Ein Österreicher hat während der Amazonien-Synode indigene Figuren in den Tiber geworfen. Dr. Bruno Hünerfeld analysiert als Ziel der Tat Papst Franziskus. Der Vorfall zeigt: die katholische Rechte ist enthemmt und durch einen kleinen Zirkel von Bischöfen und Kardinälen hochgradig ideologisiert.
Die Attacke galt dem Papst. Als Alexander Tschugguel, der sich öffentlich zur Tat bekannt hat, in den Morgenstunden des 21. Oktober 2019 mehrere indigene Statuen aus der Kirche St. Maria in Traspontina stahl, sie in den Tiber warf und seine Tat zunächst anonym als Heldenepos auf YouTube veröffentlichte, war eine neue Schwelle im Kampf gegen Franziskus überschritten: Seine Gegner*innen sind nun auch bereit, Gesetze zu brechen.
Die Tat vom 21. Oktober 2019 macht betroffen. Sie fand statt, als alle katholischen Medien gebannt auf die in Rom stattfindende Amazonien-Synode blickten. Es stellen sich Fragen nach kolonialem Denken und wie ausgerechnet ein Aktivist der Lebensschutzbewegung die Gestalt einer knienden hochschwangeren Frau in den Tiber werfen kann.
Doch dies alles war Alexander Tschugguel, der als Jugendlicher vom lutherischem Glauben zum Katholizismus konvertierte, egal, denn er wollte mit seiner Symboltat eines zeigen: Der Papst steht auf der Seite des Unglaubens – und mit ihm die ganze Amazonassynode.
Der Papst wird als Häretiker stilisiert
Menschen christlichen Glaubens können in diesen indigenen Statuen ein Symbol des Lebens und der bejahenden Schöpferkraft Gottes sehen. Katholik*innen wissen, dass „Elemente der Heiligung und Wahrheit“ (LG 8) auch außerhalb ihrer Kirche zu finden sind. Zugegeben: es war von vatikanischer Seite unprofessionell, die Präsenz indigener Statuen bei der Feier in den vatikanischen Gärten der Weltöffentlichkeit nicht besser erschlossen zu haben. Der Versuch aber, daraus ernsthaft eine Form päpstlich legitimierter Götzenanbetung zu konstruieren, ist nicht nur absurd, sondern kann nur aus dem schon längeren Bemühen rechtskatholischer Kreise verstanden werden, Franziskus als Häretiker zu überführen.
Schon seit der Wahl Jorge Mario Bergoglios versucht die Opposition zu ihm, sein Pontifikat zu desavouieren. Dabei werden dort vor allem drei Modelle diskutiert. Die ersten beiden Modelle, die behaupten, dass Papst Franziskus gar nicht Papst sei, finden nur in sehr extremen Randgruppen Widerhall. Argumentationsfigur ist hier, dass entweder Benedikt XVI. gar nicht zurückgetreten sei, da er bei seiner auf lateinisch gehaltenen Rücktrittsrede vom „ministerium“ spricht, das er zurückgibt, wo doch kirchrechtlich das Papstamt ein „munus“ sei; die andere Argumentationsfigur erkennt zwar den Rücktritt Benedikts an, behauptet aber, dass die Neuwahl ungültig sei, weil es vor der Wahl unerlaubte Absprachen gegeben habe. Der Mainstream der Franziskusgegner*innen um den amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke und den kasachischen Weihbischof Athanasius Schneider versucht aber, einen dritten Weg zu gehen: Franziskus als Häretiker zu entlarven. Damit rufen sie eine mittelalterliche Rechtsfigur des „papa haereticus“ wach, die ihnen und ihrer Anhängerschaft erlaubt, auf vermeintlich kirchenkonforme Weise in Totalopposition zum Papst zu gehen: Die „Dubia“ etwa im Blick auf „Amoris laetitia“, der Protest gegen die Erklärung von Abu Dhabi und das Hochpuschen der Aussage des italienischen Journalisten Eugenio Scalfaris, Franziskus habe die Gottheit Jesu geleugnet dienen diesem Ziel.
Das wahre Dogma: Die Ablehnung der modernen Welt
Genau dies möchte Tschugguel in seinem Bekennervideo als Grund seiner Tat verstanden wissen. Er muss die Reinheit des katholischen Glaubens gegen den Papst bewahren, indem er die indigenen Symbole als Götzen entlarvt. Die Worte, die er spricht, kommen einem bekannt vor. Es sind Wiedergaben von Athanasius Schneider und anderen bischöflichen Stichwortgebern. So klagt Tschugguel in einem Interview bei den rechtskatholischen lifesitenews über die Möglichkeit verheirateter Priester und einer Ämteröffnung für Frauen. Als er von „the green climate change ideology“(!) spricht, zeigt er, wie sehr Rechtspopulismus und Rechtskatholizismus miteinander verwandt sind. Tschugguel offenbart sich als treuer Jünger der (Brand-)Müllers, von Burke und Schneider. Er wiederholt ihr Dogma einer Ablehnung der modernen Welt, zu der auch die Auffassung gehört, in Berufung auf göttliches Recht staatliche Gesetze brechen zu dürfen. Dies zeigt ein Verhältnis zum modernen Rechtsstaat, das für eine Gesellschaft, aber auch für das Selbstverständnis der katholischen Kirche inakzeptabel und gefährlich ist.
Nur wenige Stunden nach dem Geständnis von Alexander Tschugguel gingen Bilder eines mexikanischen Priesters durch die sozialen Netzwerke, der indigene Symbole als „Reparation gegenüber Gott“ verbrannte. Der von Kardinälen und Bischöfen gesäte Hass geht auf, ohne dass sie sich selbst die Hände schmutzig machen müssen. Dafür darf sich Tschugguel damit rühmen, von Athanasius Schneider selbst als „Held“ und „Makkabäer“ bezeichnet und im Internet gefeiert worden zu sein. Das System der Hetze hat seine eigenen Belohnungssysteme.
Doch für den Vatikan wird es nun Zeit, gegen die bischöflichen Stichwortgeber vorzugehen, nicht nur um den Papst, die Gläubigen, Indigene im Respekt vor ihren Symbolen zu schützen, sondern ebenso auch junge Menschen wie Alexander Tschugguel.
Hashtag der Woche: #AmazonSynod
(Beitragsbild: @AshwinV11)
Dieser „Bericht“ soll ein Bericht sein, und keine Meinung? Der Graben in unseren Gesellschaften und Kirchen wird auf diese Weise größer und größer. Gott sei es geklagt.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Y-nachten.de ist keine Nachrichtenportal, sondern bietet (siehe „Über uns“) die Möglichkeit an, sich in essayistischer Form zu bestimmten Fragen zu positionieren. Dass der Graben immer größer wird, wird ja in dem Artikel beklagt. Da stimme ich Ihnen also ausdrücklich zu. Eine wesentliche Ursache bilden aber auch jene Milieus, die, wie im Artikel beschrieben, in der Gefahr stehen, unter „bischöflicher Anleitung“ ideologischer und radikaler zu werden.
Das war eine mutige und heroische at des österreichischen Katholiken. Noch nie hat es solche öffentliche Greul in der Kirche gedeben. Erfüllen sich jetzt die Voraussagen der Muttergottes von La Salette – Rom wird den Glauben verlieren.
Peter Schröder , Höxter/ Westfalen.
Natürlich steht es Ihnen frei, den Diebstahl und die Entsorgung der Figuren als „mutig“ und „heroisch“ zu bezeichnen. Es bleibt aber eine Straftat und ich sehe nicht, dass Ihre Antwort mir Argumente gibt, das anders zu sehen.
Die Offenbarungen von La Salette, die zu den sogenannten Privatoffenbarungen gehören, hier als Verweis zu nennen, halte ich für gewagt. Für diese Offenbarungen gilt auch das, was Joseph Ratzinger in seinem höchst lesenswerten Kommentar zum Dritten Geheimnis von Fatima geschrieben hat. Bitte bedenken Sie: Offenbarungen wollen uns weniger über die Zukunft informieren, als vielmehr uns im „Hier und Jetzt“ verändern. Der Maßstab ist Jesus Christus, Liebe, Umkehr, etc. Sie wissen, dass in den Texten von La Salette auch davon gesprochen wird, dass der Papst viel zu leiden hat. Im Duktus Ihres Verständnisses wäre es hier ebenso leicht zu konstruieren, hierin Papst Franziskus zu erkennen
Deshalb glaube ich, auf solche Privatoffenbarungen zu verweisen, ist wenig hilfreich für unsere Diskussion und es birgt auch die Gefahr, sich mit solchen Verweisen gegen eine Auseinandersetzung auf Basis von Argumenten zu immunisieren.
Eigentlich schäme ich mich als Österrreicherin für die Tat meines Landmannes. Das ist keine heroische Tat, eher das Gegenteil und wenn sie gegen den Papst gerichtet war ist es noch bedenklicher. Es gab in der Kirche genug Gewalt und jetzt da wir sie überwinden wollen kommt sie durch die Hintertür wieder zurück, einfach nur traurig.
Ob Deutscher, Österreicher oder Italiener spielt für mich keine Rolle. Interessant war für mich die Information, dass Alexander Tschugguel Konvertit ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade Konvertiten für Hardcore-Katholizismus anfällig sind. Da hat man endlich die protestantische Beliebigkeit für angeblich immerwährende Wahrheiten (Z.B. Absage an Frauen-Ordination) eingetauscht und muss miterleben, dass sogar die katholische Kirche im Wandel ist. Was machen eigentlich Tschugguel und Geistesverwandte, wenn sich nach der Amazonien-Synode auch der deutsche Synodale Weg für Viri probati und das Diakonat der Frau ausspricht?