Das FINTA*-Netzwerk junger katholischer Theolog*innen in AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e.V.– die Junge AGENDA1 – hat sich am 11. und 12. April 2025 in der katholischen Akademie zu einem BarCamp getroffen. Christina Bartholomé war dabei und teilt für die y-nachten-Leser*innen ihre Tagungsbeobachtung.
„Wer war im vergangenen Jahr auf einer Konferenz?“ – Fast alle Hände gehen nach oben im Tagungsraum der Katholischen Akademie Stuttgart-Hohenheim. Die Nachmittagssonne fällt durch die hohen Fenster. „Und wer erinnert sich noch an den Eröffnungsvortrag?“ Nach und nach senken sich die Hände. Doch an das schönste Gespräch in der Kaffeepause erinnern sich die meisten noch. Hier setzt das BarCamp der Jungen AGENDA an. Statt fertigem Programm gibt es offene Fragen, statt um Vorträge geht es um Begegnungen. Der Raum ist offen für neue Gedanken, alte Zweifel, Suche nach Antworten und Geschichten, die sonst keinen Platz finden in der Theologie und der Wissenschaft. Das Konzept des Barcamps, so könnte man sagen, ist eine Kaffeepause – und zwar die ganze Zeit. Und zugleich ist es viel mehr als das: Das BarCamp nimmt die Teilnehmenden dadurch radikal ernst – in den Themen und Fragen, die sie mitbringen, und in ihrer Expertise, die in vielen vortragslastigen Tagungen oft unsichtbar bleibt. Vor Ort finden sich die Teilnehmenden in Gruppen zu den Themen zusammen, die sie gemeinsam bearbeiten wollen.
„Ich hatte erst eine Hemmschwelle, aber dann war es ein schönes, wertschätzendes Gesprächsklima und ich habe staunend gehört, was die anderen alle so machen.“ (Stimme einer Teilnehmenden)
Die Junge AGENDA ist ein Netzwerk von und für junge FINTA*-Personen in der katholischen Theologie: Frauen, inter*, nicht-binäre, trans* und agender Menschen, die sich im Studium, in der Promotion oder im Berufseinstieg befinden. In einer Disziplin und einer Institution, die nach wie vor von Männern dominiert wird, bietet das Netzwerk Raum, sich gegenseitig zu empowern und Sichtbarkeit für die wissenschaftliche wie nichtwissenschaftliche Arbeit junger Theolog*innen zu schaffen.
„Wenn ich mit euch in einem Raum bin, dann fühlt es sich sehr richtig an, Theologie zu machen.“ (Stimme einer Teilnehmenden)
Sessions zwischen Politik, Zweifel und Sichtbarkeit
Die im Programmablauf noch unbeschriebenen Sessions füllen sich schnell mit einer Vielzahl an Themen: Es geht um drohende Theokratien und antifeministische Backlashes, um den Kontakt mit dem argentinischen Schwesternetzwerk Teologanda, um den Auftritt als Theolog*in in Social Media und den Umgang mit Prüfungsängsten.
Und es ist Platz für die Fragen, die sonst selten in theologische Seminarräume passen: Wie setze ich realistische Erwartungen an mich selbst? Wie gehe ich mit dem Gefühl des Scheiterns2 um? Und wie kann ich auch außerhalb kirchlicher Institutionen Theologin bleiben?
Bei einem Spaziergang durch den nahegelegenen Botanischen Garten ist darüber hinaus Raum, um darüber zu sprechen, was ist, wenn nichts mehr geht, wenn der Druck und die Erschöpfung so groß werden, dass sie zur Krankheit werden. In der Begegnung, die Verletzlichkeit und Krisen zulässt, entstehen neue Perspektiven.
„Oft liegt mein Blick nur noch auf dem Frust und dem Wunsch, endlich das Studium zu beenden. Hier habe ich das Gefühl bekommen: Ich weiß wieder, warum ich überhaupt das Theologiestudium angefangen habe.“ (Stimme einer Teilnehmenden)
Braucht es das noch: Ein Netzwerk nur für Frauen und INTA-Personen? Oder ist nicht schon genug Geschlechtergerechtigkeit erreicht? Werden nun Männer ausgeschlossen? In einem Morgenimpuls erzählen die Teilnehmenden von Erfahrungen, in denen sie als Frauen nicht gesehen oder gehört wurden, Situationen, in denen das eigene Wissen infrage gestellt wurde. Begegnungen, in denen sie nicht ernst genommen wurden. Die Geschichten zeigen: Es braucht das Netzwerk. Aus dem Erzählen erwachsen Solidarität und Ermutigung. Die Herausforderungen von FINTA*-Personen in der katholischen Kirche sind nicht einmal das zentrale Thema des BarCamps. Es ist vielmehr das FINTA*-Sein in der Wissenschaft, in der Politik, in der Welt.
„In dieser Runde ist Raum für Zweifel und Selbstansprüche und gleichzeitig für das Feiern von Erfolgen. Dass das beides da sein kann und das funktioniert, das habe ich als wertvoll erlebt.“ (Stimme einer Teilnehmenden)
Solidarisch bleiben
Zum Wochenende gehörte auch die Mitgliederversammlung mit Wahl eines neuen Koordinationsteams. Die Junge AGENDA ist Teil der AGENDA, einem Forum katholischer Theolog*innen. Seit 2019 gibt es die Junge AGENDA als eigenes Netzwerk. Das Koordinationsteam organisiert Aktivitäten wie regelmäßige digitale Stammtische und hält Kontakt zum Vorstand sowie den Mitgliedern von AGENDA. Verabschiedet wurden Sarah Delere als Sprecherin, Jana Hock als Mitgliederbeauftragte sowie Marie-Charlotte Merscher und Lia Alessandro als Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit. Als neue Sprecherin hat Lia Alessandro den pinken Staffelstab von Mitgründerin Sarah Delere übernommen. Winnie-Lotta Weghaus wurde zur Mitgliederbeauftragten gewählt, Barbara Bargel und Mirijam Salfinger sind nun für Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung zuständig.
„Ich merke, dass es eine andere Energie ist, die mich weiterspült, in einem Raum mit vielen coolen FINTA*-Personen zu sein.“ (Stimme einer Teilnehmenden)
Am Ende steht die Erinnerung an ein Wochenende, das weniger Antworten gab, als neue Fragen aufwarf. Ein Wochenende voller Begegnungen, in denen Theologie genau das wurde, was sie sein kann: lebendig, politisch, verletzlich und stark. Als scheidende Sprecherin verabschiedet sich Sarah mit den Worten: „Bleibt solidarisch, bitte.“ Der Auftrag bleibt.
(Beitragsbild: JungeAGENDA)
#BleibtSolidarisch
1 Zur Erinnerung: Die Junge AGENDA hat zum Ziel, die (wissenschaftliche) Arbeit von Theolog*innen sichtbar zu machen, ihre Situation in Kirche und Gesellschaft zu verbessern und ihre Interessen zu vertreten, und will dabei insbesondere für Theolog*innen in der Qualifikations- und Berufseinstiegsphase ein Netzwerk sein. Zum Interview von y-nachten.de mit dem nun ehemaligen Koordinationsteam: https://y-nachten.de/2023/10/arbeit-an-der-zukunft-der-theologie-ein-interview-mit-der-jungen-agenda/
2 Vgl. das Projekt „Leerstelle“ der Jungen AGENDA: https://agenda-theologinnen-forum.de/wir-ueber-uns/junge-agenda/.