Der Pride month Juni ist zwar schon vorbei, doch y-nachten.de widmet sich natürlich auch weiterhin diesem Thema. Magdalena Pittracher berichtet von den gemachten Erfahrungen der Aktionstage Kreuz und Queer* an der Uni Innsbruck.

Innsbruck, Mitte Februar 2021 – irgendwann zwischen Tiroler Lockdown, Prüfungen, Tagungen und Semesterstart – hörte ich folgenden Satz aus meinem Mund: „Hey, wäre doch cool, wenn wir im PRIDE month eine Regenbogenfahne an der Fakultät aufhängen dürften!“ Zum Glück hörten diesen Satz noch andere Menschen außer mir und der Gedankensame fiel auf sprichwörtlich fruchtbaren Boden. Natürlich konnten wir nicht einfach wortlos und kommentarlos eine Regenbogenfahne an die Theologische Fakultät hängen – eine traurige, aber wahre Erkenntnis. Doch irgendwo zwischen „das sollte doch normal sein“ und „darüber müssen wir reden“ wollten wir eine Aktion ansiedeln.

Der Gedankensame wuchs weiter und wurde zu einer regenbogenbunten Pflanze. Ebenso wuchs die Gruppe um die Aktion zu einem Team. Viele Infomails gingen an Dekanat, Jesuiten, Priesterseminar, Bischofshaus … Kooperationseinladungen an DAHOP (Diözesaner Arbeitskreis Homosexuellenpastoral der Diözese Innsbruck), HOSI-Tirol (Homosexuelle Initiative) und B3 (Ausbildungszentrum Diözese Innsbruck).

Krach, Bums und ‚So nicht!‘

Und dann: Mit viel „Krach und Bums“ (beim Lesen bitte Comic-like die Geräusche nachahmen) stellte die Glaubenskongregation der Katholischen Kirche Anfang März fest, dass die Segnung homosexueller Paare nicht möglich sei. Was als simple Feststellung gedacht war, zog überraschend viel Gegenwind und Solidaritätsbekundungen nach sich. Das oft genannte und trotzdem meist recht diffus wirkende Kirchenvolk stand auf und sagte: „So nicht!“ Auch ich wollte gemeinsam mit meinen Studienkolleg*innen die Stimme erheben. Dass die Meinungen innerhalb der Studierendengemeinschaft zu diesem Thema auseinandergehen war zwar klar, aber die durch das Segnungsverbot in der studierendeninternen Whats-App-Gruppe angezettelte Diskussion war dann doch überraschend kontrovers. Nach dieser Chat-Diskussion war uns in der Vorbereitungsgruppe klar, dass wir dranbleiben müssen und dass es nötig sein wird, offene Gesprächsräume für alle zu schaffen.

Ein Regenbogen aus Multifunktionsjacken

Davor musste allerdings noch ein Foto her. Einerseits für’s Stimme erheben und als Teilnahme an der hashtag-Aktion #SegenFürAlle, andererseits auch einfach, um mit der social-media Arbeit und der Werbung für die Aktionstage zu starten. Eine viel verwendete und effektive Idee war es, mit Straßenmalkreiden am Kirchplatz einen Regenbogen und die dazugehörige Message zu malen. Das gestaltete sich im just an diesem Tag relativ verschneiten und verregneten Tirol aber etwas schwierig. Also sind wir mit dem ausgerückt, was Tirol-Mensch halt so im Kleiderkasten hat: möglichst farbenfrohe Winter-/Regen- und Sportjacken. Die Fotosession machte Spaß, stärkte den Teamgeist und erhielt Aufmerksamkeit innerhalb der Fakultät und darüber hinaus. Die Fakultätsvertretung äußerte sich damit sehr rasch auf Facebook mit der einfachen wie klaren Message #loveisnosin und #SegenFürAlle – und kurz darauf stellte sich auch unser Dekanat medial hinter uns.

„Wer nur schwarz-weiß denkt, übersieht den Regenbogen“

Neben den positiven Äußerungen gab es natürlich auch die Stimmen, denen das alles zu bunt wurde. „Das war doch schon immer so!“ funktioniert auch in diesem Fall als ganz guter Konter aus konservativen Kreisen. Wie begegnet man*frau so einer Aussage? Welches Argument überzeugt das Gegenüber letztendlich? Für uns war klar: Wir wollen keine wissenschaftliche Debatte darüber führen, ob homosexuelle und bisexuelle Menschen beziehungsfähig und ihre Beziehungen segenswürdig sind. Ob trans- und intergeschlechtliche Menschen von Gott geliebt und gewollt sind. Für unsere Arbeitsgruppe (mittlerweile ganz stolz als AG Kreuz und Queer* tituliert) stand fest: „Wer nur schwarz-weiß denkt, übersieht den Regenbogen.“ Wir wollten also Buntheit in unser Programm, in unsere Kirche und an unsere Fakultät bringen. Die Regenbogenfarben in Verbindung mit Kirche lösen nämlich ganz schön viele Emotionen aus – positive wie negative. Einige Menschen in der Kirche empfinden sofort inneren Widerstand, wenn sie eine Regenbogenfahne an einem Kirchturm sehen. Diese Ablehnung haben wir auch unter Theologiestudierenden erfahren (sehr vereinzelt, aber trotzdem). Doch dabei wollten wir nicht stehen bleiben, sondern ohne Angst vor einer zu lange dauernden oder zu komplizierten Diskussion losstarten.

Sprachfähig werden mit Online Workshops

Zum Losstarten braucht es Handwerkszeug. Acht Referent*innen stellten in vier Online-Workshops ihr Wissen zur Verfügung: Von „Geschlechtlicher Identitätsbildung von Jugendlichen an Schulen“ bis „Christentum und Queer-Movement“, von Bibel und Katechismus bis Trans- und Intergeschlechtlichkeit im Pfarrkontext – das alles und noch mehr wurde in den Workshops angesprochen und diskutiert.1 Durch die Online-Variante konnten auch Menschen von außerhalb teilnehmen, doch die meisten Teilnehmenden waren Studierende unserer Fakultät. Die Bibel, den Katechismus, die liturgischen, pastoraltheologischen und religionspädagogischen Überlegungen während des Studiums mit Blick auf LGBTIQ*-Personen zu prüfen – das kommt in unserem Curriculum nicht vor. Wir haben uns selbst die passenden Dozent*innen und Themenschwerpunkte gesucht, um uns fortzubilden und in Zukunft „Kirche im Hier und Jetzt“ gestalten zu können. Außerdem gab es ein Podiumsgespräch, in dem wir Menschen in den Vordergrund stellten. Ihre Geschichten wollten wir hören, von ihnen lernen und mit ihnen sprechen – und keine Diskussion über „die Anderen“ führen.2 Ob die Chat-Diskussion von Mitte März heute anders ablaufen würde? Ich weiß es nicht. Allerdings hätten mehr von den Studierenden das nötige Wissen und die Sprachfähigkeit, um mitzudiskutieren.

Regenbogenfahne und Kirche

Das meiner Meinung nach Wichtigste passierte zwischen den Online-Workshops: Die live Begegnungszone am Karl-Rahner-Platz direkt vor der Jesuitenkirche und unserer Fakultät war durch die großen Regenbogenfahnen (danke HOSI-Tirol) ein echter Hingucker. Hier wurden die Fragen gestellt, die sich jemand online nicht getraut hatte zu stellen oder die sich eine Vorbeigehende gedacht hat oder die dem Bauarbeiter bei einem Kaffee zwischendurch so einfielen.

„Ihr wisst schon, dass ihr vor einer Kirche steht, oder?“, hat mich eine Passantin gefragt und ich konnte fast schon stolz sagen: „Ja, die gehört zu uns.“ Die Regenbogenfahne vor Kirchen und an Kirchtürmen ist in diesem PRIDE month keine Seltenheit gewesen. Das kann sich aber nicht der Vatikan mit seinem Segnungsverbot auf die Fahnen schreiben, sondern engagierte Christ*innen von der Basis. Und hier vor allem die jungen Menschen, die es in unserer Kirche tatsächlich noch gibt und die keinen Graben zwischen der eigenen Lebenswelt und ihrem Glauben sehen – aber zwischen ihrem Leben und dem Lehramt. Und wenn das Lehramt dem sensus fidelium auch mal richtig zuhören würde, dann wäre dieser Graben vermutlich um einiges schmaler und auch am Vatikan hinge wohl eine Regenbogenfahne.

Hashtag der Woche: #kreuzundqueer


1 Für Interessierte: Hier das ganze Programm der Aktionstage.

2 Hier der kathpress-Rückblick auf das Podiumsgespräch.


Beitragsbild: Magdalena Pittracher

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magdalena collinet (sie/ihr)

hat das Studium Lehramt für Volksschulen in Stams und der Katholischen Religionspädagogik in Wien und Innsbruck abgeschlossen. Derzeit studiert sie im PhD-Programm Katholische Theologie in Innsbruck. Die für sie wichtigsten Themen der Kirche und im Studium sind: Geschlechtergerechtigkeit und authentischer Glaube.

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