Entdecke die Herausforderungen und Chancen für FINTA*-Personen in der Theologie an der Ruhr-Universität Bochum. Ein persönlicher Einblick von Theresa Thunig in den Kampf um Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und die Suche nach Vorbildern in der Wissenschaft anlässlich des Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft.
Ich sitze hier in meinem Büro in der 7. Etage und schaue auf den Campus der Ruhr-Universität Bochum. Es ist viel los. Immerhin gibt es knapp 40.000 Studierende an 21 Fakultäten, über 3.800 Doktorand*innen und rund 6.300 Beschäftigte.1 Auf den Fluren der Katholisch-Theologischen Fakultät fühlt man sich vergleichsweise einsam. Wir sind eben eher überschaubar mit etwa 160 Studierenden2 und 14 Lehrstühlen mit unterschiedlich großen Teams. Hier gibt es keine Anonymität, jede*r kennt jede*n.
Manchmal fühlt man sich ein wenig einsam
Und da man so gut miteinander bekannt ist, fällt einem die Verteilung der Geschlechter umso mehr auf. Zwar ist der Anteil der Studentinnen mit 47%3 relativ hoch, doch darüber hinaus (mal abgesehen von den Sekretariaten), dünnt der Anteil nicht männlich gelesener Personen nach oben hin aus. Bei den Professuren sieht es bei uns wahrscheinlich ähnlich dramatisch aus wie überall sonst. Als ich anfing zu studieren, gab es, soweit ich mich erinnere, gerade mal zwei Professorinnen. Heute ist die Situation nicht viel anders. In den Gremien ist die Asymmetrie besonders sichtbar, egal ob es sich dabei um den Fakultätsrat oder die Bibliothekskommission handelt – es nehmen eigentlich immer (bedeutend) weniger FINTA*s teil. Es vereinfacht die Situation nicht gerade, wenn ich mich ohnehin schon sämtlichen kritischen Blicken ausgesetzt fühle, sobald ich mich zu Wort melde. Noch schlimmer ist es, wenn ich mich (in der Funktion als Mittelbausprecherin) kritisch gegenüber dem Professorium äußere. Nicht zuletzt spielen hier Abhängigkeiten eine Rolle.
Und dann ist da noch die Frage nach der Solidarität untereinander. Die Wissenschaft ist ein Arbeitsfeld, welches durch großen Konkurrenzdruck geprägt wird. Ständige Existenzängste fördern den Zusammenhalt untereinander nicht unbedingt, selbst wenn man arbeitsbedingt aufeinander angewiesen ist. Initiativen sind dagegen umso wertvoller: In Bochum gibt es zum Beispiel ein regelmäßig stattfindendes FINTA*-Café. Es ist eine Möglichkeit zur Aussprache und der Ort, an dem Veränderungen ins Rollen gebracht werden können. Auch wenn es mitunter nur darum geht, die Reihe von Porträts alter weißer Männer in der Bibliothek durch etwas Farbenfroheres und Diverseres zu ersetzen. Man kann sich nur wünschen, dass Angebote wie dieses stärker angenommen werden. Aber es gibt auch Ansprechpartner*innen wie die dezentrale Gleichstellungsbeauftragte oder zentrale Beschwerdestellen, die uns zur Verfügung stehen, auch wenn hier die fehlende Anonymität zur Herausforderung wird.
Doch es ist auch anstrengend, wieder und wieder für die eigene Position eintreten zu müssen. Es ist anstrengend, sich in der Minderheit zu fühlen. In manchen Situationen fällt mir das besonders schwer, zum Beispiel wenn sogar der x-te Referent in einer Vortragsreihe ein Mann ist. Das spiegelt auch einfach die Realität nicht wider. Das Volk Gottes ist divers und die Theologie muss es auch sein. Und es gibt auch unter den Theolog*innen FINTA*s – gebt ihnen den Raum, um sie auch zu hören!
Es muss Veränderung geben
Dass Frauen in der Wissenschaft im Bereich der Theologie unterrepräsentiert sind – ebenso wie alle anderen FINTA*s – sollte mittlerweile bekannt sein. Sie spielen bei Tagungen eine geringere Rolle4, veröffentlichen weniger5 und werden dadurch letztlich auch seltener zitiert. Hier treffen gleich zwei Systeme aufeinander, welche die Rolle von Frauen (oder FINTA*s) nur schwerlich (oder gar nicht) als gleichberechtigt anerkennen können: die Wissenschaft als solche und die Kirche. Also müssen FINTA*s immer etwas härter arbeiten, besser planen und sich mehr einbringen, um am Ende nicht übersehen zu werden. Das können sie sich nämlich kaum leisten, solange unsicher ist, wo unsere nächste Station auf dem akademischen Lebensweg ist. Zeitverträge und Existenzängste verstehen es (auch ganz geschlechtsunabhängig), die persönliche Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
Diese Unsicherheit wirkt sich nicht zuletzt auch auf das Privatleben aus. Es ist verlockend, alle vorhandenen Ressourcen in die Zukunft zu investieren. Es erschöpft aber auch und zu viele Dinge bleiben möglicherweise auf der Strecke: Beziehungen, Familien und alles, womit man sonst gerne seine Freizeit verbringen würde. Ich kenne viele Nachwuchswissenschaftler*innen, die immer wieder aufs Neue darunter leiden, oder sich so sehr in die Arbeit stürzen, dass sie das Fehlen anderer Teile ihres Lebens kaum bemerken. In solchen Momenten denke ich: Will ich das wirklich? Ist das tatsächlich der Preis, den ich zahlen muss, um diesen Berufsweg einzuschlagen? Ich hoffe nicht. Ich denke, es braucht Disziplin, um den Schreibtisch auch mal Schreibtisch sein zu lassen und sich Zeit für die Familie zu nehmen . Oder für die Haustiere. Oder den Roman über Drachen und Elfen, den man seit Monaten auf dem Nachttisch liegen hat, für den man aber noch keine Zeit hatte. Wir sind trotzdem ehrgeizig (genug).
Das wird uns vielleicht nicht immer so vorgelebt. Also müssen wir selbst für uns einstehen und unseren eigenen Weg finden, auch wenn das riskant sein kann. Ein Plan B schadet zumindest nicht.
Manchmal darf man einfach nicht aufgeben
Also nochmal zurück zu den fehlenden Vorbildern. Wir brauchen (offensichtlich) mehr von ihnen, von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Professorinnen. Wir, der wissenschaftliche Nachwuchs, müssen unbedingt weitermachen und an der Wissenschaft festhalten. Mehr FINTA*s müssen sich die Karriere zu eigen machen, wenn wir wollen, dass Theologie als Wissenschaft diverser wird und alle Erfahrungswelten repräsentiert, denn so inspirieren wir Studierende, ebenfalls diesen Weg zu gehen. Wir müssen selbst zeigen (Zeugnis ablegen, wenn man so will), dass es erstrebenswert ist, Theologin* zu sein. Und das ist es. Trotz aller Schwierigkeiten. Wir bestimmen die Zukunft der Wissenschaft. Es liegt jetzt an uns zu entscheiden, wie es sein soll, Wissenschaftlerin* in der Theologie zu sein. Wir müssen selbst die Vorbilder werden, die wir so sehr brauchen.
Hashtag der Woche: #seieinvorbildseiduselbst
(Beitragsbild: @priscilladupreez)
1 Stand: Dezember 2023, https://uni.ruhr-uni-bochum.de/de/zahlen-und-fakten (letzter Aufruf 02.02.2025)
2 Stand: Wintersemester 2023/24, https://einrichtungen.ruhr-uni-bochum.de/sites/einrichtungen.ruhr-uni-bochum.de/files/2023-12/Studierende_nach_Frauen_und_Ausl%C3%A4nder_WS.pdf (letzter Aufruf 02.02.2025)
3 Ebd.
4 Vgl. Frauen in theologischer Wissenschaft – Eine Untersuchung der Repräsentanz von Frauen in theologischen Zeitschriften und auf Tagungen theologischer Arbeitsgemeinschaften im Auftrag von AGENDA – Forum katholischer Theologinnen e. V., abrufbar unter: https://www.kath.ruhr-uni-bochum.de/mam/images/gleichstellung/agenda_frauen_in_der_wissenschaft_ergebnis_untersuchung.pdf (letzter Aufruf 02.02.2025), 1ff.
5 Vgl. ebd., 6ff.