Victoria König berichtet über ihre Erfahrungen als Teilnehmerin der europäischen Kontinentalversammlung des Synodales Prozesses in Prag. Sie macht deutlich: das Treffen verlangte viel Toleranz ab.

Es ist Anfang Februar. Ausgerüstet mit einer großen Kanne Tee und meinem Laptop starte ich Montagmorgen pünktlich ins Online-Meeting. Es ist nicht irgendein Treffen: ich bin eine von zehn Online-Delegierten aus Österreich, welche bei der europäischen Kontinentalversammlung des Synodalen Prozesses in Prag teilnehmen. Vier Tage Online-Präsenz liegen vor mir. Ich vertrete dabei die Kath. Jungschar Österreichs und die Kath. Jugend Österreichs, also die Kinder und Jugendlichen der österreichischen Kirche. Ich wurde angefragt, weil ich über Jahre hinweg Expertise in der Kinder- und Jugendpastoral gesammelt habe und Erfahrung im internationalen kirchlichen Austausch mitbringe.

Vier Tage lang werden rund 200 Delegierte von 39 Bischofskonferenzen, sowie 44 eingeladene Gäste – u.a. Caritas Europa, CIDSE, Fokolarbewegung, Taizé, Neokatechumenat, Schönstatt und Opus Dei − vor Ort diskutieren. Online zugeschaltet werden bis zu zehn Delegierte pro Bischofskonferenz, an diesem Tag werden es im Schnitt 150 Teilnehmende sein. Nach dieser gemeinsamen Zeit tagen die Bischöfe alleine.

Beim Schreiben dieser Zeilen ist das nun zwei Wochen her. Wie lief die Versammlung ab und wie habe ich sie erlebt? Was ist das Ergebnis und wie wird es weitergehen? Für mich lassen sich diese vier Tage mit drei Überschriften zusammenfassen: Zuhören. Aushalten. Gemeinsam Weitergehen.

Zuhören

Zum Zuhören gab es in diesen Tagen richtig viel. Es war online gar nicht immer so einfach, bei der Sache zu bleiben. Einerseits dauerte die Versammlung den ganzen Tag und dann waren die Wortmeldungen in Englisch, Italienisch, Deutsch, Französisch oder Polnisch. Dementsprechend oft wechselte ich zwischen Originalton und Übersetzung.

Die Methodik war jeden Tag dieselbe. Jeweils 13 Delegationen präsentierten vor Ort ihre Ausarbeitungen zu den drei leitenden Fragestellungen der Versammlung. Ausgangspunkt war das Vorbereitungsdokument des Vatikans „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes. 54,2). Die Fragestellungen bezogen sich darauf, Resonanzen zu sammeln, Spannungen zu benennen und Prioritäten zu listen. Jede Delegation hatte sechs Minuten Zeit. Eine meditative Pause bzw. ein Gebet wurde nach jeder vierten Gruppe abgehalten.

Das Statement der Österreich-Delegation setzte sich aus Rückmeldungen der Diözesen, der Online-Delegierten und einigen weiteren Personen zusammen.

Nach jeweils 13 Präsentationen wurden online und vor Ort Kleingruppen gebildet. Auch hier wurde mit der synodalen Methode des Anhörkreises gearbeitet: Eröffnungsgebet, Wortmeldung jeder einzelnen Person, Resonanzen auf das Gehörte austauschen, Sammlung von drei zentralen Punkten und abschließendes Gebet, zu jeweils einer Frage – also insgesamt drei Kleingruppenphasen. Die Zeit war begrenzt, die Teilnehmer*innenzahl pro Kleingruppe hoch. Ich konnte mich in den drei Kleingruppen jeweils nur für rund drei Minuten einbringen.

Anschließend wurden die Ergebnisse jenen Kleingruppen präsentiert, die in Prag anwesend waren. Die Online-Delegierten präsentierten ihre Ergebnisse zusammengefasst am vorletzten Tag. Jede Delegation wurde gehört, jede Person kam in den Einzelgruppen zu Wort.

Es wurde wirklich zugehört, viel zugehört. Zu mehr kam es aber nicht. Es gab wenig bis keine Möglichkeiten zu Resonanzen, auch, weil die Zeit meist zu kurz war. Meist fehlten Argumente, ein Diskurs war nicht vorgesehen.

Außerhalb von den Kleingruppen konnten sich die Online-Delegierten nicht einbringen. Dennoch war es den Organisator*innen ein Anliegen, dass alle Wortmeldungen schriftlich vorgelegt wurden, um sie auch ins Abschlussdokument aufnehmen zu können.

Aushalten

Inhaltlich waren die Berichte und Statements für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Mal war große Zustimmung dabei und Begeisterung angesichts ehrlicher und mutiger Wortmeldungen, mal waren es Verwunderung, Zweifel, Entsetzen und auch viel Kopfschütteln.

Kurz: während des Zuhörens gab es viel zum Aushalten.

Einen Tag lang wurde über die Frage der Spannungen gesprochen, da liegt es für mich fast auf der Hand, dass es auch zu gefühlten Spannungen kommt. Die großen Themen waren u.a. Missbrauch, Rolle der Frau, Autorität und Teilhabe, marginalisierte Gruppen, Mission, Familie, Liturgie und Sprache. Immer wieder wurde die Abwesenheit der Jugend beklagt, aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass am Podium Frauen fehlten.

Die erheblichen Unterschiede zwischen Grundhaltungen der einzelnen Länder und Kulturen wurden auf den Tisch gelegt. Gerade was die Ansichten zur Rolle der Frau in der Kirche, zur LGBTQIA+ Community oder zu wiederverheiratet-geschiedenen Personen betreffen, gingen die Meinungen stark auseinander.

Auch als Online-Delegierte fühlte ich die Spannungen. Teils wurden sie heftig. Dies drückte sich v.a. sprachlich in einzelnen Wortmeldungen, aber auch durch zustimmende oder ablehnende Rückmeldungen oder Emojis im Chat aus.

Teilweise war es für mich schwer, das auszuhalten. Damit meine ich nicht nur die Spannungen, die im Raum standen, sondern auch dieses Stehenlassen der Themen. Ein Aushalten dessen, dass keine Entscheidungen getroffen wurden.

Gemeinsam Weitergehen

Ist dieses Aushalten notwendig, um gemeinsam weitergehen zu können?

Nachdem alle Themen am Tisch lagen, alle Meinungen vom Redaktionsteam dokumentiert wurden, wirkte das am letzten Tag verlesene Dokument für mich zu schwammig und zu wenig konkret, es blieb irgendwie alles offen.

Die Vorlage für das Abschlussdokument, welches von der Versammlung approbiert wurde, gilt als Zusammenfassung der einzelnen Beiträge, eine Zusammenfassung all dessen, was aufgetaucht ist und gesagt wurde.

Es handelte sich dabei um eine Bestandsaufnahme und ich frage mich: Sind wir nach dem Vorbereitungsdokument zur Versammlung überhaupt einen Schritt weitergekommen – bis auf die Fokussierung auf die europäische Situation?

Wir stehen erst am Beginn des Prozesses. Es ist ein Grunddokument. Alles Notwendige wurde gesagt und niedergeschrieben. Die Bischöfe haben sich gemeinsam dazu verpflichtet, den Synodalen Prozess weiterzugehen und zu fördern. Hunderte Menschen nahmen an der Versammlung teil, Kirche ist ihnen eine Herzensangelegenheit, sie brennen dafür. Die Vielfalt wurde verdeutlicht, Zusammenhalt spürbar, gemeinsames Hinschauen, gerade was die aktuellen Themen Krieg und Erdbeben betreffen, sichtbar, Begegnungen wurden möglich und alle waren und sind bereit, diesen Prozess fortzuführen und weiterzugehen – gemeinsam.

Synodalität ist ein Prozess, ein gemeinsamer Weg, der nicht einfach zu Ende geht.

Das Zuhören war wichtig. Das Aushalten war notwendig. Es hat diese spannungsreichen Tage gebraucht und es wird sie weiterhin geben.

Es hat vermutlich dazu kommen müssen. Es wurde aufgezeigt: Einheit bedeutet nicht Einheitlichkeit. Der Wunsch nach weiteren Versammlungen, um eine Kultur der Synodalität zu leben, wurde mehrfach geäußert. Es braucht Vertrauen und Zeit.

Papst Franziskus hat Mut verlangt. Wir sollen weiterhin mutig sein, Dinge aufzeigen, benennen und einfordern. Gleichzeitig müssen wir uns die Fragen stellen: Welche Kriterien für Synodalität braucht es? Wie kann der Prozess in die Diözesen und Pfarren weitergetragen werden?

Das Abschlussdokument wird, gemeinsam mit den Abschlussdokumenten der anderen Kontinentalversammlungen, die Basis für das Instrumentum laboris der Bischofssynode bilden. Und auch dann ist der gemeinsame Weg noch lange nicht zu Ende.

Hashtag der Woche: #aushalten


Beitragsbild: Nicole Baster

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Victoria König

Studierte Kath. Theologie in Wien und ist im Endspurt des Masterstudiums Kath. Religionspädagogik in Wien. Sie war Referentin bei der Kath. Jungschar der Diözese St. Pölten und seit September 2022 absolviert sie die Ausbildung zur Pastoralassistentin. Ehrenamtlich ist sie im Bundesvorstand der Kath. Jungschar Österreichs.

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