20 verschiedene Perspektiven auf Facetten des Weihnachtwerdens, auf das Potenzial, das in den biblischen Erzählungen steckt. 20 unterschiedliche Standorte, von denen aus Missstände sichtbar gemacht werden, die dem glaubwürdigen Weihnachtwerden in der römisch-katholischen Kirche entgegenstehen.  Weihnachten ist mehr als  Glanz und Gloria. Muss mehr sein. Die 20 Autor*innen aus unserem Buch „Weihnachten, kann erst werden, wenn…“ zeigen, wie das aussehen könnte. 10 von 20 O-Tönen könnt ihr heute schon nachlesen:

Berufen zu Unmöglichem?

Monika Amlinger fragt sich in ihrem Beitrag

„Was hat Weihnachten im Besonderen mit meiner Berufung als Priesterin zu tun? Viele begründen ja die Absage an das Frauenpriestertum geradezu mit Weihnachten: ‚Da sehen wir es doch, Gott ist Mann geworden, und das ist wichtig und bedeutsam! Daran sehen wir, dass Gott eigentlich mehr männlich als weiblich ist. Der Mann ist der Aktive – wie Gott der Schöpfer –, und die Frau entspricht dem Passivem und Empfangenden – wie die Schöpfung. So verhalten sich dann auch Christus und Kirche!‘ Ich merke, dass es mir schwerfällt, diese zu Sätze zu schreiben. Ich finde  dieses Denken unerträglich. Es muss endlich Schluss sein mit diesem komplementären Denken, was Männer und Frauen betrifft.“ (25-26)

Vom Sieg der Macht der Verletzlichkeit über die Macht der Gewalt

Nicht die Macht der Gewalt, sondern diejenige der Verletzlichkeit weist nach Johanna Beck den Weg in die wahre Weihnacht. Was das konkret bedeutet, lesen wir auszugsweise hier:

„Wahres Weihnachten kann erst werden, wenn die Kirche […]

… den Menschen wieder nahekommt, in Demut ihren (Schein-)Heiligenschein ablegt, sich entsakralisiert, entmachtet und ‚ausleert‘ – und so wieder mehr Raum für Gottes Wirken schafft.  […]

…nicht mehr andere Menschen marginalisiert, erniedrigt oder verletzt, sondern vielmehr integrativ, bestärkend, heilsam – und somit auch wieder evangeliumsgemäßer – wirkt. […]

…ihre eigenen Missbrauchsabgründe schonungslos durchwandert und ausleuchtet und den Betroffenen wahre Gerechtigkeit widerfahren lässt.“ (33f.)

Auf gehemmter Suche

Kira Beer feiert an Weihnachten nicht, „dass Gott Mann wurde.“ Sie feiert,

„dass Gott Mensch wurde und dass dieser Mensch alle Vorstellungen, die die Menschheit vor und auch nach ihm von Macht in all ihren Dimensionen hatte, umgekehrt hat.“ Und sie fragt sich „Wird das sichtbar, wenn wir an Weihnachten denken?“ (41)

Mein persönliches Weihnachtswunder

Stephanie Butenkemper erlebte angesichts ihrer zurückliegenden Erfahrung mit spirituellem Missbrauch nach einer langen Wartezeit doch noch ein Weihnachtswunder:

„Mein persönliches Weihnachtswunder! Plötzlich wird es hell, die Hoffnung kehrt zurück und ebenso ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Gerechtigkeit stellt sich ein. Besonders bewegt mich in diesem Telefonat die Bestätigung, dass der Bischof ‚spirituellen Missbrauch‘ festgestellt habe. Ich fühle große Erleichterung.“ (50)

Die chaotische Platzwahl im Stall von Betlehem und die Suche nach meinem Platz als Frau in der Kirche

Für Ute Garth hat Weihnachten das Potenzial, die

„Platzfrage bzw. die teils expliziten, teils subtilen Platzzuweisungen im System Kirche zu hinterfragen, indem sich in der Weihnachtsgeschichte andeutet: Da ist für alle ein Platz und welcher das ist – dies zeigt sich auch mit Blick auf den Geburtsort Jesu –, entscheidet sich nicht in erster Linie an systemüblichen hierarchischen Strukturen und Gepflogenheiten.“ (58)

Vater, Mutter und das Kind in der Krippe

Veronika Gräwe reflektiert normative Familienvorstellungen angesichts der Weihnachtsgeschichte und stellt abschließend fest:

„Weihnachten kann erst werden, wenn wir das Potenzial der Heiligen Familie als liebevollen Ort jenseits der Norm, vielleicht sogar jenseits eines Familienseins ausschöpfen, auch angesichts der Vielfältigkeit von Erfahrungen und angesichts von Machtmissbrauch. Weihnachten kann erst werden, wenn wir dieses Potenzial nutzen, machtmissbrauchende und gewaltbringende, exkludierende und othernde Normen und Strukturen zu hinterfragen.“ (67)

Das Neue beginnt im Kleinen. Weihnachten und das Warten auf kirchliche Innovation

Dass das Neue im Kleinen beginnt und sich besonders an der Weihnachtsgeschichte bemerkbar macht, darauf möchte Maria Herrmann in ihrem Beitrag hinweisen. Auf die Verwirklichung dieses Perspektivenwechsels wird aber noch gewartet:

„Vor Weihnachten hat Gregor der Große das Warten gestellt. Jedenfalls das vierwöchige. Und man könnte den Eindruck bekommen, dass man mindestens seit dieser Zeit auch auf das Ankommen des Neuen in der Kirche wartet. Wie ein ewiger Advent. Aber auf was wartet man da genau? Und wie lange noch?“ (74)

Das Kind in der Krippe: Maßstab für eine freiheitsachtsame Kirche

„Nicht mit überzeitlichen Wahrheiten im Gepäck. Ohne die Überforderung durch die ständig angefragte Identität und die daraus resultierende Verunsicherung. Ohne eine Angst vor der Freiheit, die dazu führt, dass der Geltungsanspruch der eigenen Wahrheit mit gewalttätigen Machtmitteln durchgesetzt wird. Sondern mit einem liebevollen Blick auf die sich wandelnde Welt. Indem Kirche die Welt wahrnimmt, wie sie ist – wertschätzend und lernend. Wie ein Kind. Wie das Kind in der Krippe.“ (85)

So und nicht anders stellt sich Max Holzer eine Kirche in der Welt vor.

Im Anfang war kein Wort – Die andauernde Menschwerdung von trans* und inter*

Mara Klein entdeckt im Umgang mit Trans* und Inter* Personen das Geheimnis von Weihnachten, das darin besteht,

„dass wir längst in und mit Jesus Mensch sind – auch wenn unsere Menschwerdung für die Kirche – im besten Fall – noch andauert.“ (96)

Das Machtgefälle auf dem Synodalen Weg und damit verbundene Risiken für Machtmissbrauch

Ergänzend dazu legt Viola Kohlberger den Blick auf „Jesus Christus und seinen Umgang mit ungerechten Systemen und Hierarchien“. Denn sie ist der Überzeugung

„[w]enn wir, so wie Jesus, die Menschen um uns herum ernst nehmen, sie in ihrer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit sehen, kann nur eine Konsequenz folgen: Mit aller Macht müssen die missbrauchsbegünstigenden und verletzenden kirchlichen Strukturen dahingehend verändert werden, dass Menschen Schutz und Heil in ihnen finden können.“ (106)

Stay tuned! Die anderen 10 von 20 folgen in Bälde.

Eure y-nachten Redaktion.

Hashtag der Woche: #esynachtet


(Beitragsbild: @enrique)

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