Ob man nun will oder nicht: An Taylor Swift kommt man bei einem Blick in die gegenwärtige Popkultur nicht vorbei. Auch über die Musikgrenzen hinaus gewinnen ihre Kunst und das dazugehörige Fantum immer mehr Einfluss. Inwiefern es sich lohnt, diesem popkulturellen Phänomen auch aus theologischer und politischer Perspektive zu begegnen, zeigt unsere ehemalige Redakteurin Annika Schmitz im heutigen Beitrag.

Es ist eine perfekte Inszenierung. Nichts ist dem Zufall überlassen in „The Eras Tour“, die als die bislang umsatzstärkste ihrer Art gilt. Bis zum 8. Dezember wird Taylor Swift das gut dreieinhalb Stunden lange Programm mit einer Reise durch die vergangenen 17 Jahre ihrer Musikkarriere – jede „Era“ symbolisiert eines ihrer elf Studioalben – 149-mal aufgeführt haben. Das sind weniger Konzerte als ursprünglich geplant, weil drei Shows im Sommer in Wien wegen konkreter Terrorpläne abgesagt werden mussten. Bald also geht in Vancouver zu Ende, was im März 2023 in Glendale, Arizona begann – mit Musik, Tanz, glitzernden Bodysuits, verkleideten Fans, Freundschaftsarmbändern und Co.

Gleich wenn Swift für ihre „Easter Eggs“ bekannt ist, kleine Botschaften, die sie etwa in Musikvideos, Outfits und Social Media-Postings versteckt und mit denen sie zum Beispiel auf die Veröffentlichung eines neuen Albums verweist, dürfte es doch eher Zufall sein, dass der letzte Tag der „Eras Tour“ auf das katholische Hochfest von Mariä Empfängnis fällt.

Trotzdem bringt Swift durchaus jede Menge religiöse Bezüge in ihren Songs zur Sprache – und das wiederum ist unter anderem auch deshalb interessant, weil insbesondere Christ*innen aus dem Lager der konservativen Evangelikalen Swifts Musik immer wieder als dämonisch und vom Teufel kommend sowie ihre Fangemeinde als satanische Kultgemeinde bezeichnen.

Swift und die Religion oder die Swift-Religion?!

Auch wenn Swift sich einmal in einem Interview als Christin bezeichnete, ist über ihre eigenen religiösen Überzeugungen nichts bekannt. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass religiöse Motive seit Beginn ihrer Karriere in ihren Lyrics immer wieder eine prominente Rolle spielen. Dutzende Songs verwenden teils explizite religiöse Begriffe – wie God, holy, heaven, grace, altar, confession – um Geschichten zu erzählen und Emotionen zu verdeutlichen, oft sind die Bezüge aber auch impliziter gestaltet. Diese Verweise werden im Laufe der Zeit nicht weniger, was nicht zuletzt ihr jüngstes Album „The Tortured Poets Department“ zeigt. Prominent ragt hier diesbezüglich der Song „Guilty as Sin“ heraus, in dem die Kreuzigungs- und Ostersymbolik auf eine imaginierte Beziehung zu einem anderen Menschen bezogen wird.

Vorwürfe, Swifts Musik komme vom Teufel höchstpersönlich oder sie inszeniere auf ihrer Tour satanische Rituale, mögen amüsieren. Denn geht es Kritiker*innen tatsächlich um angebliche teuflische Bezüge in Swifts Musik – oder nicht doch eher um ihr Frauenbild, das von Selbstbestimmung und komplexen Charakteren geprägt ist? Zugleich zeigen die Vorwürfe, wie schwierig es sein kann, die Überhöhung eines Idols und die Rituale von Fangemeinden eindeutig von Religionen zu unterscheiden. Auch Swift und ihre Fans spielen – durchaus bewusst – mit religiöser Symbolik.

So ist „Take me to church, Taylor“ ein von Fans initiierter Zwischenruf im Song „Don’t Blame me“, der wiederum von so opulenten Klängen lebt, dass man ihn sich auch in einer Kathedrale vorstellen könnte.

Swift möge ihren Fans predigen, ihnen ihre Botschaft verkündigen – und wer weiß, manch einer kommt der Besuch der „Eras Tour“, die die Fangemeinde genauso inszeniert wie Swift und ihre Musik, vielleicht gar einem religiösen Erlebnis gleich.

Vor Jahren sagte Swift einmal in einem Interview, dass Frauen in der Popbranche für gewöhnlich „edgy, sexy und cool“ sein müssten. Sie hingegen sei fantasievoll, intelligent und hart arbeitend – Eigenschaften, die in der Branche eigentlich keine Priorität hätten. Es ist viel geschrieben und spekuliert worden, worin Swifts Erfolg begründet liegt. Vielleicht findet sich ein Grund in genau diesem Selbstbild, mit dem sich viele Mädchen und Frauen identifizieren dürften. Sie können sich dann mit all ihren Facetten in Swifts Musik wiederfinden – einer Musik, die insbesondere von jenen von Swift verfassten, poetischen und aufeinander verweisenden Texten lebt und in denen die Protagonist*innen nicht eindimensional, sondern komplex gezeichnet sind, jene Entwicklungen durchlaufen und Erfahrungen machen, von denen nun auch die Fans ein Lied singen können.

Taylor als Politfluencerin

Jahrelang ist spekuliert worden, wie Swift es wohl mit der Politik hält. Die ursprünglich aus der Country-Musik stammende Sängerin hatte sich nicht nur zu Beginn ihrer Karriere, sondern auch während der ersten großen Höhepunkte mit entsprechenden Äußerungen zurückgehalten. Erst 2018, da stand sie bereits seit über zehn Jahren im Rampenlicht und Donald Trump war Präsident, erhob sie vor den Kongresswahlen ihre Stimme gegen die Republikanerin Marsha Blackburn.

2020 unterstützte Swift öffentlich Joe Biden als Präsidentschaftskandidat, in diesem Jahr sprach sie sich für Kamala Harris aus. In den vergangenen Monaten war immer wieder spekuliert worden, inwiefern das endorsement von Swift gar wahlentscheidend sein könne, weil sie vor allem junge Wählerinnen mobilisieren kann.

Doch selbst der „Swift-Effekt“, mit dem Ökonomen ihren positiven Einfluss auf die Wirtschaft an den Konzertorten beschreiben, sollte in diesem Jahr für Harris nicht für den Erfolg reichen. Ebenso wie das endorsement des US-Superstars in diesem Jahr der Demokratin nicht zum Sieg verhalf, konnte sie 2018 auch Blackburn nicht verhindern. Trotzdem setzt nun auch ein deutscher Politiker auf den Kult um Taylor Swift: Kurz nach Bekanntwerden des Ampel-Aus postete Robert Habeck ein kurzes Video in den Sozialen Medien. Um das Handgelenk trägt er ein Freundschaftsarmband, wie Swifties sie auf den Konzerten ihres Idols untereinander tauschen. Darauf zu lesen: „Kanzler Era“. Wie auch immer man das nun deuten möchte – in Swifts umfassenden Repertoire findet sich sicherlich für viele Interpretationen ein passender Song.

Mehr  großartigen Swift-Content von Annika findet ihr zum Beispiel in ihrem Feuilleton-Beitrag über Swift bei der Herder Korrespondenz (In 152 Shows um die Welt: Popstar Taylor Swift bricht mit der „The Eras Tour“ Rekorde) oder in der Podcastfolge: PopUp. Gott im Pop: Das Phänomen Taylor Swift.

Hashtag der Woche: #taylorverse


Beitragsbild: @Grigorii Shcheglov

annika schmitz

studierte katholische Theologie in Freiburg, Jerusalem und an der Yale University/USA. An der Universität Wien promoviert sie im Bereich von Literatur und Religion. Sie hat ein journalistisches Volontariat gemacht und als Redakteurin bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn gearbeitet. Seit Oktober 2023 ist sie Redakteurin der Herder Korrespondenz. Annika war von Juli 2017 bis Dezember 2022 Teil der Redaktion.

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