Habemus papam! Die Katholische Kirche hat ein neues Oberhaupt. Und Antonia Wojaczek wirft einen Blick auf die Gegenwart und schaut aber auch, was der neue Papst von seinem Vorgänger lernen kann.
Am frühen Abend es vergangenen Donnerstags war es soweit – weißer Rauch stieg aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom und zeigte den Gläubigen auf dem Petersplatz und in aller Welt: Es ist entschieden, die Kardinäle waren sich einig und haben einen neuen Papst gewählt: Robert Francis Kardinal Prevost, ein amerikanischer Ordensmann der Augustiner, steht nun der katholischen Kirche als Papst Leo XIV. vor. Mit seiner Namenswahl rekurriert er auf Leo XIII., dessen Pontifikat Ende des 19. Jahrhunderts verlief und der als politischer und progressiver Papst bekannt ist. In diese Tradition stellt sich nun der neue Papst, der als diplomatisch gilt und sowohl bei konservativen als auch bei liberalen Lagern in der Kirche gleichermaßen Ansehen genießt.
„Der Friede sei mit euch!“
Mit dem Satz des Auferstandenen, dem ersten Satz, den er als Papst am Donnerstag auf der Balkonloggia des Petersdoms an die Menschen richtete, stellte er klar: Genau dies, die Einheit, die Versöhnung, möchte er forcieren. Das Leitwort des Friedens zieht sich durch seine gesamte erste Ansprache. Ein Papst der Mitte also? Es ist der Kirche zu wünschen, denn in einer Zeit der Extremen, in einer Zeit, in der es entweder nur streng dagegen oder nur streng dafür gibt, ist Zeit für eine vernünftige Diplomatie, ein Bemühen um Frieden auf beiden Seiten. Sollte die katholische Kirche nicht mit Beispiel vorangehen und sich gegen den Trend der allgemeinen weltlichen Lage stellen? Ist nicht gerade und besonders in der Kirche, in der auf der einen Seite die streng konservative, auf der anderen Seite die reformorientierte liberale Meinung herrscht, ein versöhnender und konstruktiver Weg anzustreben?
Leo XIV. dankte in seiner ersten Ansprache mehrmals seinem Vorgänger Franziskus, der ihn vor zwei Jahren zum Kardinal erhoben hatte und deren Beziehung von wertschätzender Harmonie geprägt gewesen sein soll. Angesichts des Beginns dieses neuen Pontifikats und somit des Anfangs einer neuen Zukunft der Kirche und der Frage, was wir von Leo XIV. zu erwarten haben, lohnt noch einmal ein Blick zurück auf die Werte, die Papst Franziskus seinerzeit stark gemacht hat und die über den Moment hinausweisen. Er wählte ein Beispiel, das tief in der Tradition des Christentums verwurzelt ist: die Liebe.
„Non finire mai la giornata senza fare la pace.”
Mit dieser Aufforderung, nicht im Streit zu Bett zu gehen, sondern zuvor Frieden zu schließen, wandte sich der verstorbene Papst Franziskus während einer seiner wöchentlichen Audienzen Anfang Dezember 2021 an Verlobte und Frischvermählte. Während seiner Katechese widmete er sich explizit der ehelichen Liebe und machte am Beispiel des Heiligen Josephs deutlich, wie wichtig es sei, das Leben so zu nehmen, wie es komme beziehungsweise wie es einem von Gott gegeben werde: Joseph wurde mit der Befürchtung konfrontiert, seine Verlobte Maria habe ihn betrogen – und das auch noch vorehelich. Statt sie wegen Ehebruchs anzuzeigen (was nach damaligen Usus Marias Tod bedeutet hätte), wählte er, sie in Stille aus der Verlobung zu entlassen. Laut biblischer Überlieferung wurde diese Entscheidung durch einen Boten Gottes, einen Engel, verhindert, und Joseph blieb bei Maria. Seine Entscheidung gegen Rache, gegen eine öffentliche Anprangerung Marias, war ein Akt der Liebe: Er stellte sie über sich, ihr Wohlergehen über sein eigenes Selbst und entschied sich gegen Egoismus.
Die Liebe segnen?!
Das Ideal der Liebe, die zwischen Ehegatten bestehen solle, war für Franziskus eine „reife“ Liebe, die die Verliebtheitsphase überdauert und sich darüber hinaus weiterentwickelt hat. Dieses Ideal hatte Joseph (vor)gelebt und ist so für Franziskus ein Vorbild für Eheleute bis heute. Sich auch in schwierigen und unvorhersehbaren Situationen aus freiem Willen immer wieder für seinen Partner oder seine Partnerin zu entscheiden – das sei reife Liebe und das solle das Wesen der Ehe sein. Mit Ehe ist für Franziskus und nach kirchlichem Lehrverständnis eine heterosexuelle Ehe zwischen Mann und Frau gemeint. Die Träume vieler Menschen, Franziskus würde die Ehe für alle auch in der Kirche einführen, wurden enttäuscht. Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es zwar mit der Erklärung Fiducia supplicans, die eine pastorale Bedeutung von Segnungen von Paaren „in irregulären Situationen“ (also z.B. wiederverheiratete Geschiedene) und von gleichgeschlechtlichen Personen hervorhob. Allerdings ist es wichtig zu differenzieren: Die Paare sollen gesegnet werden, wenn sie dies wünschen, aber nicht deren Beziehung an sich. Die Individuen werden gesegnet und ihre Situation toleriert, ihre Beziehung wird aber nicht anerkannt – oder wie es in Fiducia supplicans heißt: „ohne deren Status offiziell zu konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern“. Kirchenrechtlich ändert sich also nichts, pastoral ist eine tolerantere Einstellung gefordert. Gesegnet werden hätte ein homosexueller Mensch aber auch vorher schon gedurft. Franziskus hat mit seinem Schreiben Kritik seitens Konservativer, aber auch seitens Liberaler erhalten. Was den einen zu weit ging, ging den anderen nicht weit genug. Franziskus hat sich in seiner Katechese Dezember 2021 zwar auf die Ehe zwischen Mann und Frau bezogen, aber dennoch ist daraus etwas mitzunehmen, was für jede Beziehung elementar ist, ganz gleich welcher sexuellen Orientierung: Was im Mittelpunkt stehen sollte, ist die Liebe.
Franziskus als Friedensvorbild
Franziskus hat während seines Pontifikats immer wieder betont und gefordert, Frieden zu schließen. Sei es in Bezug auf die vielen Kriegsgebiete in dieser Welt oder sei es im Kleinen, wie in seiner Katechese im Dezember 2021 im Zwischenmenschlichen, in der Ehe, in Liebesbeziehungen. Unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ hat er das Heilige Jahr vergangenen Dezember in Rom eröffnet. Als Pilger der Hoffnung auf eine Kirche der Einheit und auf eine Welt voll Frieden war er selbst unterwegs, sowohl bildlich, aber vor allem auch wörtlich, denkt man an seine Reisen in den unterschiedlichsten Krisengebieten und an seine Gespräche im interkonfessionellen und interreligiösen Dialog. Bleibt in diesem Sinne zu hoffen, dass die Kardinäle mit Leo XIV. einen Kandidaten aus ihren Reihen zum neuen Papst erwählt haben, der sich der schwierigen Aufgabe annehmen möchte und kann, zwischen zwei Extremen zu vermitteln, Frieden zwischen ihnen versuchen zu stiften und die Liebe in den Mittelpunkt zu stellen, sei es innerhalb seiner eigenen Kirche oder in der Welt. Einen Papst, der entgegen dem weltweiten Trend zu Extremen, einen Weg der Mitte wählt, mit Vernunft, Stärke, einem Profil eigener Meinung, und mit Liebe. Besonders das Zitat seines Ordensgründers Augustinus, welches er in seiner ersten Ansprache nutzte, lässt dies hoffen: „Mit euch bin ich Christ und für euch bin ich Bischof.“ Er betont die Einheit des Christentums und stellt sich in den Dienst der Menschen.
Seinem Vorgänger Franziskus hätte es sicher gefallen, die Einheit der Kirche und gleichzeitig Versöhnung ermöglicht zu sehen. Denn, wie in der rund drei Monate vor seinem Tod erschienen Autobiographie mit dem sprechenden Namen „Hoffe“ zu lesen ist:
„Es ist die Liebe, die das Leben heilt und rettet.“
#habemuspapam
(Beitragsbild: @simonesavoldi)