemeinsame Publikationen. So herrscht heute auf beiden Seiten das Bewusstsein, dass AGENDA und Teologanda schon lange und tief verbunden sind.1

In den letzten Jahren nutzten Interessierte der Jungen AGENDA die Möglichkeit, an Online-Treffen der Nachwuchsgruppe der Teologanda teilzunehmen. Schließlich wurden wir auf dem Hohenheimer Theologinnen-Treffen2 2023 von Teologanda-Vertreterinnen eingeladen, zu einem ihrer Seminare zu reisen und im Vorfeld einen Workshop zu organisieren, um uns untereinander auszutauschen. Unter dem Titel “Auf die Zeichen der Zeit antworten – Junge Theologinnen machen Theologie” hatten wir die Gelegenheit, Aspekte unserer eigenen (Promotions-)Projekte vorzustellen und zu diskutieren. Da wir im Rahmen unserer Promotionen zu lateinamerikanischer Theologie arbeiten bzw. diese rezipieren, war dies äußerst bereichernd für uns. Über den fachlichen Austausch hinaus waren vor allem auch die Gespräche zwischen den einzelnen Präsentationen ein großer persönlicher Gewinn. Schnell wurde deutlich, dass wir trotz der geographischen und kontextuellen Unterschiede sowohl theologisch als auch mit Blick auf unsere Situation als Theologinnen in Kirche und Gesellschaft Anknüpfungspunkte haben.

Gemeinsame Erfahrungen als Frauen in Kirche und Theologie

Theologische Überschneidungspunkte stellen dabei die Option für marginalisierte Menschen sowie die Frage nach nicht-akademischer Theologie und den Peripherien innerhalb von Kirche und Theologie dar. Wenngleich sich unsere kulturellen und sozio-ökonomischen Kontexte stark voneinander unterscheiden, wurde dennoch deutlich, dass unser Anliegen, eine praxis- und lebensnahe Theologie zu entwickeln, nicht zuletzt aus ähnlichen Erfahrungen als Frauen in einer männerdominierten und von patriarchalen Strukturen geprägten Institution bzw. Disziplin entspringt. Entsprechend groß war auch die Motivation, sich über die unterschiedlichen Erfahrungen und Kontexte auszutauschen. Dabei waren unter anderem die Fragen nach dem Synodalen Weg bzw. Prozess und dem Umgang mit geistlichem und sexuellem Missbrauch im europäischen Kontext von großem Interesse bei unseren argentinischen Kolleginnen.

Theologie treiben in einem anderen Kontext

Im Gespräch mit und bei den Besuchen an den Arbeitsplätzen und in den Projekten verschiedener Theologinnen, die wir in den Tagen vor dem Workshop durchführen konnten, wurde schnell deutlich, dass ihre Arbeit von großen Unsicherheiten und prekären Beschäftigungsbedingungen geprägt ist. Dass man Theologie nur an kirchlichen Privatinstitutionen studieren kann und beispielsweise auch nur an kirchlichen Schulen Religionsunterricht angeboten wird, limitiert zum einen die Anstellungsmöglichkeiten für Theologinnen massiv und schränkt zum anderen auch maßgeblich die theologische Freiheit ein. Für uns als Angestellte an staatlichen Universitäten löste dies – auch wenn im deutschsprachigen Raum beispielsweise das Nihil-Obstat-Verfahren weiterhin eine große Hürde darstellt – ein sehr beklemmendes Gefühl aus. Durch die wissenschaftlichen Limitationen, aber vor allem auch durch die wenigen und prekären Anstellungsverhältnisse ist es vor allem für weibliche Laiinnen schwierig hauptberuflich Theologie zu betreiben und regelmäßig zu publizieren. Neben den theologiespezifischen Problemen sehen sich die Kolleginnen aktuell durch die Präsidentschaft Javier Mileis harten sozial- und geschlechtspolitischen Rückschritten sowie einer wirtschaftlich sehr angespannten Lage ausgesetzt.

Die Frage nach den Perspektiven innerhalb der Theologie in Argentinien thematisierten unsere Kolleginnen auch bei ihrem Intensivseminar, das halbjährlich stattfindet. Unter dem Seminarthema „Theologie – Gender – Bildung“ wurden außerdem Fragestellungen rund um patriarchale Strukturen in theologischen, philosophischen und gesellschaftlichen Bezugsrahmen, dem Zugang zu Bildung und gendersensiblen Curricula, Queer-Theology sowie der Zusammenhang von Gender- und Klimagerechtigkeit behandelt. Spannend war für uns, dass auch ein paar männliche Kollegen an dem Seminar teilnahmen, während dies bei den Hohenheimer-Theologinnen-Treffen nicht möglich ist. Vor allem liberale und aufgeschlossene Theolog*innen schätzen die Veranstaltungen der Teologanda sehr, da die Theologinnen trotz aller strukturellen und institutionellen Schwierigkeiten und Widerstände Räume des Austausches und Aufbruchs schaffen. Dies spiegelt sich auch in ihren Publikationsprojekten wider. So werden in den Reihen „Mujeres escriben teologías“ („Frauen schreiben Theologien“) und „Mujeres haciendo teologías“ („Frauen machen Theologien“) die Arbeit theologischer Pionierinnen untersucht und aktuelle feministische Arbeiten veröffentlicht.

Das Netzwerk ist außerdem nicht nur für akademische Theologinnen offen, sondern auch beispielsweise für Frauen, die sich in der pastoralen Praxis und zum Beispiel im Synodalen Prozess feministisch-theologisch engagieren. Dabei ist es ihnen ein großes Anliegen, sich sowohl regional als auch global – und vor allem auch mit Theolog*innen der (Jungen) AGENDA – zu vernetzten und den weiblichen Nachwuchs zu fördern.

Weiterhin gemeinsam unterwegs

Es war beeindruckend und inspirierend für uns zu erfahren, wie die Teologanda-Frauen trotz aller Widerstände gemeinsam versuchen, Strukturen aufzubrechen und solidarisch Aufbrüche bewirken. Über die fachlichen Gespräche hinaus, waren daher für uns vor allem der persönliche Austausch und die Möglichkeit Beziehungen zu knüpfen unbeschreiblich bereichernd. Schnell wurde deutlich, dass wir – wie auch schon die Generationen vor uns – unseren Kontakt sowohl in Lateinamerika als auch in Europa weiter intensivieren wollen. Wir nutzten daher die gemeinsamen Treffen auch, um über Perspektiven der Zusammenarbeit zu sprechen und nächste Schritte zu planen. So hoffen wir, dass unsere Reise nach Buenos Aires, bei der uns unsere Kolleginnen unglaublich herzlich und mit großer Gastfreundschaft willkommen hießen, der Beginn weiterer Treffen sowohl online als auch persönlich war. Auch wenn uns tausende Kilometer trennen, bestärkt uns das Wissen, dass wir über die Distanz hinweg als Theologinnen gemeinsam unterwegs sind.

 

Hashtag der Woche: #teologanda


Beitragsbild: privat, Mirijam Salfinger

1 Virginia A. Azcuy, Margit Eckholt, 15 año de cooperación. Teologanda y AGENDA, in: Virginia R. Azcuy, Eloísa Ortiz de Elguea, Nancy Raimondo,  Travesías de teólogas feministas pioneras (Mujeres escriben teologías / Mapas de teologías feministas Bd. 1), Cordoba 2020.

2 Das Hohenheimer Theologinnen-Treffen findet alle zwei Jahre statt. Das Ziel dieser theologischen Fachtagungen war und ist die Vernetzung von Theologinnen aus Wissenschaft und leitenden Positionen, Weitere Informationen: https://www.agenda-theologinnen-forum.de/aktuelles/veranstaltungen.html.

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mirijam salfinger

studierte Katholische Fachtheologie in Wien, Madrid und San Salvador. Seit Juni 2022 arbeitet sie als Universitätsassistentin Praedoc am Fachbereich für Theologische Ethik am Institut für Systematische Theologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Sie brennt für Ökofeminismus, mit dem sie sich auch in ihrer Dissertation beschäftigt, und interessiert sich für Befreiungstheologie, Postkoloniale Ansätze, Queerfeminismus und Geschlechtergerechtigkeit.

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