Wer den Film Avatar sieht, findet sich im paradiesisch anmutende Szenenbild von Pandora wieder. Eine Gruppe von Theologiestudierenden aus der Uni Erlangen-Nürnberg hat sich den zweiten Teil des Erfolgsfilms angesehen und schöpfungstheologisch reflektiert.

Kontextsetting

Um fruchtbar zu sein, darf theologisches Denken sich nicht in Hörsälen und Kirchenräumen einsperren und sich nicht ausschließlich mit fachlichen Texten auseinandersetzen. Um relevant zu bleiben, muss Theologie vielmehr ihre institutionellen wie Formatgrenzen überschreiten und in Dialog mit „der Welt” treten. Dieser Überzeugung folgend, beschlossen wir als Hauptseminar Schöpfungsethik – nachdem wir uns im Wintersemester 2022/2023 intensiv mit verschiedenen philosophischen wie theologischen Texten zur Natur und Umwelt, zur Theologie und Ethik der Schöpfung aufeinandergesetzt und dabei verschiedenste Positionen von Hans Joas bis Bruno Latour, Wolfhart Pannenberg bis Laudato Si kennengelernt haben – in unserer letzten vorweihnachtlichen Seminarsitzung zusammen ins Kino zu gehen und gemeinsam den frisch angelaufenen Film Avatar 2: The Way of Water zu sehen.

Welche Aspekte des Films uns vor dem Hintergrund unserer bisherigen Lektüren und Diskussionen umweltethisch wie theologisch besonders anknüpfungsfähig erschienen, möchten wir in einem schöpfungsethischen Review mittels dreier Impulse festhalten – ohne dabei inhaltlich (allzu viel) zu spoilern.

Vom Bebauen und Bewahren

Wie bereits im ersten Teil, sind das Zusammenleben der Na’vi mit ihrer Umwelt, ihr physischer Einklang wie ihre spirituelle Verbundenheit ein zentrales Motiv in The Way of Water. Verschiedenen Szenen zeigen, wie das wassernahe Na’vivolk die Meereswelten um sich herum achtet und wertschätzt, enge, teils freundschaftliche Beziehungen mit Wasserwesen eingeht und, wenn sie Fisch fangen, dann so schonend wie möglich.

In diesem Umgang mit der Natur klingt ein Grundmotiv von Genesis 2,15 an. Wenn Gott dem Menschen dort aufträgt, den Garten zu „bebauen“ und zu „bewahren“, lässt sich dies als Auftrag lesen, der Umwelt zum Gedeihen zu verhelfen, sie nicht überzubeanspruchen und das wertzuschätzen, was man ihr entnimmt. Insofern können Camerons Na’vi als Vorbild für einen schöpfungsauftragsentsprechenden Umgang mit der Mitwelt gelten.

Dass unser gegenwärtiger Naturumgang alles andere als genesiskonform ist, macht der Film umso deutlicher, wo er die Lebensweise der Na’vi mit dem Naturumgang der „Himmelsmenschen“ kontrastiert. Letztere werden als raubbauende und sich ausschließlich für die Rohstoffe des Planeten interessierende Erobernde gezeichnet, die mit einem klaren Überlegenheits- und Verfügbarkeitsanspruch auftreten. Wo sie bei ihrer Nutzbarmachung der planetaren Ressourcen keinerlei Rücksicht erkennen lassen, können sie als warnendes Zerrbild für unseren eigenen Naturumgang gelten.

Von lebendigen Welten

Auch wenn die Storyline sich auf den ersten Blick um einige Na’vi­-Protagonist*innen dreht, ist doch der Planet Pandora als Ganzes ein wichtiger Teil des Filmcasts. Was die Held*innen in ihrem Mikrokosmos erleben, erleidet der Planet auf makrokosmischer Ebene. Damit bietet Pandora nicht nur die beeindruckende Kulisse des Films, sondern tritt selbst als denkender und kommunizierender Organismus mit eigenem „Herzschlag“ auf – der sich gegen seine Zerstörung und Verletzung durch „Himmelsmenschen“ zur Wehr setzt.

Das gesamte planetare Ökosystem lebt in Avatar in einer einzigartigen Symbiose. Auch die Na’vi sind Teil dieser, was sich besonders darin zeigt, dass sie sich über ihre Zöpfe mit einzelnen Lebewesen, an besonders heiligen Orten auch mit dem „Planetengeist“ Eywa selbst verbinden können.

Die Vorstellungen einer gesamtplanetarischen Symbiose, die Avatar zeichnet, erinnern an die schöpfungstheologischen Skizzen Jürgen Moltmanns.[1] In seiner ökologischen Schöpfungslehre entfaltet er das Bild einer umfassend miteinander verbundenen Schöpfungseinheit, in der nichts isoliert, sondern nur in Abhängigkeit voneinander bestehen kann. Greift Moltmann zur Illustration dieser Schöpfungsvorstellung das „Symbol“ einer lebendigen „Weltmutter Gaia“ auf, lässt sich Camerons Pandora/Eywa als cineastische Inszenierung ebendieses mythischen Motivs erachten.

Von der Bedeutung des Wassers

Wie bereits der Untertitel erahnen lässt, steht Wasser im Zentrum des zweiten Avatarteils und wird – hierin den biblischen Schöpfungserzählungen nicht unähnlich – gleichermaßen als Lebensraum für fantastische Tier- und Pflanzenarten, lebensspendende Ressource aber auch bedrohende Realität präsentiert. Angesichts seiner Vielseitigkeit und Bedeutung, ist es doch erstaunlich, welch geringe Rolle dem Wasser in vielen, auch theologischen Umweltethiken zugestanden wird.[2] Neben Wäldern, Ackerböden und ländlichen Lebensräumen wird Meeren, Seen und Flüssen mit all ihren tierischen und pflanzlichen Bewohner*innen vergleichsweise wenig Raum zugebilligt. Und selbst dort, wo Wasser schöpfungstheologisch oder -ethisch betrachtet wird, wird ihm häufig ein bloß indirekter moralischer Status zugeschrieben. Da seine „Früchte“ wichtig für den Menschen sind, sei es wichtig, sorgsam mit Wasser umzugehen.

Diesem etwas verzerrten Blick auf das Wasser setzt The Way of Water zwei Impulse entgegen. Erstens, indem es das Wasser als „Lebenselixir“ nachdrücklich ins Bewusstsein ruft und ihm mit 189 Minuten Spielzeit den Raum zukommen lässt, der ihm qua seiner Bedeutsamkeit eigentlich zustehen müsste. Zweitens, indem er nachdrücklich vor Augen führt, wie schön und gleichermaßen erhaltenswert aquatische Welten sind – und dass Wasser mehr ist als eine menschliche Verbrauchsressource.

Ausleitend zum Film: Bildgewalt und Filmerleben

Uns hat der Film in erster Linie durch seine bemerkenswerten Bilder überzeugt. Mit spektakulären Unterwasseraufnahmen und fantastischen Panoramashots, die die Schönheit der Natur von Pandora ausdrucksstark „einfangen“, erlaubt Avatar 2 der Zuschauer*innen, völlig in die Filmwelt „einzutauchen“ und zu den farbprächtigen Bildern zu „viben“. Dies tröstet auch über die Tatsache hinweg, dass der Plot im Grunde eine Wiederholung des ersten Teils in einem leicht veränderten Setting darstellt.

So wie die cineastischen, sind auch die schöpfungsethischen Potentiale des Films weniger in seinen Erzählungen oder Charakteren, denn eher in seinem detailverliebten Worldbuilding und seiner eindrucksvollen Bildgewalt zu verorten – die beide durch die relative Vorhersehbarkeit des Handlungsstrangs sogar noch mehr zur Geltung kommen können.

 

Text: Jakob Hahn, Niklas Hildebrandt, Enrico Mertl, Max Tretter

Hashtag der Woche: #schoepfungsethik


(Bild: @hisarahlee)

[1] Vgl. Moltmann, Jürgen. Gott in Der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre (München 1985).

[2] Positive Ausnahmen sind unter anderem Christina Peppars Just Water. Theology, Ethics, and Fresh Water Crises (Maryknoll 2018) oder Gary Chamberlains Troubled Waters. Religion, Ethics, and the Global Water Crisis (Lanham 2008).

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max tretter

ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Systematische Theologie (Ethik) in Erlangen. Er begeistert sich für Hip Hop, Pop- und Internetkultur sowie Digitales.

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