Wir haben Karl Rahner SJ bereits Fragen zur Fastenzeit, zu Ostern und Pfingsten gestellt; heute soll es um den Advent gehen. Rahner spricht Karltext – eine Serie bei y-nachten.de.
y-nachten.de: Herr Rahner, dürfen wir Ihnen ein Plätzchen und eine Tasse Glühwein anbieten?
Karl Rahner SJ: Aus Wein, so muß ich ehrlich sagen, mache ich mir nicht viel.
y-nachten.de: Nun gut, so lassen Sie uns gleich in das Interview einsteigen. Seinem Ursprung nach ist der Advent ja eine Vorbereitungs- und Fastenzeit. Kann man zu dieser Vorstellung noch einen Zugang gewinnen?
Karl Rahner SJ: In dieser winterlichen Zeit, in der wir Christen Advent feiern, wird die Welt stiller. Alles um uns her wird farblos und blaß. Es fröstelt uns. Man ist wenig aufgelegt zu buntem Treiben und lautem Lärm. Es ist, wie wenn die Welt kleinlaut geworden wäre und den Mut verloren hätte, sich selbst zu behaupten und stolz auf ihre Macht und ihr Leben zu sein. In dieser Zeit zeigt die Zeit der Welt ihre Armut, sie enttäuscht uns: Sie kann nicht bewahren und verliert ständig in die Vergangenheit, was sie aus der Zukunft in ihre eigene Gegenwart hineinzugewinnen scheint.
y-nachten.de: Das ist ja eine recht deprimierende Beschreibung des Advents – gerade weil jetzt viele Menschen Einsamkeit spüren. Was können Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Karl Rahner SJ: Es ist an der Zeit, die Melancholie der Zeit zu überwinden, sich selber leise und treu zu sagen, was der Glaube uns sagt. Da ist eine Zeit, das Wort des Glaubens gläubig zu sprechen: Ich glaube an die Ewigkeit Gottes, die in unsere Zeit, in meine Zeit hineingekommen ist. Unter dem ermüdenden Auf und Ab der Zeit wächst schon heimlich das Leben, das keinen Tod mehr kennt. Es ist schon da, es ist schon in mir, eben dadurch, daß ich glaube.
y-nachten.de: Der Advent ist für viele Menschen vor allem eine Zeit der Traditionen: vom Adventskalender über den Adventskranz hin zum Plätzchenbacken. Haben diese Traditionen über einige schöne Stunden im Familien- oder Freundeskreis hinaus noch eine Bedeutung?
Karl Rahner SJ: Ach Gott, das ist so ein frommer Brauch. Und Musik und ein bißchen weihnachtliche Stimmung ist immer schön und rührend. Und wenn das Religiöse auch noch zur Steigerung der Stimmung beigezogen wird, dann ist es besonders schön und rührend. Advent ist mehr als ein bißchen tröstliche Stimmung. Adventsfeier ist das Bekenntnis, daß wirklich Advent ist. Advent der Welt, Advent meines Herzens.
Wenn wir aber nun im Glauben sagen: Es ist wirklich Advent, dann sagen wir: Es ist in die Welt und in mein Leben ein Ereignis eingebrochen, das dies alles, was wir Welt und unser Leben nennen, verwandelt hat, dem allein ein Ziel und ein Ende gegeben hat, das dem „Nichts Neues unter der Sonne“ des alten Predigers und dem Grauen der ewigen Wiederkunft des neuen Philosophen ein Ende bereitet hat.
y-nachten.de: ‚Macht hoch, die Tür‘ oder ‚Tauet, Himmel, den Gerechten‘ – haben Sie ein Lieblingslied, das Sie im Advent gerne einmal singen?
Karl Rahner SJ: Ich konnte nicht singen und war deshalb sicherlich nicht gerade dazu prädestiniert, Benediktiner zu werden, obwohl ich damals gute Beziehungen zum Kloster Beuron hatte.
y-nachten.de: Für viele Menschen gehen Advent und Weihnachten recht nahtlos ineinander über. Worin liegt für Sie als Theologe der qualitative Unterschied zwischen beiden?
Karl Rahner SJ: Wenn wir sagen: Es ist Weihnacht, dann sagen wir: Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch. Alle Bitterkeit ist nur die Mahnung der ewigen Liebe, daß noch Advent ist, alles Glück dieser Erde nur die Bestätigung, daß schon Advent ist.
y-nachten.de: Herr Professor Rahner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Hashtag der Woche: #karltext
Alle Antworten stammen aus den Schriften Karl Rahners und wurden für das Interview von @karlrahner_sj kreativ neu angeordnet und dazu z.T. redaktionell bearbeitet.
(Beitragsbild: @Tim Mossholder)
Karl Rahner ist nicht einfach Epigone von Kirchenvätern, er ist selber ein solcher. Er begleitet mein Leben theologisch und spirituell.