Viele Theologiestudierende kennen die Situation bei Familientreffen von dem ein oder der anderen Verwandten danach gefragt zu werden, was sie nach dem Theologiestudium beruflich werden wollen. Wir haben Theolog*innen aus unterschiedlichen Berufsfeldern für euch gefragt, was sie eigentlich so machen. Heute antwortet uns Simone Eisenlohr.

y-nachten.de: Liebe Simone! Du hast katholische Theologie studiert. Wieso?

Simone Eisenlohr: Die Entscheidung kam hauptsächlich dadurch zustande, dass ich mit katholischer Jugendverbandsarbeit groß geworden bin. Ich wollte „sowas“ auch für meine berufliche Zukunft – also grob gesagt, eine Arbeit mit Menschen, die mir Sinn gibt und irgendwie einen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Konkreter hab‘ ich das damals      nicht gefasst. Letztlich hat mich auch die Breite des Studiums dazu bewogen, mich dafür einzuschreiben – Geschichte, Sprache, Philosophie, Pädagogik, usw. – das fand ich spannend.

y-nachten.de: Als was darfst du Dich heute beruflich bezeichnen? Wie sieht Dein Berufsalltag aus?

Simone Eisenlohr: Heute arbeite ich als quereingestiegene Bestatterin bei einem trauerbegleitenden Bestattungsunternehmen. Ich darf in dem Bereich ganzheitlich arbeiten, d.h. ich habe mit den An- und Zugehörigen sowie auch den Verstorbenen zu tun. Vom ersten Anruf mit der Information, dass jemand verstorben ist, bis zu einem Gespräch nach der Beisetzung begleite ich Menschen in einer sehr intensiven Zeit. Dazu gehört ganz viel Zuhören, Ermutigen und gemeinsames Überlegen: Welche Beisetzungsform, welche Orte, welche Rituale, welche Schritte für die jeweiligen Menschen stimmig sind. Ein weiterer wichtiger Teil ist die sogenannte Totenfürsorge, also z.B. das Waschen und Ankleiden – immer wieder auch gemeinsam mit deren An- und Zugehörigen.
Dazu kommt dann noch die Organisation – Abstimmungen mit Friedhöfen, Redner*innen oder Pfarrer*innen, Musiker*innen, Florist*innen… im Vorfeld der Feier oder Beisetzung. Manchmal begleiten wir eine Feier für eine*n Verstorbene*n auch, wenn es keine klassische Trauerrede gibt. Dann halten wir als Bestattende den Rahmen dafür, dass An- und Zugehörige selbst diese besondere Zeit gestalten; das ähnelt einer Art Moderation und hat viel mit Ritualgestaltung zu tun.

y-nachten.de: Was hat Deine Tätigkeit mit deinem Theologiestudium zu tun?

Simone Eisenlohr: In vielen Begleitungen tauchen an irgendeinem Punkt Gespräche rund um den Bereich der „Jenseitsvorstellung“ auf – das sind immer besondere Momente, in denen ich dankbar bin, gelernt zu haben, verschiedene theologische und spirituelle Konzepte besprechbar zu machen. Dabei geht es gar nicht um das Weitergeben eines bestimmten Konzeptes, sondern vielmehr um den Diskurs über solche persönlichen wie gesellschaftlichen Vorstellungen. Das Theologiestudium hat außerdem die Basis für meine Haltung gelegt, wie ich Verstorbenen, aber auch An- und Zugehörigen begegne. Da spielen verschiedene philosophische Sichtweisen genauso wie das Wissen um historisch gewachsene Rituale mit hinein.

y-nachten.de: Was an Deiner Tätigkeit hat gar nichts mit Deinem Studium zu tun?

Simone Eisenlohr: Das reine Handwerk hat wenig damit zu tun. Vor allem das Organisieren habe ich nicht im Theologiestudium, sondern durch die Arbeit in einem Jugendverband gelernt. Das Handwerk lässt sich bei uns allerdings selten so rein technisch betrachten. Bei der Versorgung der Verstorbenen z.B., also dem Waschen, Einkleiden, wozu bei uns auch immer persönliche Aspekte gehören, vielleicht nochmal den Lieblingsduft aufzutragen oder nach Sargbeigaben (Die letzte Zigarette? Das Kuscheltier, das in der Senioreneinrichtung so wichtig war? Das Lieblingskartenspiel?) zu fragen, zeigt sich viel von der Prägung und Haltung, in der wir arbeiten. Hier drückt sich vieles aus, was letztlich auch mit gesellschaftlichen, philosophischen und theologischen Fragen zu tun hat: Der Umgang mit den Verstorbenen enthält in allen großen Weltreligionen rituelle Handlung, die einen Übergang begleiten. In einer individualisierten, säkularen Gesellschaft gilt es immer wieder, diese Qualität zu übersetzen und als ein Teil des Lebens erfahrbar zu machen.

y-nachten.de: Was hat Dich rückblickend auf Deine heutige Tätigkeit am meisten vorbereitet?

Simone Eisenlohr: Ich glaube, das war einerseits gerade die Frage nach „Was macht man denn mit diesem Studium?!“ – also dass ich ziemlich durchgängig im Studium (und danach) überlegt habe, was ich außerdem noch so kann, wo ich mich darüber hinaus gesellschaftlich engagieren kann und was ich ansonsten noch lernen will.
Und letztlich auch meine zunächst ehrenamtliche und später dann hauptamtliche Arbeit in der Jugendverbandsarbeit. Menschen zu begleiten, habe ich da gelernt, genauso wie Ritualentwicklung und
-gestaltung, Organisation, Gesprächsführung, politisches Engagement für gesellschaftlich eher unpopuläre Themenfelder (Kinder und Jugendliche sind politisch gesehen leider ähnlich unpopulär wie Trauer, Tod und Sterben) – und vieles mehr. Vertiefen konnte ich vieles, was dort grundgelegt wurde, über das Ehrenamt in der Notfallseelsorge, das sicher den Weg in diesen Berufszweig maßgeblich geebnet hat.

y-nachten.de: Wie hast Du außerhalb vom Berufsleben von Deinem Theologiestudium profitiert?

Simone Eisenlohr: Ich finde, das Theologiestudium nimmt ganz viele Bereiche des Menschseins in den Blick. Es streift so viele Teile des menschlichen (Zusammen)lebens, dass ich dadurch gelernt habe, viel ganzheitlicher und unter verschiedenen Fragestellungen auf politische oder gesellschaftliche Phänomene zu schauen. Ich will die Zusammenhänge hinter den Dingen verstehen. Diese Neugier ist mir über das Studium hinaus erhalten geblieben.

y-nachten.de: Worin siehst Du gegenwärtig Herausforderungen und Chancen für Dein Berufsfeld?

Simone Eisenlohr: Die Bestattungskultur ist immer auch Spiegel der Gesellschaft. Spätestens seit den 80er Jahren wirken tolle Bestattende auf eine Öffnung auch der Formen hin. Trauer, Tod und Sterben sind leider häufig noch Tabuthemen, aber auch das verändert sich. Allen Menschen begegnen sie irgendwann im Leben, in ihren verschiedensten Formen. Ich glaube, sie weiter für alle besprechbar und verschiedene Formen des Umgangs mit diesen Themen erfahrbar zu machen, ist gerade zugleich Herausforderung und Chance.

y-nachten.de: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

 

Hashtag der Woche: #wastheologinnensomachen


(Beitragsbild: Jon Moore)

simone eisenlohr

hat in Freiburg Theologie studiert (2010-2016) und arbeitet jetzt als Bestatterin bei Sabine Eller · sterbenleben in Darmstadt-Eberstadt.

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