In Oliver Wintzeks diesjähriger Weihnachtsvorlesung sieht sich der Protagonist Kevin vor orts- und weltkirchliche Herausforderungen gestellt. Außerdem wird er vom Kind in der Krippe selbst auf dogmatisches Wissen zur Menschwerdung geprüft.

Es begab sich wieder zu jener Zeit, da kurz vor Heiligabend die Krippen in den Kirchen aufgestellt zu werden pflegten, dass Kevin wieder schwerbepackt seine Tüten auf den Stufen jener Innenstadtkirche abstellte, deren genaue Verortung wir aus Gründen der Diskretion erneut verschweigen wollen. Seit dem letzten Jahr war viel geschehen: Zwar arbeitete Kevin immer noch bei jener Lebensversicherung, deren absurdes Institut er längst durchschaut hatte, gleichwohl war ihm aufgegangen, dass sich in dem hier ökonomisch etablierten Sicherungsbedürfnis wohl nur eine der vielen säkularisierten Dynamiken meldete, die einstens durch die jenseitskompetente Heilsanstalt der Kirche verwaltet wurden. Viele Beratungsgespräche mit seiner Kundschaft hatten Kevin darin bestärkt, dass urwüchsige und tiefsitzende religiöse Sehnsüchte nicht einfachhin verdunstet seien, dass sie sich nur jenseits der etablierten Christentümern ihren Ausdruck schafften.

Etwas wehmütig blickte Kevin hinauf zum Tympanon des Hauptportales der neugotischen Liebfrauenkirche, von welchem aus ihn die Gottesmutter mit dem Christuskind anblickte. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass ihr etwas pausbackiger Gottessohn ein kugelförmiges Etwas in seinen Händen hielt – was es damit wohl auf sich haben mochte? Bei Gelegenheit würde er Madame Google befragen; für jetzt schnappte er sich seine Taschen, überließ die Gottesmutter mit ihrem unerwiderten Blick auf die vorbeihetzenden Menschenmassen ihrem versteinerten Schicksal und betrat den weiten Kirchenraum. À propos Veränderung: Kevin hatte sein eingestaubtes postchristliches Dasein aufgehübscht und gehörte nun zum Kreis derer, die sich in dieser Pfarrgemeinde engagierten – wie es im Kirchensprech hieß. […]

Den gesamten Text gibt es hier.


(Beitragsbild von @cmsowder)

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pd dr. oliver wintzek

studierte Katholische Theologie in Freiburg, Jerusalem und Rom. Er ist Privatdozent für Fundamentaltheologie in Freiburg und Lehrstuhlvertretung für Dogmatik in Bonn. Er ist außerdem Priester der Erzdiözese Freiburg und als solcher Kooperator in Mannheim.

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