In der ökumenischen Maria-Magdalena-Kirche in Freiburg fand am 20. Januar 2024 der „Holy Rave“ statt. Hans-Christian Benner, (Haupt-)Organisator, und Sarah-Louise Müller, evangelische Pfarrerin, sind Mitwirkende dieser Veranstaltung. Die y-nachten.de-Redakteurinnen Hannah Stöhr und Lia Alessandro haben mit ihnen über die dahinterstehenden Ideen und die Frage nach der Zukunftsfähigkeit von Kirche(n) gesprochen.

y-nachten.de: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Techno-Rave in einem Kirchengebäude zu veranstalten?

Hans-Christian Benner: Ich habe zunächst auf Instagram ein Video gesehen, wie in Erfurt in einer richtig schönen und alten Kirche ein Rave veranstaltet wurde. Das fand ich ziemlich cool und dachte mir, warum nicht sowas auch mal hier in Freiburg. Ich habe Religionspädagogik/ Gemeindediakonie studiert und brachte ein bisschen Hintergrundwissen mit, was Kirche heutzutage brauchen könnte und wie man das organisatorisch in Verbindung mit Studierenden einbinden kann. Und dann ging es schon los mit der Suche nach einer geeigneten Kirche und da sind wir uns hier begegnet. Auf der Suche nach DJs habe ich zufällig beim Aufbau eines Raves bei einer Brücke Menschen angesprochen, die total begeistert waren von der Idee in einem Kirchengebäude einen Rave zu veranstalten. Wichtig war uns ebenfalls, dass wir ein diverses Lineup (FLINTA*) aufstellen. Eine DJ kam zum Beispiel extra aus Köln angereist, es war also für alle Beteiligten auch entsprechend attraktiv in einer Kirche auflegen zu können.

Von Anfang an ging es mir aber auch persönlich um die Idee, einen Gottesdienst mit elektronischer Musik zu verbinden. Dabei sollten die Leute angesprochen werden, die über den Gottesdient ihre Verbundenheit zur Kirche spüren und auch die Leute, die eben auf Techno stehen und vielleicht wegen der besonderen Location teilnehmen. Für beide Seiten war es quasi etwas Neues.

y-nachten.de: Warum ist eure Wahl auf die Maria-Magdalena-Kirche im Rieselfeld, Freiburg gefallen?

Hans-Christian Benner: Veranstaltet wurde der „Holy Rave“ nicht von der Evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde, sondern zunächst von der EJF (Evangelische Jugend Freiburg). Dabei waren wir auf der Suche nach einer Kirche, die sowohl die Räumlichkeiten, sprich den Platz zum Tanzen, als auch die Möglichkeit für alternative Veranstaltungen ermöglichte. Von katholischer Seite aus ist es zum Beispiel – aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses von Heiligkeit bestimmter Räume – etwas schwieriger. Deswegen haben wir ausschließlich evangelische und ökumenische Kirchen angefragt.

Sarah-Louise Müller: Genau, und die Kirche war auch insgesamt vom Beleuchtungskonzept innen und außen schön angestrahlt. Es war auch schon so, dass mir Eltern aus unserer Gemeinde erzählt haben, dass ihre Kinder extra nochmal zur Kirche abends wollten, um sich das Gebäude anzuschauen, die konnten somit auch partizipieren. Dabei waren alle positiv überrascht und uns sehr wohlwollend gegenüber. Das liegt aber, glaube ich, auch am Stadtteil an sich, der sich in Freiburg als Vorreiter und moderner als Stadtteil empfindet.

y-nachten.de: Wie gestaltet sich ein solcher Abend? Wie läuft der Gottesdienst und die Techno-Party in einer Kirche ab?

Hans-Christian Benner: Am Anfang spielten wir bereits entspannte Techno-Musik. Es gab dann zunächst auch ganz übliche liturgische Gottesdienstelemente, wie das Votum und Eingangsgebet. Alles stand unter der Frage „Was ist mir heilig?“ und der Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Nach einem Input von Sarah, einer weiteren Person und mir zu diesem Thema, gab es für die besondere Situation eines etwas freieren Gottesdienstes ohne Bänke verschiedene Stationen an denen die Besucher:innen selbst Gedanken aufschreiben konnten zu den Fragen, „was wünsche ich mir für die Welt, was wünsche ich mir für das neue Jahr?“ , das alles war immer in Verbindung mit Musik.

Sarah-Louise Müller: Und dann ist der Gottesdienst einfach zu Ende gegangen, mit Fürbitten Gebet und Vaterunser. Und dann ging es eigentlich direkt über und die ersten DJs haben gespielt. Somit waren auch noch etwas ältere Leute zu Beginn des Raves dabei, die der Aktion allgemein sehr wohlwollend gegenüberstanden, wie eigentlich die gesamte Gemeinde hier vor Ort.

y-nachten.de: Würdet ihr sagen, dass solche Projekte Kirche(n) zukunftsfähiger machen?

Hans-Christian Benner: Also ich glaube, da kann man jetzt in die eine oder andere Richtung argumentieren. Ich würde sagen grundsätzlich ja, weil es vor allem eine Zielgruppe erreicht, die sonst wenig mit Kirche zu tun hat. Ich glaube, da sind viele Leute gekommen, die sonst nicht den Weg in eine Kirche finden. Es war auch nicht unsere Intention zu missionieren oder Ähnliches, sondern den Leuten den Raum Kirche zu zeigen und zu geben und so Kirche als soziale Playerin relevant zu halten. Das war ein erster Anstoß zu zeigen, hey Kirche macht Cooles und vielleicht konnten sich die Leute, die sonst eher seltener in der Kirche sind, auch etwas Spirituelles mitnehmen. Das war ein erster Anstoß, der jetzt weiterentwickelt werden kann.

Sarah-Louise Müller: Wir hatten überlegt, Kirche ist ja sehr groß im Bereich ‚klassische‘ Kirchenmusik, aber was spricht dagegen, auch elektronische Musik in die Gemeindearbeit zu integrieren? Das Konzept des „Holy-Rave“ könnte so noch ausgeweitet werden, wir haben zum Beispiel überall Kitas in den Gemeinden, man könnte ja einfach mal so ein Afterwork- oder vom Kindergarten-abholen-Rave machen, bei dem sowohl Kinder als auch Eltern mit dabei sein können. Oder am frühen Abend eine Veranstaltung mit elektronischer Musik und spirituellen Angeboten. Also rein theoretisch alles, was man mit ‚klassischer‘ Kirchenmusik macht. Womit viele Leute eben einfach andocken können, weil es die alltägliche Musik ist, die sie hören.

Das ist ja auch super aktuell. Und es finden sich wenig Räumlichkeiten, wo das einfach möglich ist in Freiburg. Beispielsweise gibt es hier einen Park, in dem Open-Air-Raves im Sommer veranstaltet werden, das ist aber in der örtlichen Presse ein einziges Hin und Her, was daran jetzt gut oder schlecht ist, besonders wegen der Lautstärke. Also es ist jetzt auch nicht so, dass die Szene so total viele Möglichkeiten hätte, in Freiburg jetzt einfach ohne Probleme irgendwie aufzutreten. Und mit Aktionen wie der „Holy Rave“ kann Kirche genau das sein, ein Ort für Alle und vielleicht besonders für diejenigen, die sonst keinen Platz haben.

Fazit: Der erste „Holy Rave“ in der Maria-Magdalena Kirche im Freiburger Stadtteil Rieselfeld war ein voller Erfolg, aus der Gemeinde gab es keinerlei negative Reaktionen. Stattdessen gab es viel gegenseitige Neugier, sowohl für elektronische Musik als auch für spirituelle Angebote und den Raum Kirche. Kirche als relevante soziale Playerin in der Stadt kann mit Aktionen wie dem „Holy Rave“ der zutiefst christlichen Botschaft nachkommen, einen Raum für alle zu eröffnen, gerade für die Menschen und Gruppen, die in der Gesellschaft auch mal anstoßen und eigene Wege gehen.

Auch im kommenden Jahr ist wieder ein Rave am 24.01.2025 in der Maria-Magdalena-Kirche geplant. In der Überlegung ist auch ein weiteres zusätzliches Angebot für Jugendliche, die Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten nehmen demnach weiter ihren Lauf…


Hashtag der Woche: #HolyRave

(Beitragsbild: Hans-Christian Benner)

sarah-louise müller

hat an der Philipps-Universität Marburg evangelische Theologie studiert und ist zurzeit Pfarrerin in der evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde in der ökumenischen Kirche im Rieselfeld Freiburg.

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hans-christian benner

studierte Soziale Arbeit und ev. Religionspädagogik/Gemeindediakonie in Freiburg im Breisgau.

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