Die Kampagne #OutInChurch erkämpfte große Sichtbarkeit für queere Menschen in der katholischen Kirche. Zwei Jahre später gründen queere Theologie-Studierende eine Vernetzungsgruppe an der katholischen Fakultät in Freiburg. Lia Alessandro und Daria Ronellenfitsch haben mit ihnen über ihre Gründung, Erfahrungen und Visionen gesprochen.
y-nachten: Wie seid ihr zu eurer Gründung gekommen?
Felicitas Höing: Lara und ich haben ungefähr nach einem Semester Theologie-Studium festgestellt, dass es auch nach #OutinChurch nicht einfach ist queer und katholisch zu sein. Wir sind weiterhin in einer sehr besonderen Situation. Die „Schwierigkeit“ mit dem Lehramt bleibt natürlich weiterhin genauso wie Unsicherheiten, gerade während des Studiums, wo wir uns ganz grundsätzliche Fragen stellen – besonders in unserem (zukünftigen) Verhältnis zur Kirche. Wir haben also gemerkt es gibt Redebedarf und wollten einen Raum schaffen, in dem Menschen, denen es ähnlich geht, sich untereinander austauschen und stärken können.
y-nachten: Welche Motivation steckt hinter eurer Vernetzung?
Anne-Catherine Tenbrock: Queer und katholisch, das klingt heute immer noch für viele wie ein Widerspruch. Als queere*r Katholik*in hat man schnell das Gefühl allein zu sein, in der Theologie-Bubble noch viel stärker. Da ist es wertvoll sich vernetzen zu können und Gemeinschaft zu haben. Zu wissen, dass man nicht seltsam und allein ist. Wir wollen einen Ort schaffen, an dem jede*r sich angenommen fühlt und sich, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, austauschen kann.
Lara Feiter: Ich liebe es Theologie zu studieren. Es ist ein unglaublich interessantes Studienfach und deswegen macht das Lernen die meiste Zeit auch richtig Spaß. Gleichzeitig können die Inhalte teilweise auch sehr ernüchternd sein, vor allem, wenn man selbst von Diskriminierung in der Kirche betroffen ist. Immer wieder verspüre ich das Gefühl der Ohnmacht. Zum Glück habe ich schnell gemerkt, dass es nicht nur mir so geht, sondern auch anderen queeren Mitstudierenden. Sich zusammen ohnmächtig zu fühlen schafft starke Verbundenheit und kann so auf erstaunlicher Weise auch wieder empowernd sein. Deshalb möchten wir die Vernetzung zwischen queeren Theologie-Studierenden stärken. Wir müssen nicht alleine in der Ohnmacht verweilen, wir können darüber reden, uns Mut machen und dann sogar mit Projekten tätig werden. Das stärkt!
y-nachten: Wie seid ihr zu der Idee gekommen, queere Theologiestudierende an der Fakultät sichtbar zu machen?
Felicitas Höing: Neben unserem Bedürfnis uns mit anderen queeren Theologie-Studierenden über unsere Sorgen und Gedanken auszutauschen, stand auch die Erfahrung, dass in Vorlesungen zwar regelmäßig über queere Personen (eigentlich nur Homosexuelle) geredet wird, aber eben über sie und nicht mit ihnen, obwohl wir in den Hörsälen saßen. Queerness wurde zum einen nur als Homosexualität wahrgenommen, zusätzlich waren queere Menschen „die anderen und niemand von uns“. Wir möchten gerade den Lehrenden zeigen, dass es uns gibt (auch die konservativeren unter ihnen können das jetzt nicht mehr ignorieren) und einladen mit uns statt über uns zu sprechen.
y-nachten: Wie organisiert ihr euch? Gibt es regelmäßige Treffen?
Felicitas Höing: Orientiert an unseren zwei Zielen bieten wir aktuell zwei unterschiedliche Formate an, die wir in einem kleinen Organisationsteam zusammen planen: Zum einen gibt es in jedem Semester mindestens ein Treffen für queere Theologie-Studierende als ein safer space, in dem man sich darüber austauschen kann, was einen gerade beschäftigt. Zum anderen planen wir Veranstaltungen für die Fakultät, in der wir Queerness in der Kirche und Theologie sichtbar machen wollen.
Wer Interesse an unseren Angeboten hat, kriegt am besten über Instagram (@qutsfreiburg) mit, was wir gerade so planen.
y-nachten: Welche Reaktionen gab es aus der Universität, insbesondere an der theologischen Fakultät? Gab es im Anschluss ein erhöhtes Interesse an Vernetzung oder Mitwirkung?
Felicitas Höing: Die Reaktionen, die wir erhalten haben, waren und sind alle positiv. Wir haben wirklich viel Zuspruch bekommen. Besonders gefreut hat es mich, dass ein paar fertig studierte, queere Theolog:innen uns gesagt haben, wie sehr sie sich freuen, dass es jetzt so eine Gruppe gibt und dass sie die zu ihrer Studienzeit auch gut hätten gebrauchen können.
Vor allem durch den Ausschuss für Gleichstellung und Vielfalt an unserer Fakultät bekommen wir großartige Unterstützung und viele Ressourcen zur Verfügung gestellt. Uns wird dabei viel ermöglicht.
Negative Reaktionen haben uns nicht erreicht. Wir können uns vorstellen, dass es diese gibt und wahrscheinlich an anderer Stelle geäußert werden.
y-nachten: Wen wolltet ihr erreichen? Wer ist eure Zielgruppe? Habt ihr durch euer Netzwerk bereits weitere Menschen erreicht?
Anne-Catherine Tenbrock: Die Gruppe QuTS an sich sollte sich erst einmal an queere Theologie-Studierende an unserer Fakultät richten, aber wir sind gerade dabei uns auch auf die Pädagogische – und Katholische Hochschule auszuweiten. Abgesehen davon ist es uns auch ein Anliegen, allgemein für mehr Sichtbarkeit queerer Katholik*innen zu sorgen. Queere Menschen gibt es überall, eben auch in der Theologie.
Felicitas Höing: Unser Ziel ist zuallererst die Vernetzung von queeren Theologie-Studierenden in Freiburg. Wir arbeiten daran diese Menschen noch besser zu erreichen und vor allem das passende Angebot zu finden. So sehr die Situation nach #OutinChurch weiterhin schwierig ist, habe ich doch das Gefühl, dass dadurch die ganze „Thematik“ sehr ins Private verlagert wurde. Menschen können jetzt erstmal privat so leben, wie sie möchten und ich habe den Eindruck, viele machen das auch und haben sich mit der Situation so arrangiert.
Wir wollen aber außerdem auch alle Mitglieder der Theologischen Fakultät erreichen – wie gesagt, wir wollen sichtbar werden oder, etwas provokanter gesagt, alle an der Fakultät mit dieser Thematik konfrontieren. Wir haben zum Beispiel in diesem Semester einen Gastvortrag über queere Theologie organisiert, der sehr gut besucht wurde. Es waren sowohl Studierende und Lehrende da – das war für uns ein großer Erfolg.
y-nachten: Was sind aktuelle Herausforderungen in eurem Engagement? Gerade auch, weil es erst einmal ungewöhnlich scheint ein Netzwerk aus queeren Studierenden (in der Theologie) zu organisieren?
Felicitas Höing: Die größte Herausforderung ist im Moment, wie ich bereits angerissen habe, eine relativ konstante Gruppe mit queeren Theologie-Studierenden zu gründen, die sich regelmäßig trifft und sich in einem safer spacemiteinander austauschen kann. Wir hoffen, dass sich das mit der Zeit aufbaut.
Insgesamt sind wir immer noch in der Anfangsphase und probieren gerade viel aus, was wir mit unseren Ressourcen organisieren können, was wir für Möglichkeiten haben und was es überhaupt für einen Bedarf gibt. Wir wissen von keiner anderen Gruppe, die es an einer katholisch-theologischen Fakultät gibt. Es macht uns allen Spaß, aber es ist auch arbeits- und zeitintensiv, eben herausfordernd, so ein Netzwerk jetzt Schritt für Schritt aufzubauen.
Lara Feiter: Wir wissen, dass sich Personen, die sich innerhalb des Theologie-Studiums outen, angreifbar machen. Wer sich outet geht immer das Risiko ein, auf Diskriminierung zu stoßen. Das ist nicht nur innerhalb von Kirche und theologischen Kreisen so. Dazu kommt noch der Blick auf das zukünftige Berufsleben. Das Arbeitsrecht hat sich diesbezüglich zwar schon um einiges verbessert, trotzdem bleibt die Angst, aufgrund von tief verankerten queerfeindlichen Strukturen und Denkmustern im Berufsleben eingeschränkt zu werden. Daher ist es uns ein großes Anliegen, dass die Anonymität von den Personen in der Gruppe gewahrt wird. Das bringt Herausforderungen mit sich. Beispielsweise stecken wir viel Zeit in die Ortssuche für unsere Treffen, die ausschließlich für queere Studierende sind. Wo ist ein Ort, an dem sich alle wohlfühlen und an dem Lehrende der Fakultät, Mitstudierende oder auch Mitarbeitende der Kirche, die für unseren beruflichen Werdegang eine Rolle spielen, nicht einsehen können, wer zu den Treffen kommt?
Außerdem ist es natürlich eine Herausforderung, sich einerseits für Sichtbarkeit in der Theologie einzusetzen und andererseits die Anonymität von Mitwirkenden zu wahren. Daher gibt es Treffen nur für uns, damit wir uns austauschen und vernetzen können und zusätzlich Veranstaltungen, wie der Gastvortrag von Veronika Gräwe, bei denen alle eingeladen sind.
Wir drei im Orga-Team von QuTS stehen mit unseren Namen in der Öffentlichkeit. Ich finde das auch sehr wichtig. Einerseits, um Projekte organisieren zu können und andererseits, um auch als Gruppe erreichbarer zu sein: Uns queere Theologie-Studierende gibt es wirklich und wir haben auch Namen und Gesichter.
y-nachten: Was sind eure Visionen für die Zukunft (von Kirche)?
Anne-Catherine Tenbrock: Ich wünsche mir, dass die Kirche ein Zuhause für alle Menschen sein kann. Ein Ort, an dem sich niemand fehl am Platz fühlen muss und der für alle, die sich auf irgendeine Weise ins Kirchenleben einbringen wollen, offen ist.
Lara Feiter: Allgemein wünsche ich mir, dass Queer-Sein und Katholisch-Sein nicht mehr als unvereinbar angesehen werden. Das wünsche ich mir nicht nur innerkirchlich, sondern auch außerhalb davon. Nicht selten muss ich mich zum Beispiel auf Partys dafür rechtfertigen queer und katholisch zu sein und werde gefragt wie das denn funktioniere. Mitunter deshalb ist uns Sichtbarkeit ja auch ein so großes Anliegen.
Innerhalb der Kirche wünsche ich mir, dass queere Menschen mutig werden sich zu vernetzen, laut zu sein und vor allem, dass sie ganz selbstverständlich den Anspruch haben, Kirche zu sein. Denn das passiert ja schon. Queere Menschen gestalten jeden Tag Kirche mit und ich bin überzeugt, dass wir daher auch einen Anspruch darauf haben, selbst (Teil der) Kirche zu sein.
y-nachten: Vielen Dank für das Interview und eure Arbeit!
Die Gruppe QuTS ist unter folgender Mailadresse queer@theol.uni-freiburg.de oder auf Instagram @qutsfreiburg zu erreichen. Im Orga-Team wirken Felicitas Höing, Lara Feiter und Anne-Catherine Tenbrock mit.
Hashtag der Woche: #quts
(Beitragsbild: Marek Studzinski via unsplash)