Wir haben Karl Rahner SJ bereits zu allerlei Themen Fragen gestellt. Heute geht’s um ‚All you need is love‘, denn Rahner spricht Karltext zum Valentinstag.

y-nachten.de: Harry Potter gegen Voldemort hat gezeigt: Am Ende gewinnt die Liebe! Stimmt das?

Karl Rahner SJ: Jesus Christus ist die Tatsache, die offenbar macht, daß die Selbstmitteilung Gottes als die Wahrheit endgültiger Liebe in der Welt gegeben ist, daß Gottes liebende Wahrheit und wahre Liebe nicht nur dem Menschen und seiner Geschichte angeboten wird, sondern in dieser Geschichte auch wirklich siegt und durch das Nein der Menschen nicht mehr ausgemerzt werden kann.

y-nachten.de: Und wie würden Sie Liebe definieren?

Karl Rahner SJ: Wenn ein Tiroler Bauernbub sein Mädel liebt, dann kann ich ihm vielleicht einen existentialphilosophischen Vortrag über Liebe halten, von dem er schlechterdings nichts ‚kapiert‘. Nichtsdestoweniger hat er die Erfahrung der Liebe, über die ich rede, gemacht, und sogar vielleicht viel tiefer, radikaler, ehrlicher, sauberer und viel unegoistischer als ich, der darüber à la Max Scheler gescheit reden kann.

y-nachten.de: „Gott ist nur Liebe“, so heißt es in einem Taizé-Gassenhauer. Wodurch zeichnet diese Liebe sich denn aus?

Karl Rahner SJ: Der Mensch selbst gründet im Abgrund, den keine Formel mehr auslotet. Man kann den Mut haben, diesen Abgrund zu erfahren als das heilige Geheimnis der Liebe. Dann mag man es Gott nennen.

 

y-nachten.de: All you need is love – welche Bedeutung hat aus Sicht der Theologie die Liebe zwischen Menschen?

Karl Rahner SJ: Der Akt personaler Liebe zum menschlichen Du ist der umfassende, allem anderen Sinn, Richtung und Maß gebende Grundakt des Menschen. Die Christen haben immer, grundsätzlich wenigstens gewußt, daß sie ihr hoffendes und liebendes Verhältnis zum unbegreiflichen Mysterium ihres Lebens, das sie Gott nennen, nur wissen, nur realisieren und als glaubwürdig erweisen können in der unbedingten Liebe zum Nächsten.

y-nachten.de: Für die katholische Kirche gleicht keine Partnerschaft der Ehe. Wie steht es Ihrer Meinung nach mit anderen Beziehungen, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen?

Karl Rahner SJ: Wo die bruchstückhafte Liebe als Verheißung von Liebe schlechthin erlebt und angenommen wird, da ist Gott und seine befreiende Gnade.

 

y-nachten.de: Vonseiten der Kirche und vonseiten der Gesellschaft besteht offensichtlich ein hoher Druck, verpartnert zu sein – auch das zeigt der Hype um den Valentinstag. Wie lautet Ihre Botschaft an Menschen, die – egal ob freiwillig oder unfreiwillig – alleinstehend sind?

Karl Rahner SJ: Da fragen Sie mich jetzt mehr, als ich weiß. Ich persönlich bin mit meinem Zölibat, der übrigens niemanden etwas angeht, durchaus zufrieden. Neulich habe ich sehr gelacht, als ein ehemaliger Schüler und heutiger Theologe zu mir sagte: „Ich habe dreißig Jahre lang den Zölibat beobachtet, jetzt genieße ich ihn.“

y-nachten.de: Die romantischen Assoziationen zum Fest des Heiligen Valentin sind im Lauf der Geschichte recht unabhängig von der Heiligenvita gewachsen. Welche Bedeutungen haben denn die Heiligen für Sie?

Karl Rahner SJ: Was uns eigentlich in unserem Leben begeistert, wird uns doch am besten an produktiven Vorbildern klar. Wenn wir das sehen und von da aus sagen, solche produktiven Vorbilder gibt es selbstverständlich auch hinsichtlich des eigenen christlichen Lebens, des Glaubens an Jesus Christus, des Vollzugs einer Unmittelbarkeit zu dem unsagbaren Geheimnis des lebendigen Gottes usw., dann haben wir eigentlich das, was man mit „Heilige“ meint, insofern sie als produktive Vorbilder unseres eigenen christlichen Lebens gelten.

y-nachten.de: Der Papst hat jüngst Paare, die keine Kinder haben wollen, als „egoistisch“ bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Karl Rahner SJ: Als mein Bruder Rudolf drei Jahre nach mir geboren wurde, zeigte ihn mir mein Vater in der Wiege. „Papa, behalten wir den?“ fragte ich zögernd. Der Mensch ist immer ein Egoist, der an sich denkt.

 

y-nachten.de: Auf der Suche nach dem Liebesglück sind Tinder, Bumble und Co gerade recht angesagt. Haben Sie noch einen weiteren Tipp?

Karl Rahner SJ: Es gibt in jüngeren Jahren einen Enthusiasmus gefühlsmäßiger Art; wenn man alt wird, breitet sich eine andere Atmosphäre der Erfahrung aus.

 

y-nachten.de: Herr Rahner, in diesem Sinne: Herzlichen Dank für das Gespräch und schönen Valentinstag!

Hashtag: #Karltext


Alle Antworten stammen aus den Schriften Karl Rahners und wurden für das Interview von @karlrahner_sj kreativ neu angeordnet und dazu z.T. redaktionell bearbeitet.

(Beitragsbild: Nick Fewings on Unsplash )

prof. dr. karl rahner

war Professor für systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Dogmatik und Dogmengeschichte in Innsbruck, München und Münster. Er nahm am Zweiten Vatikanum und an der Würzburger Synode teil. Im Jahr 2018 erschien der letzte Band seiner Gesammelten Werke.

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