An der Uni Freiburg fand kürzlich ein Studientag zum Dialog der monotheistischen Weltreligionen statt. Miriam Rother, eine der Organisatorinnen, blickt zurück auf ein gelungenes Miteinander, das in unseren Zeiten so wichtig erscheint wie eh und je.

In der postmodernen Realität ist der Religionsplural mittlerweile „täglich Brotˮ geworden. Durch Prozesse wie „Globalisierung, Migration, das Zusammenwachsen Europas, Fluchtbewegungen etc. […]ˮ1 müssen sich Gesellschaften auch zwangsläufig mit Interkulturalität, Interreligiosität und der damit einhergehenden Heterogenität auseinandersetzen. Und dennoch beschleicht uns bisweilen das Gefühl, es fehle an tatsächlichen Konzepten, um den Pluralisierungsprozess in Deutschland produktiv zu verarbeiten und anderen Religionen eine gleichberechtigte Position im gesellschaftlichen Miteinander neben christlich geprägten Stimmen anzubieten.

Aktuelle Debatten (man betrachte z.B. die andauernde „Kopftuch-Debatte“, die oftmals einseitig in Diskussionen über „die Einstellungen zum Geschlechterverhältnis [im Islam] und als Zeichen des islamischen Fundamentalismus“2 angebracht wird) zeigen die starke Stereotypisierung und Kategorisierung auf, mit der anderen, gar „fremdenˮ Religionen und Kulturen außerhalb des westeuropäischen Raums begegnet wird. Zerrbilder und ein generalisierender Umgang z.B. mit „dem Islamˮ führen dazu, dass sowohl die Existenz der einzelnen Individuen als auch das Selbstverständnis der jeweiligen Religionen untergraben werden. Dies wird der Heterogenität der Religionen keinesfalls gerecht. Zudem trägt oftmals gefährliches Halbwissen zu einer

diffuse[n] Verknüpfung zwischen Islam und Konflikt [bei, was] die Angst ansteigen [lässt] und […] so auch Stereotype [prägt].3

Ein differenzierter und reflektierter Umgang sowie ein Dialog bleiben dabei auf der Strecke – die Möglichkeit verstreicht, das Andere wirklich verstehen zu lernen und am Anderen sich selbst kennenzulernen. Dabei sollte es Aufgabe der Gesellschaft und somit jedes*jeder Einzelnen sein, in den Diskurs zu treten, plurale Denkweisen gelten zu lassen und Vielfalt als Chance zu erleben.

Treffen sich eine Muslima, eine Jüdin und ein Christ…

Hier kann Theologie einen entscheidenden Beitrag leisten und als Möglichkeit verstanden werden, den lebensrelevanten Alltag mitzugestalten und das „Fremde“ nicht zu umgehen, sondern gemeinsame Orte der Begegnung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Gruppe von fünf Studentinnen aus Freiburg dem Thema des interreligiösen Dialogs verschrieben. Die Gedanken mündeten schließlich in der Idee eines Dies Academicus, der an der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg im Januar stattfand. Dieser Tag stand unter dem Motto „‘Oh mein Gott dieser Himmel! Wie komm ich da bloß rein?‘ (Marteria) – Dialog zwischen Kippa, Kreuz und Kopftuch.“

Dabei war die Intention vor allem ein Sprechen MITeinander, ein tatsächliches In-den-Dialog-Treten, sodass es nicht nur bei einem Sprechen über „die Anderen“ bleibt. Hierzu wurden Vertreter*innen der drei großen monotheistischen Religionen eingeladen: Hamideh Mohagheghi auf muslimischer Seite, Annette Böckler als Vertreterin des Judentums und Günter Riße als Repräsentant des Christentums. Durch die Gäste und die angebotenen Workshops wurde ein Dialog zwischen Kippa, Kreuz und Kopftuch ermöglicht. Neben innenperspektivischen Schilderungen, die die existentielle Bedeutung der Religion für die Vertreter*innen verdeutlichten, wurden theologische Fragen be- und verhandelt. Im Mittelpunkt standen dabei thematische Herausforderungen für den Dialog, z.B. die Bewertung religiöser Rituale im Kontext des Rechtsstaates oder auch immer wieder aufflammende Debatten um Antisemitismus. Ziel war es Unwissen abzubauen, um so die andere Religion in ihrer spezifischen Eigenart wahrnehmen zu können.

 „Der Himmel ist für alle da.“4

Die Absolutheit der Wahrheitsansprüche der jeweiligen Religionen als Grenze eines gelingenden Dialogs zu verstehen, wurde von den jeweiligen Vertreter*innen abgelehnt. Von jüdischer Seite betonte Annette Böckler, dass Israel zwar das erwählte Volk Gottes sei, der Heilsplan Gottes jedoch gleichsam für alle gelte. Mit einem Verweis auf die Konzilserklärung Nostra aetate erklärte Günter Riße, dass auch das Christentum in allen Religionen Wahrheit anerkenne und das durch Christus geoffenbarte Heil allen zugänglich sei. Die Gefahr eines impliziten Inklusivismus darf dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden.5 Die Muslima Hamideh Mohagheghi betonte zudem, das Paradies sei keine postmortale Sache, sondern ein Zustand, in dem sich der Mensch auch schon in diesem Leben befinden könne: Das Paradies sei im Herzen eines jeden Menschen und jede*r könne in diesem Zustand leben. Aus individueller menschlicher Perspektive gebe es womöglich nur eine Wahrheit, zu der der Mensch – aufgrund seiner Sozialisation oder Religion – Zugang gefunden hat. Diese Wahrheit dürfe wiederum nicht als absolut für andere gelten.

Solche Auseinandersetzungen sind Spiegelbild eines religionstheologisch höchst relevanten Diskurses, der auch für das Selbstverständnis der Religionen in der Gesellschaft bedeutsam ist. Aus ihnen ergeben sich folgende weitere Impulse und Fragen:
Wie kann adäquat mit der Tatsache umgegangen werden, dass das Christentum in Deutschland ein superioristischer Dialogpartner ist? Welche Akteur*innen braucht es in der Gesellschaft, damit die Religionen überhaupt in den Dialog treten können? Worin liegen die größten Herausforderungen für ein gesellschaftliches Miteinander der Religionen?

Hierbei geht es nicht um dezidiert theologische Fragen, sondern um Haltungen. Haltungen, die jede*r Einzelne für einen gelingenden interreligiösen Dialog bedenken sollte – nicht nur um der Religionen willen, sondern besonders um der Gesellschaft willen.
Christliche Theologie (bzw. Theolog*innen) hat dabei den Auftrag, sich mehr denn je über die Verbunden- und Verwobenheit mit den anderen monotheistischen Religionen bewusst zu werden. Eine Theologie, die sich allein dem eigenen religiösen (Selbst-)Verständnis widmet, verfehlt die Chance, angesichts der gesellschaftlichen Pluralität ein gestaltender Akteur im Dialog zu sein und die „Zeichen der Zeit“ (GS 4) ernstzunehmen.

Was vom Dialog bleibt…

… das sind einerseits weiterhin Fragezeichen, mit denen es sich zu beschäftigen gilt. So kann man durchaus kritisch anfragen, ob es überhaupt noch ausreichend ist, den interreligiösen Dialog als inszenierten Dialog nur zwischen den drei monotheistischen Religionen zu führen.
Andererseits aber bleibt am Ende eines solchen Tages vor allem eine Erkenntnis: wie bereichernd es sein kann, miteinander zu reden, zu diskutieren, zu essen und zu lachen. Die Begegnung mit den anderen Religionen befreit von Vorurteilen und vorgefertigten Meinungen. Das Zauberwort hierfür ist so alt und gleichzeitig so einfach: Freundschaft. Sehen wir Angehörige anderer Religionen nicht als Fremde, sondern als Freund*innen, mit denen wir in einen Dialog treten, dann setzt sich vor allem eines in den Köpfen fest:

Reden hilft – vor allem MITeinander statt ÜBEReinander!

Hashtag der Woche: #letstalk


(Beitragsbild @Javier Allegue Barros)

1 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.10.1996 i.d.F. vom 05.12.2013), S. 2.

2 Nachzulesen beim bpb.

3 Pickel, Gert, Religiöse Pluralisierung als Bedrohungsszenario? Stereotypen, Ängste und die Wirkung von Kontakten auf die Integration von Menschen anderer Religion, in: Amirpur, Katajun; Weiße, Wolfgang (Hg.), Religionen. Dialog. Gesellschaft, Münster 2015, S. 35.

4 So der Titel des Berichts über den unterreligiösen Studientag in der Badischen Zeitung.

5 Anm. d. Verf.

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miriam rother

studiert katholische Theologie und Germanistik an der Universität Freiburg und arbeitet als Studentische Hilfskraft am Arbeitsbereich Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte.

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