Wir starten heute mit unserem neuen Special #IchBinThea. Wer Thea ist, was sie macht und was ihr Anliegen ist, erklärt sie uns in ihrem ersten Beitrag hier auf y-nachten.de

Hallo, ich bin Thea

Ich bin weiblich, Ende 30, seit kurzem verheiratet und habe (noch) keine Kinder. Meine Promotion in katholischer Theologie habe ich auf einer Assistenzstelle in Deutschland verfasst und arbeite derzeit in einem Drittmittel-Projekt in Österreich an meiner Habilitation. Ich habe noch nie einen entfristeten Vertrag erhalten und werde dies wohl kaum erreichen, bevor ich Professorin bin.

Wie meine Kolleginnen Hanna und Reyhan bin ich keine reale Person, sondern eine statistische. Das bedeutet, ich repräsentiere durchschnittlich eine Gruppe von Menschen, die in einer vergleichbaren Situation sind, auch wenn sie bei einzelnen Parametern wie Geschlecht, Alter, sozialer Status, Dienststellen, Anzahl der Dienstverträge etc. abweichen können.

Ich möchte euch aus meinem Leben erzählen

Im kommenden Jahr erzähle ich monatlich aus meinem Alltag und meinen Herausforderungen in der akademischen Theologie. Inspiriert ist meine Geschichte von der aktuellen Debatte im deutschen Sprachraum rund um #Ichbinhanna, über die auch hier in y-nachten.de schon berichtet wurde. Es geht dabei um das sogenannte wissenschaftliche Prekariat, also um die Ausbeutung von Jungwissenschaftler*innen im kapitalistisch-kompetitiven Bildungssystem und das Reflektieren über Alternativen.

Alles begann mit Hanna

Die fiktive Biologie-Doktorandin Hanna stammt aus einem Video des Bildungsministeriums und sollte Werbung machen für befristete Anstellungen in der Qualifikationsphase für wissenschaftliches Personal.

Eines der Schlagworte lautet „Fluktuation fördert Innovation“ – eine Aussage, die wie Hohn klingt für jene, die sich im System abarbeiten und am Ende keine Stellen (mehr) erhalten, egal wie innovativ ihre Ansätze waren.

Es kam zu Protesten und einem Shitstorm unter #ichbinhanna. Dieser wurde bald ergänzt um die zusätzliche intersektionale Perspektive von #ichbinreyhan ergänzt. Für die Mediziner*innen gibt es ein eigenes Arbeitsrecht mit horrenden Überstundenregelungen, die vermutlich irgendwann ebenfalls unter einem eigenen Hashtag behandelt werden. Und auch die Theologie hat arbeitsrechtlich einige zusätzliche Weichenstellungen.

Druck auf Angestellte

Nicht nur das deutsche Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), sondern auch die Novelle des Universitätsgesetzes in Österreich (UG Novelle 2021) haben in Umsetzung des sogenannten Verbots der Kettendienstverträge von der EU aus einem Arbeitnehmer*innen-Schutz eine Möglichkeit für Arbeitgeber*innen geschaffen, den Druck auf ihre befristeten Angestellten zu erhöhen und dabei gleichzeitig die Perspektive auf Entfristungen zu nehmen. Diese auf Dauer für beide Seiten und für die Gesellschaft schlechte Lösung wird nun breit diskutiert und es wird mittelfristig neu zu verhandeln sein. Eine Möglichkeit wären etwa entfristete Alternativen zur Professur, die Wahl des Lebensortes und Familiengründung ermöglichen.

Warum Thea?

Dazu werden derzeit unter anderem Studien durchgeführt und Informationen gesammelt. Ganz vorne mit dabei sind die Gründer*innen der Initiative #IchBinHanna, die das allgemeine Problem beschreiben. Warum, so fragt ihr euch vielleicht, braucht es dann mich noch?

Warum schreibt Thea einen Blog darüber, wie es ihr als Theologin in dieser Situation geht?

Die Antwort ist einfach: Als Theologin unterliege ich nicht nur der österreichischen, schweizerischen, deutschen oder europäischen Gesetzgebung, für mich gelten auch noch die Regelungen des Hl. Stuhls, sprich die Bildungskonstitutionen, die Konkordate, die nihil-obstat Regelungen etc. Einige dieser Regelungen bringen gewisse Vorteile, v.a. die allgemeine Sicherstellung der theologischen Fakultäten und ihres Umfangs an Professuren bzw. Lehrstühlen. Doch es gibt auch eine Reihe von zusätzlichen Herausforderungen auf dem Karriereweg: z.B. Priesterquoten, sogenannte „Fragen der Lebensführung“, die Prüfung des sentire cum ecclesia oder allgemeine Vorurteile gegen die Theologie als akademischer Disziplin an staatlichen Universitäten, sowohl von säkularer als auch von kirchlicher Seite.

Was bedeutet es heute Theologin zu sein

Diese Liste ist ein Vorgeschmack auf jene Dinge, von denen ich Euch erzählen will. Es geht mir nicht in erster Linie darum, das System zu ändern. Ich will zunächst einmal das Wissen vermitteln, worum es im Diskurs überhaupt geht und was das für uns im Nachwuchs bedeutet. Ich möchte Empathie fördern und einen Einblick geben, wie unser Alltag sich gestaltet und was marktkonforme Leistungsgesellschaft für eine Geisteswissenschaft bedeutet. Wir werden gemeinsam Gesetzestexte anschauen, konkrete Beispiele und Szenarien durchspielen und – wo möglich – Alternativen zur Diskussion anbieten.

Ein Sprachrohr

Außerdem verstehe ich mich als Sprachrohr. Ich mag zwar eine statistische Person sein, doch die Menschen, die ich repräsentiere, gibt es wirklich.

Wenn ihr da draußen von eurer Geschichte und euren Erfahrungen berichten wollt, so könnt ihr das in diesem Special machen.

Es ist dabei egal ob ihr katholische, evangelische oder orthodoxe Theologie betreibt, ob ihr Judaist*innen, Religionswissenschaftler*innen oder Islamische Theolog*innen seid. Erzählt mir gerne eure Geschichte und ich werde sie nach redaktioneller Prüfung und Net(t)iquette hier veröffentlichen. Ihr könnt sie unter eurem eigenen Namen oder unter meinem verfassen. Dann erzähle ich, Thea, eure Geschichte in anonymisierter Form. Schickt mir dazu einfach eine Mail an redaktion@y-nachten.de. Es spielt dabei keine Rolle, ob ihr mittlerweile entfristet seid, eine Professur erhalten habt, aus der Wissenschaft ausgestiegen seid oder noch zur Gruppe der aktuellen „Theas“ gehört. Es sollen nur echte Erfahrungen sein und für Rückschlüsse auf Personen können weder ich noch die Redaktion haften.

Auch andere erzählen…

Auch wenn Ihr private Rückmeldungen habt, meldet euch gerne unter dieser Mail-Adresse, in den Kommentaren könnt Ihr alle, wie gewohnt, öffentlich Stellung beziehen.

Ich bin nicht die einzige, die über dieses Thema spricht. Auch meine Kolleg*innen von der Jungen AGENDA befassen sich mit dem Problemfeld des wissenschaftlichen Prekariats in der Theologie.

Erst kürzlich las ich ihren Artikel „Ich habe keine Wahl“ (09.05.2022) wo sie von ihrem Projekt „Leerstellen“ erzählen. Dort sammeln sie die Stimmen von Theolog*innen, die den Karriereweg abgebrochen haben und nun ihre Geschichte erzählen. Schaut auch dort unbedingt mal vorbei!

Im Sommer wird es bei mir zunächst mal um ein paar Rahmenbedingungen gehen, die „Heißen Eisen“ folgen dann im Herbst, wenn ihr wieder mehr Zeit zum Lesen habt und diese Infos notfalls schnell nachlesen wollt 😉

Ich freue mich schon auf das Gespräch mit euch und eure Erfahrungen!

Eure Thea

 

Hashtag der Woche: #IchBinThea


Beitragsbild: Siora Photography on Unsplash

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#IchBinThea

ist weiblich, Ende 30, seit kurzem verheiratet und hat (noch) keine Kinder. Ihre Promotion in katholischer Theologie hat sie auf einer Assistenzstelle in Deutschland verfasst. Derzeit arbeitet sie in einem Drittmittel-Projekt in Österreich an ihrer Habilitation. Wie ihre Kolleginnen Hanna und Reyhan ist sie keine reale Person, sondern eine statistische. Unter diesem Profil werden auf y-nachten.de Beiträge und Geschichten zur prekären Lage junger Theolog*innen erscheinen. Wenn auch du von deinen eigenen Erfahrungen berichten möchtest, schreib uns an thea@y-nachten.de

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