Die Regionenkonferenzen des Synodalen Weges liegen bereits einige Wochen zurück. Viola Kohlberger berichtet vom anhaltenden Unbehagen, mit dem sie die Konferenz in München verlassen hat.

Die Regionenkonferenzen des Synodalen Weges, die Anfang September in Ludwigshafen, Frankfurt, Dortmund, Berlin und München stattgefunden haben, liegen inzwischen ein Vierteljahr zurück. Als Zwischenschritt und Verbindung der beiden Synodalversammlungen im Januar/Februar 2020 und Februar 2021 gedacht, ist nun klar, dass es vermutlich bis zum Herbst 2021 dauern wird, bis wir als Synodalversammlung wieder zusammenkommen. Stattdessen wird es im kommenden Frühjahr digitale Alternativen geben, deren Format vermutlich auch dem Präsidium noch nicht bekannt ist.

Regionenkonferenz in München

Ich durfte als eine der 15 Jugendvertreter*innen an der Regionenkonferenz in München teilnehmen. Während ich Anfang 2020 in Frankfurt mit einem überaus positiven Gefühl von der ersten Synodalversammlung nach Hause gefahren war, kann ich das für die Regionenkonferenz nicht behaupten. Ich war zwar einerseits erleichtert, als der 4. September vorbei war, denn ihm hatte in den Tagen und Wochen davor der Großteil meiner Gedanken und meiner Energie gegolten. Anderseits blieb neben der Euphorie, dass es wesentlich besser lief als erwartet, ein schaler Beigeschmack. Inzwischen kann ich den Grund dafür benennen. Was war auf der Regionenkonferenz passiert?

In der Vorbereitung auf den Konferenztag hatte ich von mehreren Seiten ein mitleidiges „Oh du Arme“ auf den Weg mitbekommen, wenn ich von München als Veranstaltungsort sprach. Diese Äußerungen hatten nichts mit der Stadt an sich zu tun, aber viel mit den Vertreter*innen der Diözesen, die sich dort zum synodalen Zwischenschritt treffen sollten: Synodale der (Erz-)Bistümer Augsburg, Bamberg, Eichstätt, München und Freising, Passau und Regensburg. Wer sich in der deutschen Bistumslandschaft ein bisschen auskennt, weiß, dass aus diesen Diözesen nicht die größten Befürworter*innen des Synodalen Weges oder einer sich öffnenden Kirche kommen; im Gegenteil eher die Bewahrer*innen einer kirchenhistorisch gesehen relativ jungen und verengten Traditionslinie der katholischen Kirche.

Nicht nur ich erwartete mir auf dieser Regionenkonferenz die größten Auseinandersetzungen und Streitigkeiten im Vergleich zu den Konferenzen an den anderen vier Tagungsorten. Diese Erwartungen bestätigten sich. Besprochen wurden auf den Regionenkonferenzen die Herausforderungen der Corona-Pandemie für den Synodalen Weg sowie die ersten Entwürfe der Arbeitstexte der Foren „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ (kurz: Sexualmoral) und „Frauen* in Diensten und Ämtern in der Kirche“. Diese Themen besitzen an sich sehr viel Sprengkraft, aber die Arbeitstexte waren meiner Meinung nach in ihrer Ausformulierung sehr auf Konsens bedacht; zu einer großen Detonation kam es nicht. Niemand rastete aus oder schrie, niemand stürmte wütend aus dem Raum.

Seitenhiebe und strukturelle Diskriminierung

Stattdessen: Viele kleine Seitenhiebe, die vielleicht gar nicht alle mit dieser Intention ausgesprochen wurden. Darunter zähle ich Randbemerkungen und gezielte Aussagen, die persönlich beleidigend und/oder diskriminierend waren und das Gegenüber und seine Erfahrungen und Gefühle offensichtlich nicht ernstnahmen. Verstärkt wurden die Seitenhiebe durch den Eindruck, dass sie meist als Beispiele dafür genannt wurden, im Widerspruch zur „katholischen Lehre“, also im Widerspruch zu den Inhalten des eng ausgelegten Katechismus zu stehen. Die Verletzungen, die solche Äußerungen hervorgerufen haben, konnte ich zum Teil erst im Nachgang zur Versammlung identifizieren. Sie sind es, die für den schalen Beigeschmack verantwortlich waren.

Ein konkretes Beispiel: Den ersten Wortbeitrag zur Aussprache über das Arbeitspapier des Forums Sexualmoral gab Hendrik Johannemann ab, selbst Mitglied dieses Forums. Er sprach davon, dass er selbst schwul sei und in einer glücklichen Beziehung mit einem Mann lebe, dass er katholisch sei, sich in der Kirche engagiere, dem Katechismus zufolge jedoch in schwerer Sünde lebe. Er erzählte von Diskriminierungen, unter denen er wegen seiner sexuellen Orientierung in der katholischen Kirche leide und sprach sich ganz konkret gegen Konversionstherapien aus.1 Letzteres hatte den Hintergrund, dass diese im Rahmen der Forumsarbeit tatsächlich durch eine mitwirkende Person indirekt verteidigt und euphemistisch als kirchliche Begleitung auf dem Weg der Nachfolge Jesu dargestellt werden.

Auf das berührende und offene Statement von Hendrik folgten zunächst einige positive und bestärkende Kommentare. Es dauerte aber nicht lange, bis sich der Weihbischof von Regensburg zu Wort meldete und sinngemäß fragte, ob man denn nicht weiterhin einfach an dem Ideal festhalten könne, dass Menschen mit tiefsitzenden homosexuellen Neigungen schlichtweg enthaltsam leben sollten. Das war einer der Momente in der Regionenkonferenz, die mich wirklich sprachlos machten.

Kurz darauf war sich der Bischof von Passau nicht zu schade, eine Täter-Opfer-Umkehr in Bezug auf die Diskriminierung von Homosexuellen durch Amtsinhaber der katholischen Kirche vorzunehmen. Er erklärte, dass er mit homosexuellen Personen gesprochen habe, die sich diskriminiert fühlten, gerade weil sie gerne nach der Lehre der Kirche leben würden. Diskriminiert fühlten sie sich von Personen, die die Lehre und die damit verbundene Lebensform hinterfragten und sich für die Gleichbehandlung von homosexuellen Personen in der katholischen Kirche einsetzen. Um die sich benachteiligt fühlende Personengruppe nicht einzuschränken, müssten sich eben auch diejenigen Personen etwas zurücknehmen, die gleiche Rechte für alle forderten.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen dafür, dass sich ein Bischof das Recht herausnimmt, bestimmen zu können, welche Diskriminierungserfahrungen schwerer wiegen. Die rhetorisch geschickt verpackte vermeintliche Sorge um eine bestimmte Personengruppe geht meist automatisch einher mit dem Nicht-Ernstnehmen von Menschen, die tatsächlich strukturell benachteiligt werden. Es gäbe noch viele weitere Beispiele, die die oben aufgeführten ergänzen könnten.

Schluss mit Diskriminierungen in der Kirche

Mir ist bewusst, dass die Regionenkonferenz in München beileibe nicht der einzige Ort ist, an dem Personen „im Namen der katholischen Lehre“ diskriminiert und angegriffen werden, weil sie nicht dem vermeintlichen „katholischen Normalbild“ entsprechen und sich dementsprechend verhalten. Darüber hinaus ist mir auch bewusst, dass ich als junge, weiße Cis-Frau an vielen Stellen nur erahnen kann, was so viele Menschen täglich erleiden müssen. Deshalb sage ich es nochmal ganz offen: Wir dürfen Diskriminierungen in der Kirche nicht länger dulden. Die Gleichberechtigung aller Menschen ist keine Maximalforderung. Und das gilt selbstverständlich auch für den Synodalen Weg und all seine Gremien und Versammlungen.

Hashtag: #SynodalerWeg


(Beitragsbild: @dan_carl5on)

1 Die Wiedergabe dieses Statements ist mit Hendrik Johannemann abgesprochen.

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viola kohlberger

promoviert an der LMU München in der Katholischen Theologie bei Prof. Dr. Franz Xaver Bischof zum Thema „Katholische Jugendverbandsarbeit im Bistum Augsburg 1945-1963“ und ist als Diözesanvorsitzende der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg Augsburg selbst in der Jugendarbeit aktiv. Die Erfahrungen aus 22 Jahren Jugendverbandarbeit bringt sie als Synodale und eine der #15u30 in den Synodalen Weg ein.

One Reply to “Synodengänger*innen: Regionenkonferenz München oder der Schutzschild der katholischen Lehre”

  1. In Erwiderung auf den Regensburger Weihbischof rate ich diesem, doch enthaltsam zu sein mit seinen diskriminierenden Äußerungen gegenüber Homosexuellen, die die ihnen von Gott geschenkte Liebe zueinander leben.

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