Juliane Eckstein ist als Vertreterin des theologischen Mittelbaus beim Synodalen Weg und berichtet von ihren Eindrücken der ersten Vollversammlung.

Im letzten Beitrag zum Synodalen Weg habe ich der Geschäftsordnung viel Raum gegeben. Einfach, weil sie das erste konkrete Ergebnis des Synodalen Wegs ist. Aber am Ende des zweiten Tages verkündete Erzbischof Ludwig Schick noch eine praktische Maßnahme größerer Tragweite: Bis Ende des Jahres soll der Weg für kirchliche Verwaltungsgerichte frei sein. Diese sollen mit jeweils drei Richter*innen besetzt werden – Klerikern wie Lai*innen, Kanoniker*innen wie staatlichen Verwaltungsrichter*innen im Ehrenamt. Diese Ankündigung hat mich positiv überrascht und stimmt mich hoffnungsfroh. Auch wenn noch nicht vollständig klar wurde, inwiefern Bischöfe auf diesem Wege justiziabel sein werden, ist damit schon viel gewonnen

Nachdenken über Macht

Das allein wird jedoch nicht ausreichen, wie die Diskussionen zum Thema „Macht und Gewaltenteilung“ zeigten. Zwar wurde in der Synodenaula immer wieder betont, dass die Kirche ihrem Wesen nach keine Demokratie sei — sie sei eine Organisation sui generis. Doch hätten die meisten Online-Rückmelder*innen kein Problem mit einer Kirchendemokratie. Sie würden sich davon mehr Mitsprache und Teilhabe versprechen – also mehr Möglichkeiten, selbst wirksam zu werden. Sie kritisierten wiederholt, dass in der Kirche Partizipation nur simuliert werde, am Ende Entscheidungen aber doch autoritär getroffen würden. Diese Wortmeldungen zeugen davon, wie wenig selbstwirksam sich die Gläubigen in der Kirche wahrnehmen. Und das stellt die Authentizität von Kirche selbst in Frage.

Darauf wies die Dogmatik-Professorin Julia Knop (Erfurt) hin. Als Sakrament sei die Kirche Werkzeug und Zeichen. Das heißt für mich: Wo Partizipation draufsteht, muss auch Partizipation drin sein. Sonst funktioniert die Sakramentalität von Kirche nicht. Dasselbe gilt unter den umgekehrten Vorzeichen: Wenn Kirche als absolute Monarchie inszeniert wird, dann darf in ihr nicht die Verantwortung hin und her geschoben werden, ohne dass sich jemand zuständig fühlt. Auch so wird die Sakramentalität von Kirche verletzt.
Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp skizzierte als Gegenmodell eine Kirche, in der jede*r seine*ihre Berufung mit vollem Einsatz lebt. Auch ich halte das für ein wünschenswertes Ziel. Dann würden sich Menschen in ihr als selbstwirksam wahrnehmen. Dafür müssten die Menschen aber selbst entscheiden können, was ihre Berufung ist. Diese müssten sie in Freiheit leben können, und auf authentische Weise. Wie das gehen kann, ist noch alles andere als klar und wird die große Frage des Synodalen Wegs sein.

Nachdenken über das Priestertum

Schwierig ist auch das zweite Thema, das auf dem Synodalen Weg vertieft wird: die priesterliche Lebensform. Einerseits wurde gefordert, die verschiedenen Formen, in der bestimmte Kleriker ihre Sakralmacht ausnutzen, weiter im Blick zu behalten. Andererseits hätte es aber auch ohne den Skandal des Missbrauchs und seiner Vertuschung einen dringenden Analysebedarf gegeben. Sowohl bei den Online-Rückmeldungen als auch in der Synodenaula zeigte sich: Priester scheint es fast nur in der Zerreißprobe zwischen Idealisierung und Überforderung zu geben.

Angesichts dieser Diagnose spielte die Zulassung verschiedener Lebensformen gar nicht die entscheidende Rolle, auch wenn die Frage immer mitlief. Im Vordergrund stand vielmehr die aufrichtige Sorge um die guten Priester und Seminaristen. Viele sehen und fürchten, dass sie zwischen den hohen Ansprüchen, einer erstickenden Bürokratie und gigantischen Seelsorgeräumen zerrieben werden. Die priesterliche Lebensform ist also unbedingt mit dem Thema „Macht und Gewaltenteilung“ zusammen zu denken.
Neu war mir auch, dass eine Lockerung der Zugangskriterien wahrscheinlich anders aussehen würde als es die meisten vermuten würden. Mehrmals wurde der Vorschlag gemacht, von hauptamtlichen Priestern weiterhin die zölibatäre Lebensform zu verlangen und verheiratete Priester nur im Ehrenamt zuzulassen.

Nachdenken über Frauen in Diensten und Ämtern

Als noch kontroverser erwiesen sich die Themen Frauen und Macht. Einerseits betonte Bischof Rudolf Voderholzer die „göttlich legitimierte Geschlechterpolarität“. Andererseits sprachen aus vielen Online-Beiträgen tiefe Verletzungen, die Frauen mit und in der Kirche erlitten haben. Meines Erachtens kann die Kirche an diesen Verletzungen nicht achtlos vorübergehen, solange sie sich als „Leib Christi“ versteht und einen zu Tode Verletzten als Gott selbst verehrt.

Interessanterweise war die Geschlechtergerechtigkeit auch Vielen wichtig, die sich online gegen Frauen im Weiheamt aussprachen. Offensichtlich ist es möglich, außerhalb der Kirche eine unbedingte Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fordern, ja selbst in der Kirche außerhalb der Weiheämter, aber diese Frage auszusetzen, wenn es um die Weiheämter selbst geht. Ich frage mich nur, wie diese Dualität theologisch eingeholt werden kann.

Am meisten Resonanz fand in mir jedoch die Wortmeldung von Andrea Heim (KEB). Sie verwies darauf, dass im Zuge britisch-monarchischer Entwicklungen ein neues Verb geprägt worden sei:

„to Meghan Markle“. Das bedeute, „dich selbst und deine Gesundheit genügend wertzuschätzen, um eine Umgebung zu verlassen, in der dein authentisches Selbst nicht willkommen oder erwünscht ist.“

Junge Frauen täten genau das, sie verließen die Kirche, um den Verletzungen vorzubeugen, die andere, ältere Frauen in ihr erfahren haben. Es geht also um Freiheit, Authentizität, Selbstschutz – aber auch um eine ganz alte, ja biblische Qualität: Gerechtigkeit.

Nachdenken über Sexualität

Freiheit und Authentizität spielten auch beim vierten Thema wieder eine Rolle: „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“. Dazu kam aber ein grundlegendes Menschenrecht: das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit. Es hat mich ermutigt zu sehen, dass dieses Recht im Mittelpunkt stand und die Debatte darum kreiste, wie es am besten geschützt werden könnte. Selbst viele, die sich für den derzeitigen Stand der Lehrentwicklung stark machen, betonen zugleich, dass es im Grunde um den Schutz der persönlichen Integrität gehe. Schließlich mache man sich beim Thema Sex und Sexualität schnell verletzlich.

Uneinigkeit herrschte nur darüber, ob die kirchliche Lehre diesen Schutz derzeit leistet.
Dass diese Frage existenziell ist, machte uns ein weiterer Teilnehmer bewusst. Er stellte sich selbst als transsexuell vor und als einer, der Menschen unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten liebe. Und deswegen sei er abhängig, unfrei und erpressbar gewesen. Die Erpressung habe in seinem Fall bis zum Missbrauch gereicht. Er betonte, dass keine*r von uns sicher sei. Das kirchliche Sündenregister sei so lang, dass es alle treffe.

„Wir alle sind Sünder. Wir alle sind abhängig und erpressbar“,

lautete sein bitteres Fazit. Die daraus resultierende Sprachlosigkeit habe zu seinem Leid und zum Leid so vieler Anderer geführt. Eindrücklich ermahnte er uns, worum es in diesem Forum geht:

„Vielleicht ergötzt sich mein Täter an Ihrer Sprachlosigkeit.“

– Das Ende der Sprachlosigkeit wäre der Anfang einer wahrhaft christlichen Sexualmoral.

Hashtag: #SynodalerWeg


(Beitragsbild @Free-Photos)

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juliane eckstein

ist diplomierte Dolmetscherin und hat später in München und in Jerusalem Katholische Theologie studiert. Sie hat im Alten Testament über das hebräische Ijobbuch promoviert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Georgen. Sie findet die derzeitigen Umbrüche in der Kirchenszene spannend.

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