In unserem Special #IchBinThea berichtet die fiktive Person Thea vom wissenschaftlichen Prekariat in der Theologie und bietet eine Plattform für Jungwissenschaftler*innen, über ihre eigenen Erfahrungen zu erzählen. Im neuen Beitrag erzählt uns Thea vom Flickenteppich der rechtlichen Regelungen und über so manche Quotenregelungen – und nein: es geht hier nicht um die Frauenquote!

Liebe Lesende,

nachdem wir uns letztes Mal durch den Dschungel des vatikanischen Rechts geschlagen haben, nähern wir uns dieses Mal der konkreten Situation im deutschen Sprachraum an, sprich der bilateralen Umsetzung dieser Normen. Leichter wird es dadurch nicht.

Bunte Rechtslage

Wir müssen uns zunächst der Vielfalt unserer Hochschul-Landschaft bewusst sein, weil die deutschsprachigen Länder teils unterschiedliche Rechtsgrundlagen haben. Man bemerkt diese Details erst in den konkreten Bewerbungen. Man muss lokal zwischen ca. 15 Staats-Kirchen-Verträgen (davon fünf Konkordate) unterscheiden, dann zwischen staatlichen und konfessionellen Hochschulen und Instituten (z.B. KU Eichstätt, KU Linz; K[P]Hs, Ordenshochschulen) und schließlich zwischen Theologischen Fakultäten, die an Universitäten errichtet wurden oder die aus Priesterseminaren hervorgegangen sind (z.B. Trier oder Bonn). Die Konkordate stammen allesamt aus den 1920er und 30er-Jahren und bilden in Deutschland und Österreich i.d.R. die Rechtsgrundlage, auf der wir aufbauen müssen; in der Schweiz ist die Rechtslage anders.

Beispiel Österreich

Ich werde Euch am Beispiel des österreichischen Konkordats (05.06.1933) zeigen, wie die Implementierung der Rechtsvorgaben des Hl. Stuhls funktioniert. Die Erklärung der Herzens-Eintracht („Con-Cordia“/Konkordat), also eines Einvernehmens von Staat und Kirche hat in Österreich teilweise Verfassungsrang erreicht. Während es 1960/62 einige Änderungen am Text gab, wurden die Richtlinien für die akademische Theologie nie geändert. Nach Art. 1 §1 erhält die Kirche vom Nationalstaat die „freie Ausübung ihrer geistlichen Macht“ garantiert, was in §2 die ungehinderte Gestaltung und Durchsetzung des gesamten Kirchenrechtes beinhaltet.

Der für uns entscheidende Art. 5 regelt davon ausgehend die Ordnung an den Hochschulen:

§1 gestattet sowohl Staat als auch Kirche die Errichtung von Theologischen Fakultäten, wobei der Staat grundsätzlich für den Erhalt „seiner“ Fakultäten zuständig ist.

Dabei wird festgehalten, dass auch hier das je geltende Recht des Hl. Stuhls zum Tragen kommt, d.h. in unserem Fall die Dokumente Veritatis Gaudium, Sapientia Christiana etc. (darüber habe ich beim letzten Mal gesprochen). §3 regelt dann die Einsetzung von Professuren nur nach vorheriger Genehmigung durch den Hl. Stuhl oder seine Rechtsvertretung („nihil obstat“ durch Magnus Cancellarius oder Rom) und in §4 gibt der Staat im Falle eines Entzugs der Lehrerlaubnis (venia legendi oder missio canonica) durch die Kirche die Garantie, dass er diese Personen aus der Theologischen Fakultät entlässt, und ab dann die Fürsorgepflicht wahrnimmt.
Dies kann durch verschiedenste Gründe geschehen, doch wenn wir die letzten Fälle anschauen, sind es meist sexualmoralisch-beziehungsethische Gründe, wobei der letzte Fall noch keine 10 Jahre zurückliegt.

Auf diese Weise ist das gesamte Recht, das wir letztes Mal gesehen haben, eingeführt, und der Staat hat es außerdem (weitgehend) der Selbstverwaltung der Kirche überlassen, es durchzusetzen. Dies hat sowohl Vor- als auch Nachteile, wie ich euch in den nächsten Beiträgen mal erzählen werde.

„Jesuit“ ist Trumpf

Es gibt in den Konkordaten auch einige Sonderstellungen, von denen im Folgenden nur drei Beispiele genannt werden sollen, damit die Komplexität des Rechtes deutlich wird.

In Österreich haben die Ordensgemeinschaften ein Recht darauf, ihre Mitglieder an in- oder ausländischen Hochschulen ihrer Wahl auszubilden (Art. X §4), was vor allem in zwei Fällen umgesetzt ist: Heiligenkreuz im Wiener Wald (Zisterzienser) und Innsbruck (Jesuiten). Die einen haben ein rein kirchliches Statut, die anderen haben einen Sonderstatus, denn im Konkordat heißt es (Art. 5 §1 Abs. 3):

„Es besteht Einverständnis darüber, dass die theologische Fakultät der Universität Innsbruck insbesondere bezüglich der Zusammensetzung ihres Lehrkörpers in ihrer Eigenart erhalten bleibt.“

Das ist der sogenannte „Jesuitenparagraph“, bei dem es Usus ist, ein Vorrecht der Jesuiten auf die Besetzung der Lehrstühle der Theologischen Fakultät einzuräumen.

Es geht mir hier weniger darum, die konkrete Umsetzung dieser Rechtspraxis zu untersuchen, sondern um die Konsequenzen der Gesetzeslage. Neben einer möglichen Priester- und Frauenquote, gibt es an dieser Fakultät eine Jesuiten-Trumpfkarte, die jeder Quote überlegen ist. Für mich als Laiin also eine weitere Hürde.

Die „Konkordatslehrstühle“

Ebenso wie die Theologische Fakultät Innsbruck mit dem Konkordat ihr Existenzrecht staatsrechtlich abgesichert hat, gibt es auch im Bayrischen Konkordat eine Sonderform, die beiden sogenannten „Konkordatslehrstühle“ in München und Würzburg. Ihre Existenz ist gesichert, sie haben allerdings dienstrechtlich für mich keine Konsequenzen, weil sie an keine Quotenregelung gebunden sind.

Existenzberechtigung auf dem Spiel

Das dritte Beispiel entstammt dem Preußischen Konkordat (Art. 12 §1) und regelt, dass es nicht nur Theologische Fakultäten an den Universitäten gibt, sondern einige Orte ihr Studium am Priesterseminar ansiedeln dürfen, darunter die bereits erwähnte Universität Bonn.

Diese Sonderregelung besagt nicht, dass die Fakultäten nicht auch Teil der Universitäten sein können, doch rechtlich führt dieses Hybrid dazu, dass nicht nur das Hochschulrecht des Hl. Stuhls, sondern auch die Regelung zur Priesterausbildung für diese Einrichtungen zur Geltung kommen können.

Konkret greifen damit also theoretisch auch die Regelungen von „Optatam Totius“ und der je aktuellen „ratio fundamentalis“. Was das heißt, habe ich euch ja letztes Mal schon beschrieben.

Ein Problem, was mit dieser Regelung einhergeht, ist die Existenzberechtigung einiger Fakultäten, weil sie an die Priesterausbildung gekoppelt ist, d.h. bei anhaltendem Priestermangel oder der 3M-Idee müssen die Fakultäten mit Schließung oder Entzug der staatlichen Mittel rechnen. Was eine Reduktion von Fixstellen und Standorten – oder auch nur die Androhung von Schließungen – für uns Nicht-Entfristete und unsere Lebensplanung bedeutet, könnt ihr euch selbst ausmalen.

Die MC-Lobby

Jetzt haben wir also einen kleinen Eindruck von der deutschsprachigen Rechtslage gewonnen. In den meisten Fällen kann der Hl. Stuhl seine Rechtslage durchsetzen. Konkrete Ausführungen und Diskussionen dazu gibt es aber nicht nur in juristischen Foren, sondern auch in den Umsetzungen. Die Österreichische bzw. Deutsche Bischofskonferenz stellt die meisten MCs (wer der MC ist und was er macht, erfährst du im letzten Beitrag); diese können sich auch koordinieren, damit es mehr Rechtssicherheit gibt. Sie erlassen eine gemeinsame Rahmenordnung der Priesterausbildung als lokale Umsetzung der „ratio fundamentalis“, die u.a. auch Aussagen zu den Curricula der Theolologie trifft, d.h. Vorgaben zur Lehre macht – auch zu diesem Thema habe ich euch ja bereits etwas erzählt. Diese Lobby ist gut für uns, auch wenn sie eine bestimmte Gruppe der Forschenden bevorzugt im Blick hat.

Noch mehr Lobby

Von Seiten der Universitäten gibt es die Fachkonferenzen und den gemeinsamen Katholisch-Theologischen Fakultätentag (KThF), der in Deutschland tagt und Gäste aus den anderen Ländern und Regionen mit deutschsprachigem Unterricht hat. Er ist für uns – ebenso wie die Agenda für die Frauen unter uns – eine wichtige Lobby. So forderte der KThF etwa von den Bischofskonferenzen ein Nachdenken über die Loslösung der Existenz der Fakultäten von Priesteramtskandidaten vor Ort.

Der Umgang mit dem WissZeitVG (DE) und dem UG 2002 (AT) ist ebenfalls Thema. So hat sich eine Arbeitsgruppe des KThF 2016/17 mit der Perspektivenfrage für den Nachwuchs beschäftigt und drei Selbstverpflichtungen formuliert, welche die Qualifikationsphase einfacher machen sollen.

Hürden über Hürden

Jetzt habt ihr es geschafft! Wir sind mit den Rechtsgrundlagen durch! Ihr seht es gibt für mich als Theologin, als Laiin und als Frau verschiedene Hürden, die zusätzlich zu den staatlichen Vorgaben genommen werden wollen. Was das für meinen Alltag bedeutet, werde ich euch in den nächsten Beiträgen erzählen.

Eure Thea

 

Du möchtest von deinen eigenen Erfahrungen im wissenschaftlichen Prekariat im Feld der Theologie, Religionswissenschaft, etc. erzählen und unseren Leser*innen einen Einblick geben? Danns schreib uns an thea@y-nachten.de.

Hashtag: #IchBinThea


Beitragsbild: Raul Cacho Oses / Unsplash

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#IchBinThea

ist weiblich, Ende 30, seit kurzem verheiratet und hat (noch) keine Kinder. Ihre Promotion in katholischer Theologie hat sie auf einer Assistenzstelle in Deutschland verfasst. Derzeit arbeitet sie in einem Drittmittel-Projekt in Österreich an ihrer Habilitation. Wie ihre Kolleginnen Hanna und Reyhan ist sie keine reale Person, sondern eine statistische. Unter diesem Profil werden auf y-nachten.de Beiträge und Geschichten zur prekären Lage junger Theolog*innen erscheinen. Wenn auch du von deinen eigenen Erfahrungen berichten möchtest, schreib uns an thea@y-nachten.de

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