Diversity – damit wirbt das TV Format Germanys Next Topmodel seit einigen Jahren. Diversität soll auch in der katholischen Kirche sichtbarer werden. Erst vergangene Woche feierten an einigen Orten Priester Segnungsgottesdienste, die vor allem die Forderungen der Initiative #outinchurch mittragen. Aber macht die Kirche mit diesen Forderungen ernst? Sarah Kopp hat darüber und über das Phänomen Pinkwashing nachgedacht.

Als bekennende Feministin schaue ich paradoxerweise oder gerade deswegen ab und zu Trash-TV. Dazu gehört auch Germany`s next Topmodel (GNTM). GNTM und die Chefjurorin Heidi Klum werben seit ein paar Jahren damit, dass sie in ihre Sendung mehr Vielfalt und Diversität einbringen wollen und vor allem, dass jede Person so sein kann, wie sie ist. Dem Anschein nach klingt dies sehr zuvorkommend, doch es stellt sich die Frage, ob Heidi Klum wirklich Diversität am Herzen liegt oder sie diese nur nutzt, um steigende Quoten zu erreichen und um auf die starke mit der Show verbundene Kritik zu reagieren. Das Stichwort hier lautet „Pinkwashing“. Pinkwashing wird in Bezug auf Institutionen, Unternehmen und Firmen verwendet, die öffentlich ihre Unterstützung für die LGBTQIA+ Bewegung bekunden, doch dahinter meist eine gute PR-Strategie verstecken, die das Unternehmen vor allem moralisch gut darzustellen versucht.1

Un(ter)bezahlte Dragqueens

Ein Fall, der den Vorwurf von Pinkwashing in die Öffentlichkeit brachte, war das GNTM-Finale 2018, bei dem 24 Dragqueens zu mehreren Liedern performten und eine Regenbogenflagge schwenkten.2 Die Meinungen dazu gingen auseinander. Die Frage kam auf, ob dies nur gute Einschaltquoten bringen sollte oder ob das Format die Sichtbarkeit und Normalität von Dragqueens im Fernsehen unterstützen wollte. Die Freiburger Dragqueen Dita Whip bekam damals auch eine Anfrage und sollte zuerst nicht einmal eine Gage für den Auftritt bekommen.3 Letztendlich gab es für die anderen Dragqueens doch eine kleine Aufwandsentschädigung und Dita Whips Teilnahme hatte nicht geklappt.4 Hat das mit Toleranz zu tun, wenn GNTM die jeweiligen Darsteller*innen nicht einmal ordentlich entschädigt, wogegen das Format sich etliche prominente Fotograf*innen und Designer*innen einkauft?

Doch was genau hat die Topmodel-Show mit der römisch-katholischen Kirche zu tun, außer den wagemutigen und für den Rest der Gesellschaft eher verwunderlichen Gewändern, die von den Stars auf dem Catwalk zum Altar präsentiert werden?

Die katholische Kirche wäscht pink

Auch die katholische Kirche ist Betreiberin von Pinkwashing. Etwas anderes als das binäre Geschlechtersystem wird von der römisch-katholischen Kirche nämlich nicht offiziell anerkannt. Gleichgeschlechtliche Ehen im Zivilrecht werden abgelehnt, kirchlich zu heiraten ist für homosexuelle Paare nicht möglich. Homosexuellen ist aus Sicht des kirchlichen Lehramts mit „Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“ (KKK 2358). Hier fällt – abgesehen von der ungeeigneten Formulierung – auf, dass der Fokus meist nur auf homosexuelle Menschen gerichtet ist, andere Bereiche des queeren Spektrums werden häufig darunter subsumiert bzw. mitgemeint, für den Fall, dass sie überhaupt gesehen werden wollen.

Ein Licht am Ende des Tunnels

Ende Januar 2022 zeichnete sich ein Hoffnungsschimmer ab: Die Initiative #OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst. Hierbei outeten sich 125 Mitglieder der römisch-katholischen Kirche, die bei letzterer in einem Arbeitsverhältnis stehen, ein solches in Erwägung ziehen oder sich ehrenamtlich engagieren. Die äußerst mutigen Menschen dieser Initiative verweisen auf die Diskriminierung, die sie in ihrer Kirche wahrnehmen und erfahren. Sie fordern „eine Korrektur menschenfeindlicher lehramtlicher Aussagen“5 und dass die Kirche Verantwortung übernimmt in Anbetracht der Menschenrechtsverletzungen von LGBTQIA+ Personen. Eine zentrale Forderung in ihrem Manifest ist die „Änderung des diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrechts einschließlich aller herabwürdigenden und ausgrenzenden Formulierungen in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes“6. Viele müssen ihre sexuelle Orientierung und/ oder geschlechtliche Identität und ihre persönlichen Partnerschaften verstecken, da das Bekennen derselben kirchenrechtlich einen Loyalitätsverstoß darstellt und somit arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung folgen können. Viele Mitarbeiter*innen leben in einem unvorstellbaren Spannungsverhältnis und in Angst und Sorge um ihren Job. Umso mutiger ist das öffentliche Outing. Es muss eine Kultur geschaffen werden, die Diversität zulässt und LGBTQIA+ Personen wertschätzt in ihrem Beruf und ihrer Berufung, sodass diese angstfrei und offen in der Kirche leben können.

Der Druck zu Stellungnahmen

Das öffentliche Outing hat sich so sehr in den Medien und auch in der öffentlichen Wahrnehmung verbreitet, sodass auch die katholische Kirche, die wegen früherer queer-feindlicher Äußerungen und ihrem Umgang in Bezug auf sexualisierte Gewalt ohnehin schon stark in medialer und gesellschaftlicher Kritik stand, zu einer öffentlichen Stellungnahme quasi gezwungen war. Die Stellungnahmen verschiedener Bistümer zeugen jedoch lebhaft von dem bereits angesprochenem Phänomen Pinkwashing. Die Mehrheit der Stellungnahmen versprach, dass es für Personen für ihr Outing und für ihre öffentlichen gleichgeschlechtlichen Beziehungen keine arbeitsrechtlichen Folgen geben wird. Außerdem ist sehr auffällig, dass die Bistümer nur homosexuellen Mitarbeiter*innen ihre Zusprache gaben. Die Rede von trans*, nicht-binären und inter*7 Personen findet sich in den Verlautbarungen kaum8.

Zuspruch und Zögern

Während Generalvikare, Bischöfe und Bistümer zuerst eher eine zurückhaltende Positionierung abgaben, haben sich beispielsweise kirchliche Mitarbeiter*innen der Erzdiözese Freiburg mit ihrer Initiative KatholischOhneAngst mit #OutInchurch solidarisiert und dazu 2.827 Unterstützer*innen gefunden.9 Auch anlässlich der Frühjahrsvollversammlung am 09.03.22 der deutschen katholischen Bischöfe konnten 117.650 Unterschriften der Petition von #OutInchurch an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz übergeben werden. Viele Bistümer zeigen sich nach erstem großem Zögern nun dennoch vorwiegend reformfreudig. Beispielweise spricht sich das Bistum Würzburg mit Bischof Franz Jung in seiner Selbstverpflichtung klar für eine Reform der Grundordnung aus, sodass „Entscheidungen für eine gesetzlich geregelte oder nicht verbotene Partnerschaftsform nicht mehr als Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten gefasst werden und entsprechend eine Einstellung in den kirchlichen Dienst nicht mehr verhindern beziehungsweise eine Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht mehr herbeiführen“10. In einigen Bistümern wie etwa Regensburg, Passau und Eichstätt gibt es aber keine formelle Selbstverpflichtung, die Bistümer reagieren vorsichtig und treffen keine klaren Aussagen.11

To-do für die katholische Kirche

Auf Dauer wird sich die römisch-katholische Kirche solchen Themen nicht entziehen können. Diese vagen Aussagen von der katholischen Kirche zu den Debatten über (vor allem) queere Themen sind mehr als unglaubwürdig und zeugen nicht von einem ernsthaften Interesse an der Lebensrealität ihrer Mitglieder. Zu dieser muss sich einerseits die katholische Kirche, wenn ihr wirklich etwas an ihren Mitgliedern liegt, aktiv bekennen und daraus strukturelle und rechtliche Konsequenzen ziehen und andererseits grundlegend ihre Theologie gegenüber queeren Menschen überdenken.  Erst dann kann sie wieder glaubhaft die Botschaft Jesu Christi verkünden, der, anstatt Menschen auszuschließen, die besonders Benachteiligten und Ausgeschlossenen inkludierte und als Personen wahrnahm.

Pinkwashing wäre es nämlich nicht, …

… wenn trans*, nicht-binäre und inter* Menschen kirchlich inkludiert und ihre Existenz davor erstmal anerkannt und ernstgenommen werden würden.

… wenn die zivilrechtliche Ehe gleichgeschlechtlicher, nicht-binärer Paare kirchlich anerkannt und kirchliche Segnungen bzw. Ehen eingeführt werden würden.

… wenn die arbeitsrechtlichen Grundlagen kirchlich geändert werden würden und keine*r mehr Angst haben müsste aufgrund sexueller Identität und Orientierung gekündigt zu werden.

… wenn das binäre Geschlechtersystem der Kirche der Vergangenheit angehören würde.

… wenn queere Menschen nicht nur toleriert, sondern willkommen geheißen und wirklich so angenommen werden würden, wie sie sind – ohne Wenn und Aber.

… wenn auf Worten und Lippenbekenntnisse Taten folgen und das kirchliche Arbeitsrecht geändert wird und dies rechtsverbindlich eintritt.

Hashtag der Woche: #pinkwashing


(Beitragsbild: @isiparente)

1 Vgl. https://www.bedeutungonline.de/was-ist-pinkwashing-bedeutung-definition-erklaerung/ (Abruf: 14.03.22).

2 Vgl. https://taz.de/Drag-Queens-beim-Topmodel-Finale/!5509694/ (Abruf: 14.03.22).

3 Vgl. https://fudder.de/meine-meinung-der-drag-auftritt-beim-gntm-finale-war-total-heuchlerisch–152975666.html (Abruf: 14.03.22).

4 Vgl. ebd.

5 https://outinchurch.de/manifest/ (Abruf: 16.03.22).

6 Ebd.

7 Menschen, die trans* sind, identifizieren sich nur teilweise oder gar nicht mit dem Geschlecht, welches bei der Geburt eingetragen worden ist. Nicht-binäre Personen identifizieren sich nicht (ausschließlich) als weiblich oder männlich, in diesem Spektrum sind die verschiedenen Geschlechtsidentitäten sehr vielfältig. Menschen, die nicht den gängigen gesellschaftlichen und medizinischen „Norm“ mit ihren körperlich angeborenen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmen, werden als inter* bezeichnet.

8 Außer einer erfreulichen Ausnahme bei Theo Schenkel: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/artikel-transmann-aus-waldshut-darf-katholischer-religionslehrer-werden-100.html (Abruf:11.05.22).

9 Weitere Infos unter https://katholischohneangst.de/. (Abruf: 15.03.22).

10 https://www.katholisch.de/artikel/33359-grundordnung-im-ausnahmezustand-flickenteppich-kirchliches-arbeitsrecht (Abruf: 16.03.22).

11 Vgl.  https://www.katholisch.de/artikel/33359-grundordnung-im-ausnahmezustand-flickenteppich-kirchliches-arbeitsrecht (Abruf: 16.03.22).

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sarah kopp

Sarah Kopp studiert katholische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und engagiert sich bei Studierendenvertretung "Gib mir 5" in Freiburg, die sich für ein "Mehr" an Kooperation innerhalb der Ausbildungen der Berufe der Kirche einsetzen und sich vernetzen wollen.

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