Die Liebe, der Tod und die Frage nach der passenden Religion sind Themen, die in den Dialogen der Serie „Der Tatortreiniger“ des NDR aufgegriffen und in einem ganz eigenen Stil behandelt werden. Elisa Golks führt in die Serie ein und zeigt ihre Potentiale auf. 

„Ach, Sie putzen?“ – „Ne, ich bin Tatortreiniger, das ist ein Unterschied, meine Arbeit fängt da an, wo sich andere vor Entsetzen übergeben.“ (S01/E01/6:38)1

Die Serie „Der Tatortreiniger“ ist eine vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produzierte deutsche Comedyserie, die von 2011 bis 2018 ausgestrahlt wurde. Insgesamt erschienen 31 Folgen, die auf sieben Staffeln aufgeteilt sind. Eine Episode hat ungefähr die Länge von 25 Minuten. Der Protagonist der Serie ist Heiko Schotte, welcher sich selbst aber nur als „Schotty“ vorstellt. Gespielt wird Schotty von dem Schauspieler Bjarne Mädel, der beispielsweise auch durch die Serie „Stromberg“ bekannt ist. Regisseur der Serie ist Arne Feldhusen. Ingrid Lausund war unter dem Pseudonym Mizzi Meyer als Drehbuchautorin für die Serie tätig. Die Serie erfreute sich zu Beginn keiner allzu großen Beliebtheit, entwickelte sich aber vom Geheimtipp zum großen Erfolg, der mit zahlreichen Preisen, wie dem Grimme-Preis 2012 und dem deutschen Comedypreis 2012, gekrönt wurde.

Schottys selbstverständlicher Umgang mit dem Tod

Die Serie „Der Tatortreiniger“ handelt von Heiko Schotte, alias Schotty, der bei der Reinigungsfirma Lausen arbeitet. Sein Tätigkeitsfeld erstreckt sich in der Serie vorwiegend darauf, die Spuren der Tatorte zu reinigen. Da Schotty oft in Kontakt mit dem Tod tritt, hat er für die Zuschauer*innen zu Beginn einen etwas irritierenden Umgang mit dem Tod oder dem, was von ihm an einem Tatort übrigbleibt. So scheut er sich beispielsweise nicht davor, sein Pausenbrot neben einem mit Blut verschmierten Tatort zu essen. Bei seiner Arbeit wird Schotty mit unterschiedlichsten Menschen konfrontiert. Nachbar*innen, Freund*innen oder Arbeitskolleg*innen der Toten, die mit Schotty über die unterschiedlichsten Fragen des Lebens ins Gespräch kommen. Es wird sich über die Liebe, Religion, Veganismus, Sexarbeit und vieles mehr unterhalten, wenn nicht gestritten. Auch wenn Schottys Interessen vordergründig bei Fußball und Autos liegen, erweist er sich als guter und offener Zuhörer, der durch gezieltes Nachhaken seine Gesprächspartner*innen und somit auch die Zuschauer*innen zum Nachdenken bringt. In einer Folge treten neben Schotty zu meist nur eine oder zwei weitere Figuren auf, auch der Schauplatz wechselt innerhalb einer Folge selten. Dadurch liegt ein klarer Fokus auf den Dialogen zwischen Schotty und seinem*seiner Dialogpartner*in.

Anbieterwechsel in der Religionsversorgung

Um einen besseren Einblick in die Serie zu bekommen, ist im Folgenden eine Folge kurz skizziert. Die Folge „Anbieterwechsel“ ist die vierte Folge der fünften Staffel der Serie. Schotty wird zu dem Unternehmen ASTRUM gerufen, das ein Opfer von Vandalismus wurde. Der Innenraum des Unternehmens ist mit Blut verschmiert und in großen Lettern prangt der Schriftzug „ZUR HÖLLE“ an der Wand. Vor Ort befindet sich die Besitzerin des Unternehmens, Constanze Krüger, gespielt von Anna Schudt. Sie berichtet Schotty, dass die Polizei wohl ausschließe, dass es sich um Menschenblut handle. Auf die Frage, wen sie verdächtige, antwortet sie

„religiöse Spinner oder antireligiöse Spinner oder politische Spinner oder ein verrückter Einzelspinner oder jemand, der mir einfach schaden will, mein Bruder Konrad könnt’s gewesen sein.“ (S05/E04/1:02)2

Die Vermutung, es handle sich um „religiöse Spinner“ liegt nicht ganz fern, da es sich bei ASTRUM um eine Agentur handelt, die Religionen vermittelt. Es wird ein Kundenprofil mit den religiösen Wünschen der Kund*innen erstellt und die Agentur wählt passende Anbieter aus (S05/E04/3:23).3 Schotty ist von diesem Konzept irritiert und bringt den Einwand vor: „Man sucht sich doch seine Religion nicht aus wie so ein Handy“, darauf kontert Constanze Krüger „Ja, das ist erschreckend, nicht wahr?“ – „Ja irgendwie schon.“

„Ja, finde ich auch, über ihr neues Handy informieren sich die Leute bis ins letzte Detail, aber die Frage nach Gott überlassen sie einem intuitiv diffusen Bauchgefühl.“ (S05/E04:6:11)4

Constanze und Schotty diskutieren darüber, inwieweit man sich seine Religion aussuchen kann und ob man überhaupt hoffen darf, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.

„Ich denke, persönlich, man lebt und stirbt und fertig, Aus-die-Maus und Würmerfutter.“

„Ich kann Ihnen 6000 Angebote machen, die besser sind als Aus-die-Maus-Würmerfutter.“ (S05/E04/12:00)5

Schotty äußert den Verdacht, dass Constanzes Angebote nur vertrösten und nichts mit der Wahrheit zu tun haben. Im Laufe der Diskussion geht es immer mehr um die Frage, wie denn das Leben nach dem Tod aussehen könnte. Schotty äußert den Wunsch, mit seiner großen Liebe, Merle, gespielt von Jule Böwe, verbunden zu sein, doch was passiert dann mit ihrem jetzigen Partner, ist der dann auch im Paradies?6

„So jetzt kommt das zweite Problem, wo ist der Herzchirurg, mit dem sie bisher noch zusammen ist? Ja wo ist der ja dann im Paradies? Gut, vielleicht in der Hölle – aber wenn ich Pech hab, eben nicht, ist der dann mit uns zusammen oder was – weil, sagt man doch so, dass sich im Paradies alle so gut verstehen, und, dass es da keine Eifersucht gibt und alles so ’ne große Seelensoße, ne für mich ist das kein Paradies mehr. Für mich heißt Paradies Merle und ich und sonst nix und niemand … Und dieses ganze Erkenntniszeugs, also wer die Welt und warum die Menschen und wieso Gott, interessiert mich auch nur so nebenbei, weil da bin ich ja eh schon tot und so ’ne nachträgliche Erklärung, die brauch‘ ich dann auch nicht mehr.“ (S05/E04/19:23)7

Die Vorstellung mit seinem Kontrahenten im Paradies vereint zu sein scheint für Schotty eine grausame Vorstellung zu sein. Der Sehnsuchtsort Paradies wird durch das Hinzutreten des Lebensgefährten seiner großen Liebe, sprichwörtlich zur Hölle.

Das kritische Potential der Serie

Gerade die saloppe Art Schottys wirkt erfrischend, da er keinen Hehl daraus macht nicht alles zu wissen, jedoch nicht die Ignoranz besitzt, zu glauben, dass Unwissenheit eine Lösung ist. Um es mit den Worten von Axel Hacke zu sagen:

Wahre Dummheit bedeutet, dass jemand auch nichts wissen will, dass er Wissen geradezu meidet und sich selbst für so klug hält, dass er glaubt, dieses Wissen gar nicht zu benötigen.8

Schotty hingegen nimmt seine*n Dialogpartner*in ernst, indem er ihm*ihr zuhört und kritische Fragen stellt. In ihren Gesprächen irritieren sich Schotty und seine Gesprächspartner*innen mit ihren so unterschiedlichen Sichtweisen gegenseitig. Auch wenn Schotty zum Teil ablehnend reagiert oder etwas plump daherkommt, so bleibt er dennoch gesprächsbereit. Seine selbstverständliche Gesprächsbereitschaft ist eine Fähigkeit, die man vom Protagonisten des „Tatortreinigers“ lernen kann.

Hashtag der Woche: #himmelundhölle


(Beitragsbild @NDR)

1 Der Tatortreiniger (Serie), Anbieterwechsel (Folge), Regie: Arne Feldhusen, Drehbuch: Mizzi Meyer, Redaktion: Bernhard Gleim, Adrian Paul, Produktion: Letterbox Filmproduktion im Auftrag des NDR, 2015. S = Season / Staffel; E = Episode; Zahlen = Zeit in der Folge (S01/E01/6:38).

2 Der Tatortreiniger (S05/E04/1:02).

3 Vgl. ebd., (S05/E04/3:23).

4 Ebd., (S05/E04/6:11).

5 Ebd., (S05/E04/12:00).

6 Ebd., (S05/E04/20:22).

7 Ebd., (S05/E04/19:23).

8 Hacke, Axel, Werkstatt-Gespräch mit Axel Hacke, in: www.sz-magazin.de/hacke, 30.10.2020, (Zugriff:13.11.2020).

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elisa golks

studiert katholische Theologie und Geschichte in Freiburg und arbeitet als Hilfskraft am Arbeitsbereich Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie an der Uni Freiburg.

One Reply to “Anbieterwechsel. „Der Tatortreiniger“ und die Religionen”

  1. Sehr interessanter Beitrag mit mehreren spannenden Fragen.

    Über einen „Anbieterwechsel“ bei der Religion habe ich durchaus schon hin und wieder nachgedacht, wenn auch nicht unter diesem Begriff. Vorprägung durch die Eltern und soziales Umfeld/soziale Einbindung waren da aber bisher ausschlaggebende Faktoren. Außerdem trifft „Anbieterwechsel“ es für mich auch nicht ganz, eben weil es nicht darum geht, wer mit welchen Zeremonien wichtige Ereignisse in meinem Leben begleitet, sondern wie ich leben und wonach ich mich richten will.

    Die Vorstellung der Liebeskontrahenten im Paradies ist ein altes Lied. Kam schon als Sadduzäerfrage an Jesus in der Bibel. In der Verwandschaft habe das mal bei einem schwärmerisch-frommen Großonkel erlebt, der permanent erzählte, wie er sich darauf freue, seine erste (längst verstorbene) Ehefrau wiederzutreffen, und ihm meine Tante irgendwann auf den Zahn fühlte, was denn dann eigentlich mit seiner zweiten Frau wäre und wie die beiden wohl miteinander klarkämen. 🙂

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