Im ersten Augenblick kommen einem bei „Heavy Metal und Apokalypse“ Bilder von den apokalyptischen Reitern, Schreckensszenarien oder Horden von Monstern in den Sinn. Einen Zusammenhang zu christlichem Denken vermutet man auf den ersten Blick nicht. Betrachtet man jedoch das Album „HEY!“ der Band Subway to Sally näher, zeigen sich Grundzüge christlich-apokalyptischen Denkens. So lautet eine Kritik des Albums: „»Hey!« ist ein Weckruf, aber auch eine Aufforderung zum Tanz: Subway To Sally feiern das Leben – im Angesicht der Apokalypse“.1 Torsten Woll hat das Album auf christliche Apokalyptik hin untersucht.
Die christliche Apokalyptik
Doch zuerst: Was bedeutet eigentlich Apokalypse in einem christlichen Sinn? Weithin wird die Apokalyptik mit dem Weltuntergang und damit verbundenen Schreckensszenarien assoziiert. Damit wird aber nur ein Teilbereich abgedeckt. Apokalypse kommt aus dem Griechischen und meint zunächst einmal Offenbarung. Gott offenbart den Menschen seinen Heilsplan und zeigt, dass die Geschichte ein konkretes Ziel hat. In diesem Zusammenhang steht auch der Dualismus, der apokalyptisches Denken prägt. Auf der einen Seite steht die verdorbene, schlechte und alte Welt, auf der anderen Seite die künftige vollkommene Welt. Dieser Dualismus wird in einer Sprache der Gewalt beschrieben. Gott selbst greift gewaltvoll in die alte Welt ein und zerstört sie mitsamt den Feinden, um so Platz für die neue Welt zu schaffen.
Apokalypse zielt aber auf die Gegenwart und möchte den Gläubigen Trost spenden. Das zentrale Element ist die Befristung der Zeit, an deren Ende das Reich Gottes steht, in dem er seine Gerechtigkeit durchsetzt. Die Apokalyptik hat aber auch Bedeutung für die Gegenwart.
Das Wissen um die befristete Zeit des Lebens hilft den Menschen intensiv in der Gegenwart zu leben und sich nicht auf die Zukunft zu vertrösten.2
Die apokalyptische Dynamik in „HEY!“
Was hat dieser Apokalyptik-Begriff nun mit dem Album „HEY!“ zu tun? Anhand von Textteilen einiger Tracks in dem Album lassen sich Motive einer apokalyptischen Dynamik finden.3 In der ersten Strophe des ersten Songs Island kommen folgende Worte vor: „Du sehnst dich stets nach der weiten Ferne, Süd, Ost, West und Nord. Du willst dich selbst und die Welt verändern, Willst gern anders sein.“ Hier findet sich grundsätzlich der Wunsch nach Veränderung. Dieser wird in der dritten Strophe intensivier formuliert: „Dein Herz will über den Wolken schweben, So wie im Gedicht“. Hier geht es um die Sehnsucht, sich von dieser Welt loszulösen, um wirklich frei zu sein.
Das Album beginnt also damit, ein Gefühl der Unzufriedenheit auszulösen. Auf der Erde findet sich kein Glück mehr, darum möchte man sich von ihr lösen und sehnt sich nach Freiheit.
Die nächsten Titel beschreiben das Scheitern der Menschen in der Welt in verschiedenen Bereichen und den Ruf nach Besserung. Interessant ist hier Track Nummer vier Messias. Im Refrain findet sich: „Ich bin dein Messias, Vielleicht sogar dein Gott, Einer der dir hold ist, Dessen Herz aus Gold ist oder nur aus Schrott.“ Die Menschen sehnen sich nach Beistand, der Messias offenbart sich und antwortet. Es stellt sich aber die Frage, ob bzw. wie der Messias helfen will. Die Antwort liefert Strophe zwei: „Weil du es dir wert bist, Weil dir nichts verwehrt ist, Weiß ich, was du brauchst, Ich krieg das für dich hin.“ Nur der Messias kann den Menschen geben, was sie brauchen. Statt zu befreien, führt er seine Anhänger:innen in eine Abhängigkeit. Dieser Song prangert daher einerseits maßlosen Konsum an, andererseits warnt dieser davor, sich falsche Götterbilder zu machen – in diesem Fall den Konsum – und ihnen blind zu folgen. Letzteres wäre in christlichen Worten ausgedrückt Götzendienst.
Ab dem fünften Track Die Engel steigen auf beginnen die Menschen zu realisieren, dass sie Fehler gemacht haben, erkennbar in der zweiten Strophe „Taub waren wir und blind, Gefesselt an die Steine, Die unser Leben sind, […] Wir sind verloren nun.“ Die Menschen waren gefangen in ihrem Egoismus und haben ihren Lebensstil nicht hinterfragt. Die Folgen ihrer Ignoranz werden ihnen erst jetzt, wo es zu spät ist, bewusst. Die Konsequenzen werden im zehnten Song Bis die Welt auseinanderbricht mit drastischen Bildern beschrieben. Bspw. heißt es im Refrain: „Bis die Welt auseinanderbricht, Alles zusammenbricht, Tanzen wir auf Schutt und Scherben.“
Es wird deutlich gemacht, dass das Ende dieser Welt unvermeidlich ist. Das Wissen um die Frist, verweist zurück auf das Leben im Hier und Jetzt, darum folgt der Aufruf zum Tanz.
Den Höhepunkt des Albums bilden die letzten drei Titel: Aufgewacht, Ausgeträumt und Hey! Sie beschreiben das Geschehen während der Apokalypse. In der zweiten Strophe von Aufgewacht heißt es: „Drohend sinkt der Himmel nieder, Stück für Stück auf uns herab, Legt sich schwer auf unsre Glieder, Langsam wird der Atem knapp.“ Es wird ein lähmendes Gefühl beschrieben, alles wirkt eng und aussichtslos. Dagegen folgt im Refrain der Apell: „Aufgewacht, es wird Zeit zu leben.“ Auch wenn das Ende nahe ist, es ist noch nicht gekommen. Darum gilt es aus dem Gefühl der Gelähmtheit aufzuwachen und den Rest des Lebens zu genießen. Dieses Thema wird von Ausgeträumt aufgegriffen und etwas modifiziert. Der Track beginnt mit folgenden Zeilen: „So weit gegangen, wie es uns nur möglich war, Die Schlachten kamen und sie gingen Jahr um Jahr, Was wir gewannen, dass zerrann wie Schnee im Mai, Nun sind wir müde und die Füße schwer wie Blei.“ Der Blick richtet sich nun in die Vergangenheit – wofür man gekämpft hat und was man erreicht hat, geht nun zu Ende. Dieses Ende ist aber nicht notwendigerweise schlecht und wird als solches akzeptiert. Es kommt jedoch zu einem Perspektivenwechsel innerhalb des Tracks: „Heiß glüht das Morgenrot, Zeit, sich zu erheben, Zwischen Geburt und Tod gibt es nur ein Leben.“ Mit diesem Refrain soll verdeutlicht werden, dass das Leben an sich durch seine Einmaligkeit eine Wertigkeit erhält und diese gilt es zu feiern. Darum endet das Album auch mit dem Song HEY! Dieser enthält keinen gesprochenen Text, er beginnt mit dem Ausruf „Hey!“ woraufhin ca. zwei Minuten Gesang folgen, der an eine feiernde Menge erinnert.
Das Leben im Hier und Jetzt
Die aufgeführten Motive deuten darauf hin, dass das Album eine christlich-apokalyptische Struktur aufweist. Es beginnt mit dem Verzweifeln an der Welt, ihren Missständen und dem darauffolgenden Untergang. Damit ist es jedoch nicht vorbei, vielmehr wird der Blick wieder auf die Gegenwart gelenkt.
Durch dieses unvermeidliche Ende wird dem Leben im Hier und Jetzt eine Wertigkeit zugeschrieben, die es auch zu leben gilt. Unabhängig davon, wie ein Danach aussieht, denn das bleibt ein Geheimnis.
Hashtag der Woche: #HeavyMetal
(Beitragsbild: shbs)
[1] https://www.jpc.de/jpcng/poprock/detail/-/art/subway-to-sally-hey/hnum/8882602 (Zugriff vom 1.6.2024).
[2] Allgemein zum Thema Apokalyptik geeignet: Tilly, Markus, Apokalyptik, Tübingen u.a. 2012.
[3] Die Lyrics wurden entnommen von: http://www.darklyrics.com/lyrics/subwaytosally/hey.html (Zugriff vom 1.6.2024).
Ich meine, von der schlechten Welt zu sprechen, die man überleben muss, bis das Reich Gottes kommt, ist sehr dualistisch gedacht. In der Geheimen Offenbarung geht es vor allem darum, angesichts der Christenverfolgung im Römischen Reich nicht zu verzweifeln: Das Römische Reich wird zu Ende gehen (z. B. in der Vernichtung der „Hure Babylon“ symbolisiert.