Viele machen es, nicht alle können es, nur wenige dürfen es: Die Rede ist vom Predigen. Zahlreicher theologischer und pragmatischer Gründe zum Trotz ist Lai*innen der Predigtdienst in Form der Homilie in der Eucharistiefeier untersagt. In ihrem Sammelband „Laienpredigt – Neue pastorale Chancen“ bündeln Christian Bauer und Wilhelm Rees interdisziplinäre Zugänge, die sich dem Buchtitel widmen. Christoph Naglmeier gibt mit seinem Beitrag einen Überblick über das Werk und macht zwei Grundlinien ausfindig.

Im Vorwort beginnen die beiden Herausgeber mit der Einsicht, dass Laien regelmäßig und weltweit in der Form der Homilie, also einer Predigt in der Eucharistiefeier, predigen. Allerdings befinden sich die Predigenden „in einer kirchlichen Grauzone. Denn einerseits ist der pastorale Notstand offenkundig, andererseits aber auch das rechtliche Verbot“ (7). Damit geben Bauer und Rees einen Problemaufriss zur Hand, der – wie der Untertitel andeutet – „neue pastorale Chancen“ formuliert.

Das Thema der Lai*innenpredigt wird von insgesamt elf Autor*innen aus den Perspektiven der Biblischen Exegese (vgl. 10-71), der Kirchengeschichte (vgl. 72-111), der Dogmatik und Fundamentaltheologie (vgl. 112-177), der Pastoraltheologie und Homiletik (178-265) sowie des Kirchenrechts (vgl. 266-340) bearbeitet.

Was hat die Fülle der theologischen Fächer zur Lai*innenpredigt zu sagen?

Egbert Ballhorn macht mit dem literaturwissenschaftlichen Impuls der Unabschließbarkeit der Textrezeption deutlich, dass jede Rezeption ein kreativer Akt ist, durch den die Sinndimension immer neu hervorgebracht wird (vgl. 12). Das korreliert mit der „Keimzelle des biblischen Schriftverständnisses“ (10), wonach es aus bibeltheologischer Sicht keinen Grund gibt, „von vornherein bestimmte Personengruppen der Kirche aus der Predigtmöglichkeit auszuschließen“ (25). Aus neutestamentlicher Perspektive kommt Hildegard Scherer zu dem Befund, dass die Heilige Schrift eine deutlich größere Flexibilität von Rollen innerhalb der Gemeinde bezeugt als es die heutige Dichotomie von Klerus und Lai*innen abbildet (vgl. 64).

Joachim Werz wirft aus historischer Perspektive einen Blick auf den Laien Bartholomäus Wagner (1560-1629), der über 7.500 gedruckte Seiten an Predigten publizierte, aber „seine Predigten mit hoher Wahrscheinlichkeit nie in einem Predigtgottesdienst hielt. (79)“ Mit seinem Wirken stellt er ein Paradebeispiel für die Medien der gedruckten Postillen- und Einzelpredigten dar, die zur Professionalisierung und Habitualisierung des Klerus im frühneuzeitlichen Katholizismus dar (vgl. 80). Im Anschluss fragt Stephan Knops nach der Historie in der BRD seit dem Zweiten Vatikanum, die von deutscher Progressivität und römischer Regressivität geprägt war und prognostiziert, dass „kurz- bis mittelfristig auch heute wohl kein anderer Weg gangbar ist, als sich wieder einmal in Rom um eine Ausnahmeregelung zu bemühen“ (108), allerdings mit wenig Aussichten auf Erfolg. Julia Knop differenziert eine ordinationslogische und partizipationslogische Ekklesiologie, wobei zweitere in den Texten des Zweiten Vatikanums vorzufinden ist und das Begründungsverhältnis umdreht: Damit ist der Vorbehalt und nicht die Zulassung von Lai*innen zur Predigt begründungspflichtig.

Aus inkarnationstheologischer Perspektive kritisiert Hildegund Keul den doppelten Ausschluss der Frauen (von Priesteramt und Predigt) und den klerikalen Diskursrückzug auf ein Feld der vermeintlichen Wahrheit. Dem stellt sie die Handlungsalternative der riskanten Menschwerdung Gottes gegenüber, wonach Inkarnation bedeutet, „den Weg mitten in die menschliche Vulnerabilität hineinzugehen“ (149). Benedikt Kranemann betont, dass die Partizipationstheologie des Zweiten Vatikanums eine breite Vielfalt auch in der Verkündigung erfordert. Liturgietheologisch wäre es für ihn „wünschenswert, dass Laien zukünftig auch in der Eucharistiefeier predigen können“ (175). Bei Erich Garhammer rückt Augustinus in den Mittelpunkt, den er den Patron der Lai*innenprediger*innen nennt: Schließlich habe dieser „seine Priesterweihe in erster Linie seinem rhetorischen Talent zu verdanken“ (178). Damals war den Bischöfen die Homilie vorbehalten, dennoch wurde man auf Augustinus aufgrund seiner Predigerkompetenz aufmerksam.

In seinen beiden Beiträgen begibt sich Christian Bauer auf die Suche nach einer ekklesiologischen Konzeptualisierung und der Genealogie eines notwendigen Paradigmenwechsels. Im ersten Schritt befürwortet er auf Basis der Dreiämterlehre eine vielfältigere kirchliche Ämterstruktur, indem die „dogmatische Grundmatrix des Priester-, Königs- und Prophetenamtes mit den pastoralen Grundvollzügen von Liturgia, Diakonia und Martyria konzeptuell weiterführend“ verbunden wird (207). Im zweiten Schritt identifiziert er Predigt als zentralen pastoralen Sprechakt, der „einerseits ad extra auf eine Evangelisierung der Kultur […], andererseits aber auch ad intra auf eine Inkulturation des Evangeliums“ zielt. Dort hätten die „theologisch versierten und pastoral weltgewandten“ Lai*innen einen spezifischen, homiletischen Auftrag (262).

Aus kirchenrechtlicher Perspektive argumentiert Heribert Hallermann dafür, „die Voraussetzungen für die Erteilung einer Predigtbefugnis wieder stärker in den Blick“ zu nehmen, da damit den „den Ortsordinarien ein wirksames Instrument zur Qualitätssicherung der Predigt zur Verfügung“ stehen könnte (297). Fachkollege Wilhelm Rees betont bezüglich der kirchenrechtlichen Verankerung, dass es sich um einen veränderbaren Homilie-Vorbehalt und nicht um ein unveränderbares Verbot handelt (vgl. 339).

Bei der Lektüre der Beiträge, die akribisch theologische Legitimität und Notwendigkeit der Lai*innenpredigt argumentativ herausarbeiten, fallen zwei Grundlinien auf, die den großen Bogen des Sammelbandes spannen und im Folgenden nachgezeichnet werden sollen.

Grenzziehung zum Schutz des Priesteramts

Obwohl die theologische Argumentations- und Sachlage für die Lai*innenpredigt spricht, wird lehramtlich am Homilieprivileg festgehalten. Für Hildegard Scherer liegt die Vermutung nahe, dass dieses Privileg aufrechterhalten wird, um „die Attraktivität des priesterlichen Weges zu schützen“ (69). Das wäre in ihren Augen fatal, denn „[k]ann der Amtsträger seinem Dienst für die Gemeinde und seiner Berufung nicht genug ‚Attraktivität‘ abgewinnen, so wäre dessen Motivation gründlich zu überprüfen.“ (69-70) Genau jene Motivation lässt die römische Antwort auf einen Beschluss der deutschen Bischöfe, bei dem sie die Beauftragung der Laien für die Predigt in außerordentlichen Fällen innerhalb der Eucharistiefeier fordern, jedoch vermuten. Stephan Knops zitiert das Schreiben der Kleruskongregation aus dem Jahr 1973, das im Fall der Laienpredigt die Gefahr sieht, dass „der wesentliche Unterschied zwischen dem Amtspriestertum der Presbyter und dem gemeinsamen Priestertum der Gläubigen verdunkelt würde“ (101). Diese Antwort spiegelt sich auch in der sog. „Laieninstruktion“ aus dem Jahr 1997 wider.

In seinem Beitrag hebt Stephan Knops diese Instruktion deshalb hervor, „weil sie relativ unverhohlen sinngemäß davon ausgeht, wichtiger als die Frage, was in der Predigt gesagt werde, sei die Frage, von wem (!) es gesagt werde. Es geht also um den Vorrang derjenigen, die die Weihe empfangen haben, ungeachtet derjenigen Kompetenzen und Charismen, über die Laien womöglich im Bereich der Predigt verfügen.“ (107)

Zuständigkeits- und Fähigkeitskompetenz

Daran anschließend stellt sich die Frage der Unterscheidung von Zuständigkeits- und Fähigkeitskompetenz, die Christian Bauer von Herrmann Stenger aufgreift, „idealtypisch verdichtet in der Pastoralreferentin, die zwar predigen kann, aber nicht darf, und in dem Pfarrer, der zwar predigen darf, aber nicht kann“ (230). Dass die römische Theologie die Fähigkeits- der Zuständigkeitskompetenz unterordnet, beschreibt auch Benedikt Kranemann:

Es gehe nicht um die Kunst der Darbietung oder um theologisches Wissen, „sondern um eine Aufgabe, die für denjenigen reserviert sei, der das Weihesakrament empfangen habe“ (161).

Kranemann verweist dabei auf die Angst vor dem Übersehen des Priesteramts, die in der bereits erwähnten Instruktion von 1997 offensichtlich vorherrscht: „[I]n der Sakramentenpredigt sollten die Katecheten ‚auf die Rolle und Gestalt des Priesters als alleinigen Ausspender der göttlichen Geheimnisse‘ hinweisen.“ (161) Kranemann fragt an:

„Geht es um die gute, geistig und spirituell bereichernde Predigt oder um eine Sicherung von Standesunterschieden in der Kirche?“ (161)

Wer es kann, der*die sollte es dürfen

Die Lektüre dieses Sammelbandes bietet die Möglichkeit, die aus Schrift und Tradition erwachsenen Gründe für die Predigt von Lai*innen aus der Perspektive zahlreicher theologischer Disziplinen nachzuvollziehen. Damit ist begründeterweise vertretbar, dass aus theologischer Perspektive viel für die Lai*innenpredigt spricht.

Am stärksten wiegt die Frage nach dem Verhältnis von Zuständigkeits- und Fähigkeitskompetenz hinsichtlich der Zielperspektive, die Predigt als qualitativ hochwertige Verkündigungsform zu stärken. Was wäre, wenn die Fähigkeitskompetenz als leitendes Kriterium die Voraussetzung für die Zuständigkeitskompetenz bilden würde?

Dann könnte die Kirche hervorragend ausgebildete Prediger*innen gewinnen, die das Wort Gottes in der Welt deutlicher hörbar machen.

Hashtag: #preachingpeople


(Beitragsbild: @arthurmiranda)

 

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christoph naglmeier-rembeck (er/ihm)

studierte von 2015 bis 2020 Katholische Theologie und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Professur für Pastoraltheologie und Homiletik in Regensburg. Er ist Teil der Redaktion von y-nachten.de.

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