Um die Taufformel ist ein Streit entbrannt, nachdem ein Priester die Ungültigkeit seiner eigenen Taufe befürchtete. Ein Responsum aus dem Vatikan bestätigt: Nur im Singular ist die Taufe gültig. Steffen Engler sieht Grund zu theologischem Zweifel.

Eine „katholische Karriere“ beginnt mit der Taufe. Die Taufe ist die „Eingangspforte zu den Sakramenten“ (vgl. can. 849 Codex Iuris Canonici). Nur wer getauft ist, kann Firmung und Eucharistie empfangen und gültig beichten; die Priesterweihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann; die Ehe ist nur zwischen Getauften ein Sakrament; die Krankensalbung stärkt bei schwerer Krankheit nur Katholik*innen. Kurzum: Ohne Taufe keine (weiteren) Sakramente. Mehr noch: „ihr [der Taufe, S. E.] tatsächlicher Empfang oder wenigstens das Verlangen danach ist zum Heil notwendig“ (can. 849).

Ein solche mustergültige katholische Karriere verfolgte auch Matthew Hood, Priester aus der Erzdiözese Detroit. Bis er sich vor einigen Monaten ein Video seiner Taufe im Jahr 1990 ansah: Der Diakon sagte damals „wir taufen dich“ und nicht, wie in den liturgischen Büchern vorgesehen, „ich taufe dich“. Hood war entsetzt: War er überhaupt gültig getauft worden?

Klarstellung der Kongregation für die Glaubenslehre …

Einige Monate später veröffentliche die Kongregation für die Glaubenslehre ein Responsum, welches sich mit genau dieser Fragestellung beschäftigt.1 Die Kongregation stellt darin klar: Die Plural-Fassung „Wir taufen dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ ist keine gültige Taufformel. In jüngerer Zeit sei es bei Tauffeiern zu derartigen Formulierungen gekommen, „um den Gemeinschaftswert der Taufe zu unterstreichen“ und „die Vorstellung einer Zentrierung der geistlichen Vollmacht beim Priester“ zu vermeiden. Es handle sich um „eine alte Versuchung mit fragwürdigen Beweggründen pastoraler Natur“. Bei wessen Taufe die Formel verwendet wurde, der*die ist nicht getauft. Die Taufe muss mit der korrekten Formel nachgeholt werden.

… mit Folgen für das Seelenheil

Matthew Hood war also gar nicht getauft. Folglich war er auch nicht gefirmt, hatte nie gültig die Kommunion empfangen, nie gültig gebeichtet und: Er war gar kein Priester! Das Erzbistum Detroit ist nun auf der Suche nach Menschen, denen der vermeintliche „Father“ Matthew Hood ungültig Sakramente gespendet hat – und nach weiteren Menschen, die vor 30 Jahren womöglich ungültig getauft wurden.2 Denn die Aussage der Kongregation ist eindeutig: Ob „ich“ oder „wir“ taufen, ist keine nebensächliche Frage, über die liturgische Vorsteher eigenmächtig entscheiden könnten. Offenbar ist hier der Kern des Sakraments derart berührt, dass man überhaupt nicht mehr von einem Sakrament sprechen kann. Dies ist theologisch zu hinterfragen.

Worauf kommt es bei der Sakramentenspendung an?

Schon früh hat sich die Kirche damit auseinandergesetzt, wie Sakramente gültig gespendet werden. Beim sog. „Ketzertaufstreit“ im 3. Jh. ging es um die Frage nach der Gültigkeit von Taufen, deren Vorsteher aus schismatischen oder häretischen Gruppierungen stammten. Die Frage lautete: Wodurch wird die Taufwirkung garantiert? Durch den Gnadenstand des Spenders (womöglich ein Häretiker!) oder durch Gott? Schon damals war die Antwort: Christus ist der eigentliche Spender, also sind die Taufen gültig (DH 110). Vorausgesetzt wurde, die Spender hätten den rechten Trinitätsglauben. Diese Entscheidung war durchaus auch pastoraler Natur: Hätte man anders entschieden, hätte man die Taufen – und somit den Zugang zum Heil – etlicher Menschen in Frage gestellt.

Auch wenn es in dieser Auseinandersetzung nicht um die Taufformel an sich ging, so ist ihr zu entnehmen (und das betont auch die Kongregation für die Glaubenslehre): Es ist Christus, der tauft. So hat sich in der Sakramententheologie durchgesetzt, dass es auf die Absicht des Spenders ankommt: Dieser muss tun wollen, was die Kirche tut (DH 13123, 1617). Im Falle der Taufe: auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu taufen. Sollte das etwa nicht mehr gewährleistet sein, wenn der Priester „wir“ statt „ich“ sagt?

Ich, wir oder Christus?

Diese Theologie wurde auch auf das Ehesakrament übertragen: Nach herrschender Auffassung spenden sich die Brautleute das Sakrament der Ehe gegenseitig (KKK 1623). Priester oder Diakon agieren in diesem Fall als amtliche Zeugen, die im Notfall sogar fehlen können (vgl. can. 1116).  Unabdingbar ist jedoch die Absicht beider Partner*innen, tun zu wollen, was die Kirche tut. Das ist: eine Ehe zu schließen. Ein Sakrament ist ihre Ehe dann kraft ihres Getauftseins, da Christus die Ehe unter Getauften zum Sakrament „erhoben“ hat. Könnte eindrucksvoller zum Ausdruck kommen, dass es letztlich Christus ist, der die Sakramente bewirkt?

Was genau die Brautleute zueinander gesagt haben, darüber wird nach der Eheschließung nicht mehr diskutiert. Kommt es zur Frage, ob die Eheschließung gültig war, wird nach dem inneren Willen der Brautleute gefragt, nach ihrer Absicht bei der Eheschließung. Was sie gesagt haben, mag ein Indiz für ihre innere Haltung sein; ungültig ist ihre Eheschließung aber nicht automatisch, wenn sie bei der Trauformel einzelne Worte geändert haben.

Entscheidend ist die Intention!

Das kirchliche Recht schützt in diesem Fall die Gültigkeit des Ehesakramentes vor unsachgerechter Infragestellung: Wenn zwei Menschen einander heiraten und den Ehekonsens öffentlich in der Kirche äußern, dann unterstellt das Recht, ihr geäußerter Wille stimme mit ihrer inneren Haltung überein (can. 1101 § 1). Die Ehe wird als gültig angesehen; das Gegenteil ist zu beweisen (can. 1060).

Zurück zur Taufe: Der Diakon, der Matthew Hood 1990 getauft hat, hat in die Taufformel die anwesende Familie einbezogen. Nicht „ich“ taufe, sondern „wir taufen dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen“, sagte er. Was war wohl seine Intention? Wer wollte bestreiten, er wollte das Kind Matthew taufen, und zwar auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist?

Es stellt sich die Frage: Woran hängt nun die Gültigkeit der Taufe? An der Intention des Taufenden oder daran, mit welchen Worten er diese Absicht genau ausgedrückt?

Hängt das Heil an einem Personalpronomen?

Die Argumentation der Glaubenskongregation lautet: Wenn der Priester „wir“ statt „ich“ sage, so werde nicht mehr deutlich, dass es Christus ist, der tauft. Darauf mag man kommen, wenn man Wert darauf legt, dass eben nur der Priester in persona Christi handeln kann. Die Argumentation verkennt aber, dass jeder Mensch – nicht nur Priester und nicht nur Getaufte –, wirklich jeder Mensch gültig taufen kann (can. 861 § 2, DH 1315). Entscheidend ist – es ist zu erahnen – die Intention, mit der getauft wird. Selbst wenn man der Kongregation beipflichten wollte, es werde durch die Änderung der Formel nicht mehr deutlich, dass Christus handelt, so ist es doch fragwürdig daraus zu folgern, Christus würde tatsächlich nicht handeln. In dieser Hinsicht hätte der Kongregation etwas Zurückhaltung und Vorsicht gut gestanden. Eine Mahnung, keine derartigen Formulierungen vorzunehmen, wäre hinnehmbar gewesen. Nun aber womöglich tausende von Menschen für „ungetauft“ zu erklären, sie und deren Angehörige in geistige Nöte zu versetzen, ist nicht nur eine seelsorgliche Katastrophe, sondern theologisch geradezu vermessen. Im Rahmen des „Ketzertaufstreits“ ging man umsichtiger vor: Die Taufen wurden als gültig erachtet, wenn sie auf den dreifaltigen Gott vorgenommen wurden. Fast zwei Jahrtausende später erweckt die Kongregation für die Glaubenslehre den Eindruck, Gott mache sich von einem Personalpronomen abhängig.4

Kirchenpolitik zu Lasten des Seelenheils?

Weshalb so viel Wirbel um das Wörtchen „wir“? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, hier ginge es nicht um Taufformeln, sondern darum, demokratischere Ekklesiologien zu diskreditieren, die die Einzigartigkeit des geweihten Amtes in Frage stellen. Ob das die Intention jener war, die die Formel verwendeten? Es ist beunruhigend, welche rhetorischen Keulen gegenüber den eigenen Klerikern geschwungen werden, wenn im Responsum unter anderem zu lesen ist, die Modifikation der Formel füge der kirchlichen Gemeinschaft und der Erkennbarkeit des Handelns Christi eine Wunde zu.

Daher ist Bruno Hünerfeld bei Twitter beizupflichten:


Dass die Glaubenskongregation auf diese Weise, auf Kosten des Seelenheils tausender Menschen, kirchenpolitische Debatten führt, ist tragisch, denn:

  1. muss nicht gleich jeder Kleriker, der „um den Gemeinschaftswert der Taufe zu unterstreichen“ (Responsum), mit „wir“ statt „ich“ tauft, deshalb auch ein „marxistisch oder demokratisch strukturierte[s] Kirchenbild“ (Die Tagespost) vertreten.
  2. Selbst wenn dem so wäre: Was spräche dagegen, analog zum Ketzertaufstreit die Taufe als dennoch gültig anzusehen, sofern sie auf den dreifaltigen Gott erfolgte? Denn schließlich sind es
  3. die vermeintlich Getauften, denen hier die „Eingangspforte zu den Sakramenten“ nachträglich vor der Nase zugeschlagen wird. Wie das Beispiel der Eheschließung zeigt, legt die Kirche bei anderen Sakramenten auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Wenn die Taufe tatsächlich zum Heil notwendig ist, sollte dies dort erst recht beherzigt werden.

Hashtag der Woche: #hoodgate


(Beitragsbild @kaiquestr)

1 Ob der Fall Hoods ausschlaggebend für die Stellungnahme der Kongregation für die Glaubenslehre war, ist nicht bekannt, wird jedoch vermutet. Vgl. https://www.furche.at/religion/wenn-taufen-ploetzlich-ungueltig-sind-3612468 und https://www.katholisch.de/artikel/26768-ich-taufe-wir-taufen-worte-die-die-oekumene-belasten-koennten [zuletzt eingesehen am 23.09.2020].

2 Vgl. die FAQ auf der Seite der Erzdiözese Detroit.

3 „Alle diese Sakramente werden durch dreierlei vollzogen, nämlich durch die Dinge als Materie, die Worte als Form und die Person des Spenders, der das Sakrament erteilt in der Absicht, zu tun, was die Kirche tut; wenn irgendetwas von diesen fehlt, kommt das Sakrament nicht zustande.“

4 Wer nach wie vor mit DH 1312 darauf beharren wollte, im vorliegenden Fall seien zwar Materie und Person des Spenders, nicht aber die Form eingehalten worden, der*die lese weiter in DH 1314: „Wir bestreiten jedoch nicht, daß auch durch jene Worte: »Es soll der Diener Christi N. getauft werden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, oder: »Es wird durch meine Hände N. getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, die Taufe wahrhaft zustande kommt; denn da die Hauptursache, aus der die Taufe ihre Kraft hat, die heilige Dreifaltigkeit ist, die werkzeugliche (Ursache) aber der Spender ist, der das Sakrament äußerlich übermittelt, so kommt, wenn die Handlung, die durch den Spender selbst ausgeführt wird, zusammen mit der Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit zum Ausdruck gebracht wird, das Sakrament zustande.“ Mithin ist die Anrufung der Dreifaltigkeit entscheidend. Wie das geschieht, ist so nebensächlich wie die Frage, ob das Wasser kalt oder warm ist (vgl. DH 1314).

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steffen engler

promoviert am Arbeitsbereich Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte der Universität Freiburg und ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

2 Replies to “Über die Heilsbedeutsamkeit eines Personalpronomens

  1. Wenn wir die Nottaufe unserer Tochter Johanna wiederholen müssten würde ich heute zusammen mit meiner Frau sagen: „Wir taufen dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!“ – Auf Anraten der Ärzte warteten wir auf den Tod unseres gerade erst mit einem mehrfachen komplexen Herzfehler geborenen Kindes. In dieser Phase, die uns – die wir das Geschenk des Lebens mit Freude erwartet hatten und annehmen wollten – an die Grenze des Erträglichen belastete, tauften wir verschämt und ohne Fest und ohne Gäste mit einem mit Wasser gefüllten Spucknapf unser Kind. Wir im Uni-Klinik-Krankenzimmer über Wochen vereinsamten zwei tauften es … vielleicht mit einer leisen Hoffnung. Jahre später triumphierten wir und sicher auch die Ärzte, die dem Kind durch eine großartige neu entwickelte OP zu einem annähernd normalen Leben verhalfen. Ganz unter uns: Ärzte sollten einem Paar, das das Geschenk des Lebens annehmen will, nie nahelegen, darauf zu verzichten!

  2. „Baptizo te in nomine patria et filia et Spiritus sancti« – Ich taufe dich im Namen Vaterland und Tochter und des heiligen Geistes.
    Über diese von des Lateinischen nur unzureichend kundigen Priestern gespendete Taufformel gab es im 8. Jh. einen Streit zwischen Bonifatius (der entsprechend getaufte Gläubige erneut taufen wollte) und Virgil von Salzburg, der solche Taufen für gültig hielt. Papst Zacharias entschied zugunsten Virgils. Warum Gott es akzeptiert, in der Taufformel durch das Vaterland ersetzt zu werden (von der genderfluiden Persona Christi ganz zu schweigen), bei einem „wir“ jedoch keine Taufe stattgefunden hat, ist eines dieser Probleme, die ich meinen Nichttheologen-Freund*innen niemals erklären könnte.

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