Bei der Versammlung der Regionenkonferenzen des Synodalen Weges vergangenes Wochenende steht das Arbeitspapier zu Frauen in Diensten und Ämtern der röm.-katholischen Kirche im Zentrum der Debatte. Juliane Eckstein gibt Einblicke in die Kernpunkte und Herausforderungen, vor denen der Synodale Weg bei diesem Thema steht.

„Noch ist das Wetter etwas verhangen, aber vielleicht klart es ja nach auf!“ So wurden wir zur Regionenkonferenz des Synodalen Wegs in Berlin begrüßt. Die Prognose sollte sich bewahrheiten – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Statt einer zweiten Synodalversammlung wurde der Synodale Weg pandemiebedingt auf fünf Regionenkonferenzen aufgeteilt, die in Berlin, Frankfurt, Dortmund, Ludwigshafen und München stattfanden. In Berlin kamen vor allem die Vertreter*innen der Diasporabistümer zusammen (Hamburg, Hildesheim, Berlin, Magdeburg, Görlitz, Erfurt und Dresden-Meißen).

 

Bestandsaufnahme: Kirche, der Synodale Weg und Covid-19

Zunächst warfen die Synodalen einen trüben Blick auf die Organisation des Synodalen Wegs, sowohl was die Digitalität als auch die Transparenz anbelangt: „Da ist noch Luft nach oben.“ Nicht einmal einen Instagram-Account gebe es, so eine Gemeindereferentin: „Keiner in meiner Generation hat noch Facebook! Bitte gehen wir dahin, wo die jungen Leute sind!“

Auch im Gespräch über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nahm die Digitalisierung einen großen Raum ein. Gleichzeitig wurde ein wunder Punkt identifiziert, der sich nicht wegdigitalisieren lasse: die Taktilität der Sakramentenspendung. Nie sei so bewusst geworden, wie wesentlich die Spendung fast aller Sakramente mit körperlicher Berührung einhergehe. Auf Situationen, in denen man dies reduzieren müsse, sei man „nicht vorbereitet.“ Im Nachhinein frage ich mich, warum wir an dieser Stelle nicht nach den Erfahrungen der Ortskirchen in Asien und Afrika mit SARS und Ebola gefragt haben.

 

Die doppelte Diskriminierung von Frauen

Die Weltkirche kam stattdessen im nächsten Programmpunkt vor. Das Frauen-Synodalforum stellte ein Arbeitspapier vor. Es enthält „Optionen“, mit denen der Anteil von Frauen in leitenden Positionen der Kirche erhöht werden kann, und zwar bereits unter den gegenwärtigen kirchenrechtlichen Bedingungen. Es wirft ein Licht auf die Tatsache, dass bereits jetzt die meisten Leitungspositionen in den deutschen Diözesen nicht von Klerikern besetzt sind, sondern von männlichen Laien. Hier setzen die ersten Forderungen des Frauenforums an.

Die Synodalen zeigten sich empört, dass eine solche Selbstverständlichkeit überhaupt benannt werden müsse. Daher sollten die eingeforderten Maßnahmen viel schärfer formuliert werden und die Begründungslast nicht den Frauen aufgebürdet werden. Wie ein Mantra wurde wiederholt: „Frauen sind der Ernstfall der Laien.“ Und trotzdem sind Laiinnen in kirchlichen Entscheidungspositionen unterrepräsentiert. Um das zu ändern, brauche es eine langfristige Personalentwicklung. Das geschehe nicht von allein. Man könne Frauen nicht auf den mittleren Ebenen benachteiligen, sodass sie das System Kirche enttäuscht verlassen, und dann damit rechnen, dass sie ganz oben wieder auftauchen . Andere befürchteten, man komme zwanzig Jahre zu spät.

Was kaum zur Sprache kam: Dass in der kirchlichen Hierarchie dieselben Diskriminierungsmechanismen zum Tragen kommen wie etwa in Politik, Wirtschaft, und Wissenschaft, zu denen dann die spezifische Weihediskriminierung hinzukommt. Selbst wenn Frauen geweiht werden dürften, würde die katholische Kirche vermutlich nicht automatisch zum Paradies der Gleichberechtigung. Es braucht in jedem Fall einen Kulturwechsel, sodass Frauen selbstverständlich Leitungspositionen einnehmen. Er würde zumindest das Leben der Katholikinnen, die keinen Weihewunsch verspüren, bereits jetzt erleichtern.

Ändern würde dies freilich nichts an den Problemen, die mit der engen kirchenrechtlichen Kopplung von Kirchenleitung und Weihe einhergehen, wie das Arbeitspapier selbst einräumt. Auch die Ungleichbehandlung der Geschlechter in Weihefragen bestünde weiter. Daher wird sich das Frauenforum baldmöglich auch mit diesen Fragen befassen müssen.

Erwähnt wurde, dass die Frauenfrage nicht in allen römisch-katholischen Ortskirchen mit derselben Vehemenz diskutiert werde wie in Deutschland. Gegenbeispiele seien Polen oder Indien. Allerdings kam schnell zur Sprache, dass die Weltkirche sehr vielfältig sei. Hingewiesen wurde auf indische Katholikinnen in Leitungsfunktionen und auf die Debatten der Amazonassynode.

Ein anderer, berechtigter Kritikpunkt kratzte am Fundament des gesamten Forums: Die Begrifflichkeit des Papiers sei uneindeutig, vor allem wenn es um den Begriff „Frau“ gehe. Sei dieser trans-inklusiv oder trans-exklusiv zu verstehen? Diese Frage führt geradewegs in die generellen Debatte um das Verhältnis von Feminismus und Trans-Aktivismus (Stichwort „TERF Wars“; dazu hier, hier oder soziologisch hier.) Ich habe keine einfache Antwort darauf und merke, dass ich hier an meine Grenzen stoße . Aber sicherlich wird uns auch dieses Thema nicht mehr verlassen.

 

Vertiefung oder Weiterentwicklung der Sexualmoral?

Die Frage nach den geschlechtlichen und sexuellen Identitäten führt geradewegs zum zweiten Arbeitspapier, das an diesem Tag vorgestellt wurde. Es enthält elf Voten, teils mit Alternativvoten, zur Neuformulierung der kirchlichen Sexualmoral. Klar wurde: Die Arbeit im Forum läuft längst nicht so konfrontativ ab, wie man es sich vielleicht vorstellen mag. Man arbeite lagerübergreifend an beiden Voten. Das Format wurde gelobt, da es transparent und ehrlich sei. Alternativvoten seien nicht tragisch, sondern gute katholische Tradition. Kritisiert wurden die Voten vielmehr für ihre Realitätsferne und Unverständlichkeit – zurecht. Nicht-Theolog*innen mögen kleine Abweichungen zwischen den Voten als marginal wahrnehmen, aber tatsächlich steckt dahinter jeweils ein argumentatives Universum. Zum Beispiel in der Frage, ob die kirchliche Sexualmoral „vertieft“ oder „weiterentwickelt“ gehöre.

Kritisiert wurde des Weiteren, dass das Thema des Forums selbst auf stabile Partnerschaften fixiert sei („Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“). Was sei mit denen, die eine feste Partnerschaft gar nicht wollen (z. B. Heranwachsende) oder auf eine solche keinerlei Aussicht haben (z. B. Gefangene, Pflegebedürftige)? Auf der anderen Seite stand die Forderung, nicht nur auf Menschen außerhalb, sondern auch innerhalb einer katholisch verstandenen Ehe zu schauen: „Wir machen eine kurze Ehevorbereitung, überlassen die Paare sich selbst und kümmern uns erst wieder um sie, wenn ihre Ehen gescheitert sind.“

Andere wiederum stellten die Grundsatzfrage, inwiefern sich die Katholische Kirche überhaupt noch mit der Sexualmoral befassen sollte. Sie habe in dieser Frage einen immensen Kompetenzverlust erlitten. Dass Bewerber*innen auf Moraltheologie-Lehrstühle so oft das Nihil Obstat verweigert worden sei, falle uns jetzt auf die Füße. Der Synodale Weg könne nicht die moraltheologischen Defizite von fünfzig Jahren aufarbeiten.

Für mich erstaunlich war, dass in diesem Papier die vielen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte keine Rolle spielten, vermutlich, um einem naturalistischen Fehlschluss vorzubeugen. Auch die #MeToo-Debatte wurde überhaupt nicht rezipiert. Dabei entspricht vieles, was in ihr thematisiert worden ist, den Vorgängen in der katholischen Kirche. So scheint sich hier ein generelles Problem aufzutun: Wir rechnen zu wenig damit, dass die nichtkirchliche Welt uns etwas lehren könnte. Es fällt uns ungeheuer schwer, die Erkenntnisse anderer aufzunehmen und sie in die eigene Theologie zu integrieren.

 

Die Corona-Pause als Chance

Trotz aller Kritik: Das Treffen war nötig und richtig. Über den Dächern von Berlin konnten wir bei aufklarendem Wetter die positive Debattenkultur fortsetzen, die bereits die erste Synodalversammlung geprägt hatte. Der Synodale Weg, so das Fazit der Vorsitzenden, habe durch die Pandemie an Zeit gewonnen. Die Regionaltreffen waren auf jeden Fall eine Chance, ohne Redezeitbegrenzung miteinander zu sprechen, auf Vorredner*innen einzugehen, auf Fragen zu reagieren und somit in ein echtes Gespräch zu kommen. Ich wünschte, etwas davon ließe sich auch in die nächste große Synodalversammlung im Februar 2020 hinüberretten.

 

Hashtag: #SynodalerWeg


(Beitragsbild: @dannyg)

Print Friendly, PDF & Email

juliane eckstein

ist diplomierte Dolmetscherin und hat später in München und in Jerusalem Katholische Theologie studiert. Sie hat im Alten Testament über das hebräische Ijobbuch promoviert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Georgen. Sie findet die derzeitigen Umbrüche in der Kirchenszene spannend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin mit dem Speichern der angegebenen Daten einverstanden: