Nach Interviews zur Fastenzeit und zu Ostern haben wir erneut mit Karl Rahner SJ gesprochen, dieses Mal über Pfingsten und den Heiligen Geist. Rahner spricht Karltext – eine Serie bei y-nachten.de.

y-nachten.de: Lieber Herr Prof. Rahner, wie schön, dass Sie sich wieder Zeit für ein Gespräch nehmen! Lassen Sie uns direkt beginnen. An Pfingsten kommt der Geist auf die Jünger herab, das Fest gilt als Geburtstag der Kirche. Was wünschen Sie der Kirche zum Geburtstag?

Karl Rahner SJ: Wir in der Kirche würden den Geist des Herrn leichter und machtvoller erfahren und entdecken können, wenn wir nicht Angst vor ihm hätten. Er ist zwar der Geist des Lebens, der Freiheit, der Zuversicht, der Hoffnung und der Freude, der Einheit und so des Friedens. Man sollte also meinen, der Mensch trage nach nichts mehr Verlangen als nach dem Heiligen Geist. Aber dieser Geist ist, um diese Gaben zu geben, der Geist, der immer wieder alte Grenzen sprengt, alles der Unbegreiflichkeit überantworten will, die wir Gott nennen, ist der Geist, der durch den Tod das Leben gibt. Kein Wunder, daß wir vor ihm Angst haben.

y-nachten.de: Zuerst Weihnachten, dann Ostern, nun Pfingsten – in welchem Verhältnis stehen diese Feste zueinander?

Karl Rahner SJ: Pfingsten ist die Vollendung von Ostern. Denn Pfingsten ist die Vollendung der heiligen Geheimnisse, deren Gedächtnis wir in der Osterzeit begehen, des Geheimnisses des Opfertodes des Herrn, seines Sieges in der Auferstehung, seines Eingangs in die Ewigkeit des Vaters in der Himmelfahrt.

Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Pfingsten (also alle jene „einmal für immer“, die wir in den großen Festen der Christenheit begehen) gehören so eng zusammen, daß sie nur die zeitliche Entfaltung eines einzigen Heilsereignisses sind, die Zeitgestalt einer einzigen Tat Gottes in der Geschichte und an der Menschheit.

Daß der Sohn gekommen ist – Weihnachten; daß er im Abgrund der Absurdität „Vater“ sagte – Karfreitag; daß er bei Gott als bei dem Vater mit der ganzen Wirklichkeit seines Daseins ankam – Ostern; daß er uns den Mut seines Geistes ins Herz gab, ihm „Vater“ nachzusprechen – Pfingsten.

y-nachten.de: Jetzt aber einmal zu Pfingsten – kurz und knapp: Was feiern wir hier eigentlich? Und warum?

Karl Rahner SJ: Wir nennen diesen Gott, der sich selbst verschenkte, den Heiligen Geist. Er ist unser. Er ist in jedem Herz, das ihn glaubend und demütig ruft. So sehr ist er unser, daß man eigentlich nicht mehr sagen kann, was der Mensch sei, man sage denn, daß Gott selbst seiner ist. Gott ist unser Gott. Das ist die Botschaft von Pfingsten.

y-nachten.de: Man hat oft den Eindruck, dass der Hl. Geist in der Trinität ein wenig hintenan steht. Wer oder was ist dieser Geist? Wie zeigt er sich in der Welt?

Karl Rahner SJ: Wenn wir ausschauen nach innerer Freiheit, in der der Mensch ohne Rücksicht auf sich selbst dem Spruch seines Gewissens treu bleibt, wenn es einem – er weiß selbst nicht wie gelingt, wirklich aus dem Gefängnis seines Egoismus auszubrechen, wenn einer nicht nur Vergnügen und Freuden genießt, sondern die Freude hat, die keine Grenze kennt, wenn jemand in schweigender Gelassenheit sich vom Tod nehmen läßt und dabei sich einem letzten, als Einheit, Sinn und Liebe geglaubten Geheimnis anvertraut, dann ist das am Werk, was wir Christen Heiligen Geist nennen, gerade weil in diesen und ähnlichen Erfahrungen, die wir nannten, nicht ein einzelnes manipulierbares und abgrenzbares Moment unserer Erfahrungswelt gegeben ist; sondern weil diese Erfahrungswelt ihrem nicht mehr umfaßbaren Grund, ihrer innersten Mitte, die ihr selbst nicht mehr eigen ist, übergeben wird.

y-nachten.de: Um es noch etwas komplizierter zu machen: Inwiefern ist der Geist göttliche Person?

Karl Rahner SJ: Wenn wir heute von „Person“ sprechen, dann denken wir an ein Subjekt mit einem eigenen Bewußtseinszentrum und eigener Freiheit, das in Verschiedenheit sich von jedem anderen Subjekt abhebt und unterscheidet. Wenn wir darum hören, daß in Gott drei Personen sind, dann sind wir geneigt, an drei Subjekte mit drei Bewußtseinen und drei Freiheiten zu denken, die sich so gegenüber stehen. Aber wenn wir so tun, verstehen wir das Dogma der Trinität falsch.

y-nachten.de:Draußen wird es wärmer, drinnen kommen die Student*innen in den Prüfungsstress. Würden Sie sagen: Ab und an einmal ins Freibad gehen schadet auch nicht?

Karl Rahner SJ: Wir schwimmen ja alle, wenn wir ehrlich sind!

 

 

Hashtag der Woche: #karltext


Alle Antworten stammen aus den Schriften Karl Rahners und wurden für das Interview von @karlrahner_sj kreativ neu angeordnet und dazu z.T. redaktionell bearbeitet.

(Beitragsbild: @Paul Bulai)

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prof. dr. karl rahner

war Professor für systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Dogmatik und Dogmengeschichte in Innsbruck, München und Münster. Er nahm am Zweiten Vatikanum und an der Würzburger Synode teil. Im Jahr 2018 erschien der letzte Band seiner Gesammelten Werke.

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