Evelyn Gollenz liest Franziska Schutzbachs ‚Revolution der Verbundenheit‘ – und entdeckt darin nicht nur fundierte feministische Analyse, sondern einen Wärmestrom, der sie und ihren Lesekreis bewegt. Im gemeinsamen Lesen, Diskutieren und Fühlen wird spürbar, was Schutzbach beschreibt: dass echte Veränderung dort beginnt, wo Frauen sich verbinden.
„Ich wünschte, mein Schreiben wäre ein Wärmestrom, Denkbewegungen aus Nicht-Kälte und Nicht-Härte, die Zuversicht verbreiten“ 1, so beschreibt Franziska Schutzbach bereits in der Einleitung ihres Buches „Revolution der Verbundenheit – Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert“ ihre Zielsetzung. Mit fundierter Expertise, aber vor allem mit sehr persönlichen Auseinandersetzungen schreibt sie in ihren Kapiteln über Freundschaft, Frauenbeziehungen in Familien, die Revolution der Liebe, Sisterhood und die weibliche Verweigerung. Der sich durchziehende Kerngedanke: gesellschaftliche und politische Veränderung durch Verbundenheit. Die Kapitel beginnen mit Briefen, welche tiefe Einblicke in Geschichten aus ihrem Leben, ihre Beziehungen und persönlichen Gedanken ermöglichen. Ihnen folgen kritische Analysen der vorherrschenden gesellschaftlichen Strukturen. Im Kapitel über Freundschaft wird zum Beispiel schon im einleitenden Brief an eine nicht namentlich genannte Freundin das Thema Familiengründung aufgegriffen und wie sich die Freundschaft dadurch veränderte, dass Schutzbach ein weiteres Kind bekam. Unter Bezugnahme auf verschiedene Autor*innen wird dann dem Thema der Frauenfreundschaften weiter nachgegangen und unter anderem aufgezeigt, dass Frauen in Freundschaften auch Unterstützung suchen müssen (für all die Aufgaben, die sie haben). Kritisch bearbeitet wird in diesem Zusammenhang der hohe Stellenwert der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft und die daraus entstehende Nutzenorientierung in solchen Freundschaften. 2
Erst wir, dann Wandel
Doch diese Kritik und der Blick auf die Verunmöglichung von weiblicher Solidarität in einer patriarchalen Gesellschaft behalten nicht das letzte Wort. „Die radikale Kritik des Bestehenden allein bewirkt keinen Wärmestrom und keine Hoffnung. Nur zu kritisieren, zu negieren ist deprimierend und niederschmetternd, […]“ 3, hält Schutzbach dazu in ihren Gedanken zum Buch fest. So gelingt es ihr in jedem Kapitel, den Fokus auf das Hoffnungsvolle zu legen und weibliche Solidarität durch ihre Gedanken im Buch zu würdigen und zu stärken. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dazu ihr Aufruf, zuerst die Frauen* ins Boot zu holen und sich nicht mit der Frage aufzuhalten, wie Männer von den feministischen Anliegen überzeugt werden sollen, denn „[e]s war nicht die Überzeugung der Männer, es war die Verbindung von Frauen beziehungsweise FLINTA*-Personen, die Gesetze kippte, politische Fortschritte und Reformen ermöglichte. Es sind Bündnisse und Koalitionen unter Frauen, auch über große Unterschiede, über politische und nationale Grenzen hinweg, die Veränderung ermöglicht haben und ermöglichen.“ 4 Immer wieder wird in ihrem Buch den gegenwärtigen Spaltungen in unserer Gesellschaft und dem Konkurrenzdenken ein Bild entgegengestellt, dass von Zusammenhalt spricht und motiviert, sich zu vernetzen und gemeinsam für Anliegen einzutreten. Nicht zuletzt deshalb war es für mich besonders wertvoll, das Buch nicht alleine zu lesen, sondern mit anderen Frauen zu teilen und zu diskutieren.
Mein feministischer Lesekreis – ein Wärmestrom
Im Rahmen eines kleinen Lesekreises sprechen wir regelmäßig über Bücher und können im Kleinen erleben, was Schutzbach zu beschreiben versucht: Solidarität. Es geht uns dabei nämlich um viel mehr als bloß einen netten Austausch über gelesene Bücher. Wir verbinden uns bewusst miteinander, stärken uns gegenseitig und üben zusammen Kritik. Wir sind gemeinsam traurig, oftmals auch wütend und freuen uns miteinander. Wir hören uns zu, versuchen zu verstehen und treten füreinander und unsere Anliegen ein. Nicht allein zu sein mit den kritischen Gedanken und den Gefühlen, die unser Leben begleiten, fühlt sich dabei wirklich oft wie eine kleine Revolution an. Nicht selten erzähle ich anderen Frauen von meinen Erfahrungen im Lesekreis. Nicht selten schenke ich Bücher weiter und motiviere Frauen in meinem Umfeld, sie ebenfalls zu lesen. Ich möchte teilen, was ich durch die gemeinsamen Erfahrungen, das Lesen als Gruppe und den ehrlichen Austausch spüre: Verbundenheit. Und die Hoffnung, dass diese Verbundenheit Gesellschaft verändern kann, wie schon Schutzbachs Titel verrät, wächst in mir schon lange. Dank dem Buch „Revolution der Verbundenheit“ habe ich aber erstmals Worte dafür gefunden und verstanden, dass sogar mein kleiner feministischer Lesekreis, etwas verändern kann und verändert. Und das nicht nur in mir. Liebe Franziska Schutzbach, danke für Deinen Wärmestrom, der verbindet und mich zuversichtlich sein lässt, dass sich Dinge ändern.
#Verbundenheit
Beitragsbild: Hannah Busing auf Unsplash
1 Schutzbach, Franziska, Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert, München: 2024, S. 21.
2 vgl. S. 43-74.
3 S. 21.
4 S. 36.