Tradwife-Narrative inszenieren traditionelle Frauenbilder mit religiösem Anstrich und suggerieren einfache Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen. Lia Alessandro zeigt, wie diese Rückwärtsbewegung theologisch „zurückgequeert“ werden kann.


The Good Wife… The Tradwife!

„Sie wird aber dadurch gerettet werden, dass sie Kinder zur Welt bringt“ (1 Tim 2,15). Mit diesem Bibelzitat in der Caption inszeniert sich die christliche Influencerin Kelly Havens Stickle auf Instagram. Sie steht in einem rosa Kleid mit einer roten Schürze auf einer Wiese am Rande eines rosa blühenden Baumes und hebt lächelnd ihr Kind in die Höhe – ein scheinbar idyllisches Bild einer glücklichen Mutter. Doch hinter der Ästhetik verbirgt sich ein ideologisch aufgeladener Entwurf weiblicher Identität: das Tradwife-Narrativ, die ‚traditionelle‘ (kollektivistische)1 Mutter und Ehefrau. Unter Hashtags wie #Tradwife, #Stayathomegirl oder #GodlyWoman verkörpern Influencerinnen auf Plattformen wie Instagram, Tiktok und Pinterest ein Frauenbild, das sich explizit von queer-feministischen Errungenschaften distanziert, um zu den „guten alten Zeiten“2 zurückzukehren.

Kann das Bild der demütigen und makellosen Hausfrau eine Antwort sein auf gegenwärtige gesellschaftliche Verunsicherungen und Komplexitäten oder verstärkt es bereits bestehende Ungleichheiten in erneuter Aufmachung? Warum braucht es eine theologische Reflexion der religiös konnotierten Weiblichkeitsideale, die in Rückbezug auf eine göttliche Ordnung ein klares hierarchisches und binäres Geschlechterbild tradieren?

Das Tradwife-Narrativ

Die Figur der Tradwife, oder auch Traditional Wife, bezeichnet meistens in der Selbstdarstellung eine Frau, die ein Leben als Hausfrau, Mutter und Ehefrau führt. Das Tradwife-Narrativ geht bis in die 2010er Jahre zurück und findet seinen Ursprung in den sogenannten Momfluencers, die zunächst Beiträge rund um das Thema Mutterschaft posteten – und damit einen realistischen Einblick in die Rolle des Mutterseins anstrebten.3 Doch das Narrativ entwickelte sich schnell weiter hin zu einer ästhetisierten Darstellung von Häuslichkeit und Weiblichkeit in Orientierung am heteronormativen Familien- und Frauenideal der 1950er sowie an der vorindustriellen Zeit, in der das Private die weibliche Sphäre darstellte. Mit dieser Sphäre geht eine klare Rollentrennung zwischen männlicher Autorität und weiblicher Unterordnung einher. Die Figur inszeniert sich dabei häufig im „makellosem“ Vintage-Stil mit Make-Up, langen Kleidern und Kochschürze – und betont die Verbindung zwischen ‚Tradition‘ und spiritueller Erfüllung, die eine Hyperfeminität und eine ‚natürliche‘ Weiblichkeit konstatiert. Dieses Lebensmodell wird von den Frauen zum einen als persönliche Berufung verstanden, zum anderen folgt die „(individuelle) Selbstinszenierung auf den Accounts […] dabei einer medialen Verkörperung ‚traditioneller‘ (kollektivistischer) Feminität“.4 Sie positioniert sich dabei aktiv gegen u.a. eine Flexibilisierung der Geschlechterverhältnisse, Gleichstellungspolitiken und queere Vielfalt.

(Neu-)religiöse Bezüge

Einige der traditionellen Ehefrauen, die sich der sogenannten Tradwife-Bewegung zuordnen, integrieren in ihren Social Media-Lifestyle fundamentalistisch-christliche Denkinhalte und Lebensweisen. So sprechen sich Influencerinnen – wie die Katholikin Gabriela (@thecandidcatholic) – für die Rückkehr zu einem Ehe- und Familienverständnis in die Zeit vor 1962-65 und somit vor dem II. Vatikanischen Konzil5  aus. Abgelehnt wird dabei eine „säkulare“ Sichtweise auf Frauen, die Lohnarbeit betreiben und körperliche so wie reproduktive Selbstbestimmung anstreben. Im Gegensatz dazu wird die Heilige Jungfrau Maria als Idealfigur perpetuiert und durch das Symbol der Reinheit, Hingabe und Mutterschaft als die ideale Tradwife dargestellt. Dabei wird ein Bezug hergestellt zu einer „divine womanhood“ – eine göttliche Weiblichkeit –, die spezifisch weibliche Attribute in den Vordergrund stellt. Hierzu gehören zum Beispiel die Schwangerschaft und das Gebären von Kindern sowie das Erziehen von „little saints“ – den kleinen Heiligen – ganz im konservativen Sinne gelesen. Home-Schooling spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle, um die Kinder im häuslichen Raum vor dem säkularen Raum und pluralistischen Gesellschaften zu schützen.

Auch beziehen sich einige Influencerinnen explizit auf biblische Vorstellungen einer zweigeschlechtlichen Ordnung und zitieren dabei die gängige Auffassung der Schöpfungsgeschichte: „Als männlich und weiblich schuf er sie“ (Gen 1, 27). Betont wird dabei eine Komplementarität der Geschlechter und die Unterordnung „der Frau“. In Bezug auf das apostolische Schreiben Dignitas Infinita („Über die menschliche Würde“) aus dem Jahr 2024 vertreten einige die Auffassung, dass Zweigeschlechtlichkeit der einzige und richtige Weg sei, um die eigentlichen Rechte von Menschen und die Gemeinschaft der Gläubigen aufrechtzuerhalten.6

Die Gefahren des Tradwife-Narrativs

Hinter dem Tradwife-Narrativ auf Social Media verbirgt sich in großen Teilen ein polarisierender Diskurs, der keineswegs nur Ausdruck einer persönlichen Lebensentscheidung ist. Es fungiert als Projektionsfläche und Vermittlungsinstanz für reaktionäre Ideologien, in denen ein religiöser Fundamentalismus, rechte und antifeministische Rhetoriken ineinandergreifen. Bibelstellen und kirchliche Dokumente sowie theologische Literatur werden selektiv rezipiert, um Geschlechterhierarchien als gottgewollt zu legitimieren. Das (re-)konstruierte Frauenbild der „perfekten“ Hausfrau markiert alles Abweichende als Bedrohung, und gilt somit als Mobilisierungsfläche für jene Menschen, die von dieser heterosexuellen Matrix abweichen. Die Betonung auf Heterosexualität und Familie in geschlossener Häuslichkeit trägt zum einen zu einem Eskapismus7 bei, eine Flucht in eine vermeintlich intakte Vergangenheit, in der Frauen die Sphäre des Privaten und Männer das Öffentliche repräsentieren. Zum andern lässt sich ein emancipation fatigue8 wahrnehmen, eine psychologische Resignation. Bei dieser stellen die Influencerinnen das Versagen queer-feministischer Bestrebungen in den Vordergrund und plädieren für eine Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse. Dargestellt wird dies als ‚freie Entscheidung‘, unreflektiert bleibt dabei die kapitalistische Vermarktungskultur der Influencerinnen, die keineswegs materiell abhängig von ihren „Liebsten“ scheinen. Unbeachtet bleiben dabei all jene, die sozioökonomisch in Zeiten von Polykrisen und ansteigender Armut über diese Entscheidungsgewalt nicht verfügen. Durch den Bezug auf „traditionelle Werte“ wird „der Feminismus“ als Feindbild konstruiert, verbunden mit der Erzählung der marginalisierten christlichen Ehefrau, die sich gegen den Zeitgeist behauptet. Hinter diesem Narrativ verstecken sich jedoch eine weiße Hegemonialität und gesellschaftliche Machtverhältnisse, die in ihrer Ausgrenzungslogik völkisch geprägte Vorstellungen eines ethnopluralistischen Kollektivs in sich tragen. Das Narrativ der Tradwife birgt dabei die Gefahr als Knotenpunkt für ideologische Regressionen zu gelten, in der der Körper der Frau (erneut und immer wieder) zum Träger eines politischen Programms wird.

(Queer-)feministisch-theologische Anknüpfungspunkte

Aus feministisch-theologischer Perspektive lassen sich zahlreiche Anknüpfungspunkte anschließen. Der unkritischen Rezeption von Bibelstellen, die wissenschaftlich-theologischen Erkenntnissen widersprechen, gilt es entschieden entgegenzutreten und selbige bedürfen einer kritischen Neubewertung. Dabei braucht es die Sichtbarkeit von Theologie, die ihren öffentlichen Geltungsanspruch beweist, indem sie die Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen in der Vielfalt geschlechtlicher, körperlicher und familiärer Lebensformen konstruktiv bearbeitet und am öffentlich-politischen Diskurs teilnimmt. In diesem Sinne verweist die Auseinandersetzung mit den Tradwife-Narrativen auf eine grundlegende Herausforderung für gegenwärtige Theologien: Sie ist dazu aufgerufen, die vereinfachten Antworten der Tradwife-Narrative auf komplexe gesellschaftliche Fragen zu bearbeiten und sie aktiv in den öffentlichen Diskurs einzubringen – als kritisches Korrektiv und als Stimme gegen die Instrumentalisierung religiöser Sprachsemantiken, die für reaktionäre Zwecke genutzt werden. Queer-feministische, kontextuelle, intersektionale und dekoloniale Theologien können hier entsprechende Wege eröffnen.

Hashtag der Woche: #zurückgequeert!


Beitragsbild: Retro vintage home building.

[1] Vgl. Viktoria Rösch, Heimatromantik und rechter Lifestyle. Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus, in: GENDER (Heft 2 2023), S. 26.

[2] Morgan Jerkins, The good Wife. Trad wife influencers may seem harmless – until you consider them amid the erosion of women’s rights, in: Mother Jones (July/August 2024), S. 62.

[3] Vgl. Jerkins 2024, 61.

[4] Rösch 2023, S. 26.

[5] Das zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war das 21. Konzil der katholischen Kirche. In diesem wurden Beschlüsse mit Auswirkungen für die gesamte Weltkirche getätigt und kirchliche Angelegenheiten verändert.

[6] Vgl. Emma Cieslik, Catholic trad wives pose a formidable political and religious force, in: National Catholic Reporter (June 7-20) 2024, S. 17.

[7] Vgl. Jerkins, S. 61.

[8] Vgl. Ebd.

lia alessandro

hat Germanistik, Philosophie und Theologie studiert und promoviert aktuell in der Religionsphilosophie an der Professur für Theologie in globalisierter Gegenwart, Goethe-Uni Frankfurt.

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