Die Auferstehung feiern unter den momentanen Bedingungen – passt das? Diese Frage stellt sich Florian Klug und denkt über die Ironie des diesjährigen Osterfestes – zwischen Hoffnung und Verzweiflung – nach.

Gerade präsentiert sich eine äußerst seltsame, sogar ironische Situation für die Glaubenden: Wir feiern in der Osternacht die glorreiche Überwindung von Tod und Trauer durch die Auferstehung des Herrn. Deswegen ist es Paulus möglich, dem Tod selbst entgegen zu rufen:

„Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15, 54f.).

Doch die akute Gefahr von Tod und Krankheit verhindern es, die Ostermesse in ihrer regulären Form zu feiern. Die (körperlich nahe) gemeinsame Messe, der Besuch von Familie und Freund*innen und selbst der traditionelle Osterspaziergang in einer Gruppe – sie finden alle nicht statt; und dies aus sehr guten und verständlichen Gründen.

Wurmloch zur Erlösung?

Nun zum Glauben selbst: Dieser schaltet den Verstand nicht aus – ganze Bibliotheken wurden hierzu bisher schon verfasst; weswegen hier nicht mehr als die simple theologische These angezeigt werden soll, dass medizinisches Wissen nicht im Widerspruch zum Glauben steht. Indem man als Einzelne*r an den christlichen Gott und die Auferstehung des Herrn glaubt, fällt man nicht in ein Wurmloch mit direktem Zugang zum Himmelreich. Als Gläubige*r bleibt man weiterhin Teil dieser (diesseitigen) Welt. Der Punkt der größten Relevanz ist für Gläubige hierbei, dass die Auferstehung kein Mythos ist, der weder Raum noch Zeit kennt: Sie ist örtlich konkret benennbar und passierte nicht in einer virtuellen Zeitlosigkeit. Und diese Auferstehung war der maßgebliche Antrieb für die Jünger*innen wie auch für Paulus, die Person Jesu völlig anders zu begreifen als zuvor und die Neuigkeit, dass Tod und Leiden nicht das letzte Wort haben, in alle Welt zu verkünden.

Kein Optimismus, aber Grund zur Hoffnung

Doch trotz dieser neuen Erkenntnis war für die Jünger*innen das eigene Leid und der eigene Tod längst nicht abgeschafft – die*der ein*e oder andere hat vielmehr im eigenen Martyrium erfahren, dass die Welt brutal und grausam sein kann und auch weiterhin ist. Die Jünger*innen waren in diesem Punkt keine Optimist*innen in dem Sinne, dass sie von einer wohlwollend angenommenen Wahrscheinlichkeit ausgingen, die besagt, dass in absehbarer Zeit eine Entwicklung zu einer Todeslosigkeit der Welt und des Lebens stattfindet. Mit dem englischen Philosophen und Literaturtheoretiker Terry Eagleton würde ich Optimismus von Hoffnung unterscheiden. Während dem Optimismus eine berechtigte Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Entwicklung zugrunde liegt, zeichnet sich für ihn Hoffnung dadurch aus, „über das gegenwärtig Vorstellbare“ hinauszugehen.1 In der jetzigen Situation kann dies bedeuten, dass es gute Gründe dafür gibt, ein Ende der gegenwärtigen Pandemie zu erwarten, wenn die Beschränkung im öffentlichen Leben lange genug eingehalten werden und letztendlich ein Impfstoff entwickelt worden ist. Doch diese Pandemie gibt andererseits wenig Grund zum Hoffen, denn die Trauer bleibt bestehen, wenn jetzt ein geliebter Mensch gelitten hat und ohne Abschied begraben werden musste.

Auch das dankenswerte, selbstgewählte Opfer derjenigen Ärzt*innen und Pfleger*innen, die um zu helfen, selbst infiziert wurden und viel zu früh gestorben sind, hinterlässt mehr Verzweiflung als Optimismus bei den Angehörigen und Kolleg*innen im Hinblick auf das eigene Leben. Der Tod selbst ist nicht abgeschafft, wenn es einen Impfstoff gibt, und die Verlorenen können von uns auch nicht durch neueste Technik wieder zurück ins Leben geholt werden. Mit einem Impfstoff würde ein wichtiger und notwendiger Etappensieg errungen werden, wobei der Mensch aus eigener Kraft niemals Herr über den Tod werden kann. Grundsätzlich bleiben wir mit einer ungelösten Frage und voller Zweifeln zurück. Doch genau an diesem Punkt kann Terry Eagleton im Anschluss an Slavoj Žižek anknüpfen:

„Hoffnung kann erkennen, dass Verlust oder Zerstörung unvermeidlich sind – worin sie sich von einigen Spielarten von Optimismus unterscheidet –, und sich trotzdem der Kapitulation verweigern.“ 2

Zum jetzigen Zeitpunkt kann dieses Osterfest in seiner irregulären Form, eine neue Perspektive voller Hoffnung, aber ohne Optimismus anbieten: Der Tod und das Leid haben nicht das letzte Wort in der Welt, weil sich Gott in absoluter Solidarität dazu entschlossen hat, die Menschheit im Leid nicht alleine zu lassen, sondern den Tod selbst sterben zu lassen.

Hoffnungsglaube

Wie gesagt führt dies nicht zu einem Erlösungswurmloch, aber die Feier des Ostermysteriums ist weit mehr als nur eine fromme Erinnerung. Die Theologie kennt hierfür den Begriff der anamnesis, die die Gleichzeitigkeit von Erinnerung und eigener Anteilhabe ausdrücken kann. Die Auferstehung Jesu darf und soll gefeiert werden, weil sie uns eine Hoffnungsperspektive anbietet, dass unser ureigenes Leben bereits in die Auferstehung eingebettet ist, ohne aber vollends verwirklicht zu sein.
Dieser Hoffnungsglaube lässt eine*n Christ*in nicht aus der Welt fallen, weil sie*er zu beiden Perspektiven zustimmen kann: Trauer und Hoffnung haben jeweils ihre eigene Berechtigung, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Der*die Christ*in zweifelt an der Lage der Welt mit ihrer pandemischen Krankheit, und gleichzeitig hofft sie*er, dass die Überwindung von allem Leid im letzten Ende geschehen sein wird:

„Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.“ (Offb 21,4).

… in ironischer Verwindung

Diese*r Christ*in kann als Ironiker*in verstanden werden, die die Zweifel und die Verzweiflung kennt, ohne aber selbst daran zu verzweifeln: Sie*er lebt in der Hoffnung von Tag zu Tag, ohne aber von Optimismus durchtränkt zu sein. Die*der Ironiker*in ist kein Zyniker*in – es ist ihr*ihm nicht alles völlig gleichgültig, sondern sie*er sucht, fragt und bewegt sich auf das Eigentliche zu. Die*der Ironiker*in glaubt nicht an den Untergang, sondern blickt in Richtung der Rettung, um sie am Horizont zu erahnen: Die Ironie

„vereinfacht, legt frei, destilliert; als eine reinigende Prüfung im Hinblick auf ein nie [bisher; F.K.] erreichtes Absolutes tut die Ironie so als ob, um den falschen Schein [der Statik; F.K.] zu ruinieren. […] Kurzum, die Ironie rettet, was gerettet werden kann.“ 3

Der*die Christ*in verzweifelt an Ostern nicht am um sich greifenden Tod, sondern kann die Gleichzeitigkeit von Hoffnung und Trauer aushalten, indem sie*er mit den Hinterbliebenen trauert und zeitgleich um die Toten weiß, dass sie schon bei Gott sind. Sie*er steht als Ironiker*in mit beiden Füßen in der geplagten Welt und versteht, dass genau hier der Ort der Erlösung bereits ist.

Hashtag der Woche: #hoffnungsironisiert


(Beitragsbild: @marcojodoin)

1 Terry Eagleton: Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Berlin 2016, S. 192.
2 Ebd. S. 220.

3 Vladimir Jankélévitch: Die Ironie. Aus dem Französischen von Jürgen Brankel. Berlin 2012, S. 180.

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florian klug

studierte Theologie und Germanistik an der Uni Würzburg und ist wissenschaftlicher Assistent am dortigen Lehrstuhl für Dogmatik.

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