Seit einiger Zeit spukt „Bible Bad Ass“ (2024) von Edith Löhle durch die christlich feministische Social Media-Bubble. Anna Kraml wirft einen theologischen Blick auf ein Werk zwischen Bibelrezeption und Kunstfreiheit.

Das Lesen von „Bible Bad Ass“ kam einem kurzweiligen Langstreckenlauf gleich – helle Begeisterung und Identifikation mit der Protagonistin zu Beginn, Spaß und Freude an den Steckbriefen der biblischen Frauen im Mittelteil, sogar die Überlegung, das Buch für meine Schüler:innen in Klassenstärke zu kaufen stand im Raum. Gegen Ende ging mir – oder vielleicht doch der Story (?) – die Puste aus. Eigentlich vereint das Buch viel, wofür ich brenne: Feminismus und Bibel. Ich möchte also einen kritisch-theologischen Blick darauf werfen. Schließlich widmet sich das Buch einem für mich persönlich wichtigen theologischen Thema: der feministischen Exegese.

Jeder Lauf aber beginnt am Anfang

Klara ist Journalistin und bei einem Magazin angestellt, dessen Chefredakteur – seien wir freundlich – nicht auf einer Wellenlänge mit Klaras feministischer Grundeinstellung ist. Das erzeugt Frustration und führt zum Eklat – Klara wird zwangsbeurlaubt und findet sich plötzlich in einem Chat mit großteils biblischen Frauen wieder: Maria Magdalena (u.a. Mk 16,9; Mt 27,55f; Lk 8,2; Joh 20,1-18), Maria (der Mutter Jesu, u.a. Mk 6,3; Mt 1,16; Lk 1-2; Joh 2,1-12; 19,25), Lilith, Eva (Gen 3-4), Maria Salome (Mk 15,40; 16,1), Maria Jakobäa (Mt 27,56; Lk 24,10), Sara-la-Kâli, Ruth (Rut), Rahab (Jos 2), Deborah (Ri 4-5), Martha von Bethanien (Lk 10,38-42), Tamar (die Schwiegertochter Judas, Gen 38), Edith (die Frau Lots, Gen 19,26) und Elisabeth (die von Löhle so benannte, in der Bibel namenlose, blutflüssige Frau in Mk 5,25-34).

Die Gruppe bekommt den Namen „Bible Bad Ass“ und fortan tauscht Klara sich mit diesen biblischen Figuren über ihre Geschichte, ihre Rezeption und die Grundsatzfragen des Feminismus aus. Bei der Ausgestaltung im Buch fällt auf, dass nicht alle Frauen gleichermaßen Beachtung finden. Maria Salome, Maria Jakobäa und die nicht biblische Frau Sara-la-Kâli (eine frühchristliche Heilige, die in mittelalterlichen Legenden vorkommt und mit Maria Magdalena, Maria Jakobäa und Maria Salome vor der Christenverfolgung geflohen sein soll) begegnen uns zwar in der Chatgruppe der Frauen, kommen aber letztlich nur in einer Verabschiedung (S. 278) zu Wort. Es stellt sich die Frage, warum gerade diese Frauen überhaupt aufgenommen wurden, wenn sie keine Rolle in der Erzählung spielen. Dies betrifft besonders Sara-la-Kâli, da Löhle mit ihr ohne jegliche Erklärung von ihrem sonst biblischen Titel und Motiv abweicht. Anders ergeht es der Figur der Lilith, die in der Bibel als Nachtsgespenst in Jes 34,14 begegnet. Diesen Aspekt klammert Löhle nahezu aus, was angesichts des biblischen Sujets enttäuschend ist. Vielmehr stützt sie sich auf feministische Interpretationen rabbinischer Literatur zu Lilith, in der diese als erste Frau Adams verstanden wird, die nicht aus dessen Seite (Gen 2,22), sondern in einem Atemzug mit dem Männlichen erschaffen wurde (Gen 1,26-27) und diesem somit gleichgestellt gewesen wäre (S. 84-88).

Intertextualität und Intermedialität machen das Buch abwechslungsreich

Aus literarischer Perspektive ist das Buch in drei große Blöcke gegliedert: Akt 1, „das fehlende Glied“, Akt 2, „Abenteuer in biblischem Ausmaß“ und Akt 3, „Neue, heile Welt“. Zwischen den kurzweiligen und unterhaltsamen Erzählperspektiven lässt Edith Löhle immer wieder Gedanken in Form von Liedtexten einfließen – u.a. „Mary Magdalene“ von FKA Twigs oder „Take me to church“ von Hozier. Diese Einschübe stellen eine Metaebene dar, die zur Reflexion anregt und die Erzählstrecken – bildlich gesprochen – melodiös unterbricht. Löhle lässt immer wieder die biblischen Texte in das Geschehen einfließen – auch um entsprechende Hintergrundinformationen zu den thematisierten Frauen zu geben. Die Stimmen der Frauen sind das Korrektiv zu traditionellen Ansätzen der Bibelinterpretation. Die Handlung geht tief und nahe: Sie erzählt von Frauenfiguren, deren Stimme im Laufe der Geschichte unterging, deren Erzählungen umgedeutet und missbraucht wurden. Maria Magdalena zum Beispiel, aus der in der Rezeptionsgeschichte die Ehebrecherin und Hure wurde, ohne dass es dafür biblische Belege gibt, kommt ebenso zu Wort wie Eva, die für das Unheil der gesamten Menschheit verantwortlich gemacht wurde. Spannend sind diese Erzählungen aus der Eigenperspektive der Frauen allemal. Oft laden sie auch zum Schmunzeln ein und eröffnen neue, spannende Perspektiven auf biblische Frauen. Beispielsweise auf Edith, die Frau Lots, die zur Chiffre für Frauen mit Fluchterfahrung wird.

Kritikpunkte aus bibeltheologischer Perspektive

Aus bibeltheologischer Perspektive bin ich zwiegespalten. Löhle erhebt nicht den Anspruch ein theologisches Buch geschrieben zu haben. Sie ist keine Theologin, sondern Journalistin und Autorin. Dennoch sind weite Teile des Buches gut und intensiv recherchiert, da Löhle immer wieder Erkenntnisse der modernen Bibelexegese in ihren Text einfließen lässt und diese auf luftige und lockere Art und Weise präsentiert: eben aus der Perspektive der Betroffenen. Gleichzeitig nutzt sie den interpretativen Spielraum der biblischen Texte aus. So lässt Löhle zum Beispiel im Fall Ruths den Spielraum offen, in welchem Naheverhältnis sie zu ihrer Schwiegermutter steht – ist es eine rein freundschaftliche oder doch erotische Liebe? Allerdings bewegt sich Löhle vor allem gegen Ende des Buches zunehmend von den biblischen Grundlagen weg und es kommt zu exegetischen Unstimmigkeiten. An manchen Stellen schießt sie auch über diesen Interpretationsspielraum hinaus. So versteht sie den Namen Maria als altägyptischen Titel für Frauen, die von klein auf im Tempel ausgebildet wurden und bezieht dies auch auf Maria, die Mutter Jesu bzw. implizit auch auf die anderen biblischen Marien (S. 98). Dafür lässt sich jedoch keine wissenschaftliche Evidenz finden. Maria von Bethanien, die Schwester von Lazarus und Martha (Lk 10 und Joh 11), wird mit Maria Magdalena gleichgesetzt und Martha so zur „Schwägerin“ Jesu gemacht (S. 220). Genau diese Unschärfen in der christlichen Interpretation der biblischen Frauenfiguren möchte Löhle ansonsten jedoch kritisieren. Auch die Interpretation der blutflüssigen Frau (Mk 5,25-34) hinterlässt aus theologischer Perspektive einen schalen Nachgeschmack und bietet einen rein biologisch-naturalistischen Blick auf die Perikope: In Löhles Roman sind es die Selbstheilungskräfte der Frau, die zu ihrer Genesung führen (S. 178/179).

Gegen Ende driftet der Roman, so kann man aus theologischer Perspektive kritisch anmerken, zunehmend in eine esoterische Richtung ab. Dies zeigt sich u.a. in den eben beschriebenen Selbstheilungskräften der Frau, die dazu führen können, wieder im Einklang mit der eigenen Menstruation zu sein. Hier kommt es zu Idealisierungen, die z. B. aus biologisch-medizinischer Sicht Fragen und Kompetenzprobleme aufwerfen. Ein weiteres Beispiel ist der Exkurs über „Großmutter Mond“ als „weibliche Urkraft und Hüterin aller Frauen“ (S. 243). Hier neigt Löhle im Vergleich mit dem biblischen Text zur Überinterpretation, d.h., sie begibt sich in vom Text fernabliegende Bereiche.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich um ein originelles Buch handelt, das mir durchaus Vergnügen bereitet hat, wenn einem bewusst ist, dass es sich um ein literarisches Werk handelt, dessen Bezüge mitunter fiktional sind.

 

Hashtag der Woche: #BibleBadAss


Beitragsbild: @CoWomen

Umschlagbild: leykam:

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anna kraml

studierte Religionspädagogik an der Universität Innsbruck und promovierte zur Freude in der Hebräischen Bibel. Hauptberuflich arbeitet sie als Religionslehrerin am BORG Innsbruck und als Fachreferentin Bibelpastoral für die Diözese Innsbruck.

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