Ostern als der große Sieg? Es gibt sehr gute Gründe, die Auferstehung anders zu verstehen, findet Dr. Christian Kern.

Ostern wird oft als Fest wiedergewonnener Souveränität gefeiert; der erfolgreichen Überwindung des Todes durch Jesus. Wenigstens in vielen kirchlichen Inszenierungen ist das der Fall. Die Osternacht beginnt noch etwas verhalten, mit dem Exsultet als Sologesang, ohne massigen Sound; die Lesungen, die sich gedichtartig manchmal langatmig, dann wieder flinker dahinziehen und noch bedächtig bleiben. Aber spätestens ab dem „Gloria“ vor der neutestamentlichen Lesung und umso mehr vor dem Osterevangelium ist es dann soweit: Umschlag Osterfreude, Orgel satt, triumphierender Jubelgesang, der Kirchenraum geflutet mit Lichtern, Weihrauch nachgelegt mit ratschender Kette – Auferstehungszeit. 

Das Osterfest richtet in einem weit verbreiteten Stil, in einer weit verbreiteten Art und Weise der Inszenierung und der Darstellung den Fokus auf Jesus als dem siegreichen Auferstandenen in neuer, wiedergewonnener Erhabenheit. Im Tod war ihm seine Souveränität abhandengekommen, wurde ihm weggeraubt wie die Kleider an seinem Leib. Jetzt wird es ganz anders: Er steht wieder da, mit praller Vitalität, als Sieger über den Tod und mit der ihm jetzt eigenen göttlichen Souveränität.

Kann es so sein: offenes Grab, und darüber neben Engelsgestalten der Seigneur, kraftvoll, mit einer kreuzverzierten Standarte in der Hand – ein Feldabzeichen, ein Zeichen militärischer Dominanz?

Der souveräne Auferstandene und die souveräne Kirche

Dieser Sieger- oder Souveränitätsstil an Ostern ist eine der Selbstverständlichkeiten kirchlicher Liturgie, österlich-institutioneller Darstellungspraxis, kirchlicher Performatik. Zu diesem Stil gehört auch, stark auf Jesus zu fokussieren – Fest der Auferstehung des Herrn.

Als Sieger wird er betrachtet und verkündet; als Souveränitätsgestalt, der nun auch der Tod nichts mehr anhaben kann, wird er präsentiert und in den Mittelpunkt gerückt. Was dann an den Rand rückt oder sogar ins Off wandert, sind die die bleibenden Brüche, die Wunden und Narben, die Erfahrungen bleibender Verluste, die den Ostermorgen in der Darstellung der Evangelien prägen. Insouveränität. 

Ostern als Fest der Auferstehung ist in dieser Stilistik ein Fest der Souveränität, des strahlenden, erfolgreichen Sieges mit Fokus auf den Überwinder und Erlöser allen Übels, den auferstandenen kyrios.

Dieser Fokus auf die Souveränität des Auferstandenen ist nicht neu, es gibt diesen shift bereits in den frühen neutestamentlichen Schriften. In der ostertheologischen Formeltradition wird eine Sprache gesucht für das, was an diesem Morgen geschehen sein soll und wie es interpretiert werden könne. Eine der frühesten Aussagen über Ostern ist: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“; hier noch mit Fokus auf das geheimnisvolle Handeln eines unerfassbaren Gottes, der etwas mit dem Menschen Jesus macht. Doch dann, gar nicht so lange Zeit später, verschiebt sich der Fokus weg vom geheimnisvoll unfassbaren Gott hin zum Auferstandenen selbst. Weg schiebt sich der Blick vom Handeln Gottes an Jesus zum göttlichen Handeln Jesu selbst: „Jesus ist auferstanden!“. In dieser späteren Formel ist nicht Jesus einer, der passiv auferweckt wird, sondern nun selbst Subjekt des Handelns: nicht Auferweckung, sondern Auferstehung! Die Ostersouveränität ist seine eigene Kraft; in ihm und durch ihn, aus ihm wirksam zu neuem Leben. Et voilà. Nicht allzu viel Zeit später sitzt er auf dem Thron, oben, in den Apsiden der römischen Basiliken, als Pantokrator. Das Kreuz wird, sobald es seine Skandalträchtigkeit verliert, vom Triumph absorbiert und zum „Zeichen, in dem man siegt“.

Kann es sein, dass eine machtverstrickte Institution wie die römisch-katholische Kirche mit der konstantinischen Wende bis in die monarchistische Kirche unserer Tage in ihren Gründungsnarrativen solche souveränen Siegergestalten sucht und braucht? Der institutionelle Stil, Gestus und amtliche Habitus jedenfalls imitiert doch sehr oft diesen souveränen Auferstandenen im Glanz göttlicher Vollmacht. Ein erfolgreicher Souverän seines eigenen Lebens. Apostolizität versteht sich dann als Widerspiegelung dieses souveränen Glanzes; und zieht in einen apostolischen barocken Prunkpalast ein.

Ostern als wuselige Interaktion

Woher auch immer der Fokus auf Souveränität, Erfolg, Sieg, Alles-wird-gut kommt, es ist möglich, einen anderen Blick auf Ostern zu werfen und auch nach anderen Arten und Weisen zu fragen, wie das Lebensgeheimnis dieses zwielichtigen Morgens zur Gestalt gebracht werden kann. Ostern otherwise.

Ein solches Anders-Sehen und Anders-Verkörpern des Ostergeheimnisses ist aus meiner Sicht an der Zeit und bereits im Anbrechen. Die Souveränitätstheologie, die sich am Sieger-Auferstandenen ausrichtet und auf ihn als maßgebliche Form fokussiert, ist an ein Ende angelangt. Wenigstens mit Blick auf die Reste kirchlich-monarchischer Institution in unseren Breiten ist das der Fall: Sie hat ihre Glaubwürdigkeit, gemessen an den ethischen, prozeduralen, politischen Standards moderner demokratischer Gesellschaften, vor allem aber aufgrund ihrer eigenen Gewaltverstrickung in Missbrauch und Vertuschung verloren, ist gescheitert an ihrer eigenen hochmütigen Siegesgewissheit. 

Jenseits einer Perspektive auf den Auferstandenen, der die Szene souverän mit Standarte in der Hand dominiert, rücken spezifische Aspekte (wieder) ins Blickfeld; ein ästhetisches Ressourcement.

Das erste ist eine wuselige Interaktion.

Der Ostermorgen ist ein Raum, in dem es hin und her geht, ein offener, pluraler, auch strittiger Raum. Vielfältige Akteur*innen interagieren hier: Die Jünger*innen, die Apostel*innen, Menschen, die einfach vorbeigehen; Tag- und Nachtzeit, die Landschaft des Gartens, die verschlungenen Wege raus nach Emmaus; die Fremden, an denen man dort stumm vorbeieilt; der weggerollte Stein und ein paar halbfleckige Laken; Engelsgestalten natürlich. Eine plurale Szenerie ohne ein dominantes Zentrum; der Auferstandene eher flüchtig und auf der Seite, abseits, mit einer Scheu, die ihn nur im Vorbeigehen da sein lässt.

Ostern in dieser anderen Art gesehen, die zugleich doch die Weite und relationale Dynamik der Ostererzählungen aufgreift, ist nicht einfach eine Siegererzählung; es ist die Erfahrung eines offenen, pluralen, heterogenen, auch fragwürdigen Begegnungsraumes. Jenseits des Fokus auf die dominante Zentralgestalt in institutioneller Repräsentation ein Netz von Bezügen.

Ostern als Bruch

Neben der wuseligen Interaktivität gibt es eine zweite Komponente, die die Szenerie insgeheim prägt: ein Bruch, eine rupture. In der Vielfalt der Aktivitäten gibt es etwas, das die Akteur*innen umtreibt, antreibt: jene Erfahrung mit Jesus, sein Sterben, sein Tod, seine Grablegung, nun auch sein Verschwinden am Morgen. Eine Leerstelle hat sich aufgetan, weit entfernt von Souveränität und Siegen; etwas Fragliches, Strittiges.

In der Interaktion gibt es auch Erfahrungen von Scheitern, von bedeutsamen Verlusten, in denen etwas unwiederbringlich verloren gegangen ist; gerade auch vor dem Hintergrund der früheren Begegnungen und Wege mit dem Rabbi aus Nazareth. Ließe er sich doch fassen, wiederfinden; vor allem verstehen, was passiert ist! Aber er bleibt unbestimmt und im Entzug. Festhalten wäre gut, aber das Anliegen scheitert. Eine Form der Insouveränität stellt sich ein. Zum Früheren, so bedeutsam es war, gibt es kein Zurück mehr.

Ostern als Wende

Zugleich aber ereignet sich eine Wende – der dritte Aspekt. Sie kommt nicht aus einem Plan von oben herab oder kraft der Findigkeit von einzelnen, sie tritt in der wechselseitigen, wuseligen Interaktion zutage. In unterschiedlicher Weise suchen die Akteur*innen nach dem, der verschwunden ist, aber den sie zugleich erahnen als einen, der anders neu zum Leben gekommen ist. 

Allmählich gewinnt in der Interaktion der Vielen der Glaube Gestalt, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist; es beginnt eine gemeinsame plurale Suche nach dem Auferstandenen in einem vielfältigen Zeugnis. Ein Raum des Glaubens öffnet sich und gewinnt in einem pluralen Beziehungsnetz von Glaubensbezeugungen von Jünger*innen/Apostel*innen Gestalt. In ihrer Suche, in ihrem Zweifel und Scheitern, in ihrer abgeklärten Hoffnungslosigkeit und dem Wagnis zum Aufbruch anderswohin, gewinnt das Osterevangelium Raum.

Wenn man auf diese Weise den Blick verschiebt, zurück und beiseite tritt, wenn man Souvernitätsnarrative, Siegesfixierungen inklusive des Fokus auf die dominante Zentralgestalt und ihrer amtlichen Repräsentation ablegt, dann wird Ostern als Glaubens- und Lebensform anderer Art sichtbar. Heteromorph. Nicht als Souveränitätsfassung, sondern als ereignishaftes Beziehungsnetz, mit offenen Rändern und dem Wagnis geteilter Insouveränität.

Ostern otherwise

Ostern ist kein Fest einer Siegergestalt und wiedergewonner Souveränität. Es handelt sich um eine andere Fassung, eine andere Form mit einem anderen Fokus von Ostern: ein Fest, das nicht über Souveränität bestimmt ist, sondern Insouveränität und Scheitern – eine unsagbare Leerstelle – aushält, einwebt und darin und dadurch eine eigenartige kommunionale, kreative Dynamik freisetzt.

Könnten wir Ostern nicht in dieser anderen Art Gestalt verleihen, es vollziehen, es bezeugen, d.h. performativ zur Geltung bringen?

Es wäre dann kein Fest mehr, das von dominanten Siegergestalten bestimmt wird, die Insouveränität, Fragementarität und Fallibilität aus dem Raum schieben. Ostern würde vielmehr gerade in pluralen, offenen, kreativen, herausfordernden, auch strittigen Interaktionen lebendig und verkörpert, in denen ein anderes Leben als Geschenk und gemeinsame Entdeckung, als Spur eines unendlich anderen Gottes des Lebens – erahnt und in Anspruch genommen wird. Dem entspräche eine Kirche, die sich ihrer Souveränitätsfixierung und dem eigenen Siegessehnen entledigt, inklusive ihres Verständnisses von Apostolizität als zentralisierte Imitation der österlichen Siegergestalt. Es wäre eine Kirche, die kommunional, synodal, plural, spannungsreich, suchend, Insouveränität erfahrend und aushaltend Apostolizität anders lebte; in ihrer pluralen Interaktion ohne dominantes Zentrum im Glauben an einen Gott des Lebens. Darin erschließen sich neue Lebensgestalten; und Ostern otherwise geht über in Leben otherwise.

Hashtag: #osternanders


(Beitragsbild: @msohebzaidi)

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dr. christian kern

ist Mitarbeiter am Institut für Kath. Theologie/Syst. Theologie der TU Dresden. Er denkt in seiner Arbeit über andersartige Formen (Heteromorphien) von Leben in politischen und sozialen Kontext nach und analysiert ihre theologische und politische Performanz.

One Reply to “
Ostern otherwise”

  1. Anstössige Überlegungen für alle, die sich am Stil der röm.-kath. Kirche abgestossen fühlen. Aus dem Weihrauch, dem halbnackten und mit muskelbepackten Auferstandenen über den Tabernakeln, den Bildern im fb aus der Benedikthochschule von Heiligenkreuz bei Wien, dem Hin-und Her, ob der Papst Ostern im Petersdom stehend oder sitzend zelebrieren wird, oder gar nicht, taucht eine Interpretation der biblischen Texte über Ostern auf, die Sie, Herr Kern, anstossen, die mich anstösst, weiter, in vielfachem Sinn, zu denken.

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