In der Rubrik Spoiler Alert liefern wir kurze und knackige Texte über (pop)kulturelle Niceigkeiten. Neue Platten, Video-Spiele, Essaysammlungen und Romane, Theaterstücke – nichts ist vor uns sicher. Heute schreibt Franca Spies über die Netflix-Serie „Chilling Adventures of Sabrina“.

Pünktlich zu Halloween hat Netflix unsere Bildschirme mit gruselig-unterhaltsamem Frischfleisch versorgt. Die „Chilling Adventures of Sabrina“ stellen eine Halbhexe an der Schwelle zum Erwachsensein in das Rampenlicht. Der Sabrina-Stoff ist nicht neu: Die Tochter aus dem Hause Spellman, die mit ihrem schwarzen Kater Salem bei den Tanten Hilda und Zelda wohnt und stets zwischen magischer und menschlicher Welt hin- und hergerissen scheint, entstammt den Archie Comics und war u.a. bereits in den 90ern Hauptfigur der US-Sitcom „Sabrina — Total Verhext!“.

Das komische Genre hat der Macher der Neuauflage, Roberto Aguirre-Sacasa, entschieden hinter sich gelassen, und sich in schaurigere Gefilde gewagt. Kurzum: Wer kein Blut sehen kann und allergisch auf Gänsehaut reagiert, sollte besser die Finger von „Chilling Adventures of Sabrina“ lassen. Allen anderen jedoch steht eine Serien offen, die mit einer hochkarätigen Besetzung protzt — Miranda Otto, bekannt aus „Herr der Ringe“, und Michelle Gomez, bekannt aus „Dr. Who“, spielen zwei der weiblichen Hauptrollen in einer insgesamt recht feministischen Konstellation. Außerdem werden hier auf kreative und bisweilen skurrile Weise religiöse Themen neu verhandelt.

Ich taufe Dich auf den Namen Satans …

Zu Beginn dreht sich die Handlung um ein Initiationssakrament: Sabrina soll an ihrem sechzehnten Geburtstag ihre „dark baptism“ erhalten, darin dem „Dark Lord Satan“ ihr Leben übergeben und damit vollwertig in die Welt der Hexen eintreten. Damit verbindet sich jedoch die Aufopferung bisheriger Freundschaften, denn ein Leben als Hexe bedeutet das Verlassen der sterblichen Welt, in der Sabrina ganz normal die Highschool besucht und sich dort für Frauenrechte engagiert, mit Harvey Kinkle zusammen ist und in Roz und Susie zwei beste Freundinnen hat. Entsprechend schwer tut sich die Teenagerin mit der Entscheidung für oder gegen die dunkle Taufe. Auch der Besuch des satanischen Hohepriesters kann sie nicht vollends überzeugen.

So bleibt sie vorerst Bewohnerin zweier Welten. Nicht nur ihr sterbliches, weltliches Leben hält sie von der Taufe ab — vor allem der absolute Gehorsam und das Erfüllen eines fremden Willens stoßen ihr übel auf. Und tatsächlich fordert die magische Parallelwelt immer wieder Handlungen von ihr ein, die sie für unmenschlich hält, und geht mit Unverständnis und beachtlichem Rigorismus gegen etwaige Gebots- und Verbotsübertretungen vor.

„Praise Satan!“ oder: Das umgedrehte Christentum

Der Schritt von Sabrinas Geschichte, von ihrem Ringen mit der „Religion“ ihrer Tanten, zu den Geschichten vieler Menschen, die mit dem institutionalisierten Christentum ringen, ist natürlich nicht groß. Biblische Anspielungen finden sich im Drehbuch zuhauf: Die Frucht eines Baumes bringt Erkenntnis, eine Frau erschlägt ihre Schwester, weil dem Satan deren Gericht besser schmeckt etc. Zudem wird terminologisch auf das Christentum, seine Riten und die von ihm geprägten Kulturkreise referiert: Satan ist der verehrte „Dark Lord“, aus den Reihen seiner Anhänger*innen heißt es ständig „Praise Satan“, und der Fluch der Wahl lautet „Unholy Sh*t!“.

Begriffe aus der christlichen Sprache, wie auch die (dunkle) Taufe, werden hier in ihr Gegenteil verkehrt und dadurch zur Matrix einer fremden religiösen Ordnung. Für die Religion mag das als Weckruf verstanden werden, sich selbst nicht auf überstrapazierte buzzwords zu reduzieren. Anders gesagt: Ein wenig Arbeit am Begriff ist gefragt. „Gnade“, „Berufung“, ja sogar „Gott“ sind austauschbare und willkürliche Begriffe, solange wir sie nicht füllen und erklären, was wir darunter verstehen.

Aus „Chilling Adventures of Sabrina“ lässt sich zudem lernen — das hängt natürlich mit der Begriffsarbeit zusammen —, dass eine Religion, die das Subjekt mit unverständlichen, heteronomen Vorschriften überschüttet, zwar auch überzeugte Anhänger*innen finden wird, jedoch zu einem hohen Preis: Wer sich seines eigenen Verstandes bedient, blinden Gehorsam verweigert und die Menschlichkeit zum Maßstab des eigenen Handels macht, wird darin kaum eine geistige Heimat finden. Schade für die Religion.


(Beitragsbild: Netflix)

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franca spies

studierte katholische Theologie in Freiburg und Jerusalem. Nach ihrer Promotion in Freiburg arbeitet sie nun in der Fundamentaltheologie an der Universität Luzern. 2016 hat sie y-nachten mitgegründet und gehört bis heute der Redaktion an.

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