In einer kleinen Artikelserie blicken wir zurück auf die Salzburger Hochschulwochen 2018, die aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema „Angst“ in unserer Zeit gewidmet waren. Zum Auftakt beschäftigt sich Claudia Danzer mit den Vorträgen des Klimafolgenforschers Ottmar Edenhofer.
Wir leben, als hätten wir 1,7 Erden zur Verfügung. Das hat uns der World Overshoot Day am 1. August wieder in Erinnerung gerufen. Die Ressourcen, die die Natur innerhalb eines Jahres selbst regenerieren kann, sind für 2018 aufgebraucht. Ab jetzt leben wir auf Kosten der kommenden Generationen, in Deutschland tun wir das schon seit Anfang Mai. Ganze drei Erden bräuchten wir, würden alle so leben wie in Deutschland. Noch 1987 war der World Overshoot Day am 19. Dezember. Wann er wohl nächstes Jahr sein wird?
Und trotzdem gibt es immer noch Stimmen, die sagen, die Entwicklungen seien der ganz normale Lauf der Dinge oder gar eine chinesische Erfindung. Wie viele bin ich sprachlos angesichts dieser Komplexitätsreduktion, wenn es um Ursachen und Folgen des Klimawandels geht. Da tut es gut, einmal einen ausgewiesen Experten zu hören: Die Salzburger Hochschulwochen hatten den Klimafolgenforscher Prof. Dr. Ottmar Edenhofer als ersten Gastredner eingeladen, der den Auftakt zur einwöchigen Auseinandersetzung mit dem Thema „Angst“ machte. In seinen Vorträgen konfrontierte er das Publikum mit den aktuellen Entwicklungen in der Klimapolitik. Die Verbindung von Angst und Klima lag dabei schnell auf der Hand. Ottmar Edenhofer hatte als Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Klimaschutz“ des Weltklimarates das Pariser Abkommen mit vorbereitet und nicht nur einige Anekdoten über Klimapolitik im Gepäck, sondern auch die Gabe, das komplexe Phänomen und seine größten Herausforderungen überblicksartig den fachfremden Zuhörer*innen darzustellen.
Von wegen chinesische Erfindung: Was uns blüht
Zu den heute schon prognostizierten Folgen des Klimawandels gehören Inseln in Ozeanien, die das Meer auffrisst, oder sich immer weiter ausdehnende Wüstenebenen. Das hat wiederum soziale Folgen: die Zunahme von Migration und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Steigerung von ethnischen Konflikten – gerade weil gemeinsame Güter betroffen sind. Damit wird der Klimawandel zu einer Frage der internationalen Sicherheit.
Das größte Problem der fortschreitenden Erhitzung der Atmosphäre diagnostiziert Edenhofer in der Renaissance der Kohle.1 Es gebe nicht zu wenig fossile Energieträger, sondern zu viele. Anstatt neue Wege in der Energiegewinnung zu gehen, würde in der Forschung viel Geld in die Entwicklung neuer Explorationstechniken entwickelt. Die Risiken des Klimawandels, so Edenhofer, hängen aber von den CO2-Emissionen in die Atmosphäre ab. Und die
Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre als Deponierraum für CO2 ist begrenzt.2
Wie wär’s mal damit: Die Atmosphäre als Gemeinschaftseigentum der Menschheit
Seine Lösung? Er fordert ein radikales Umdenken: die Atmosphäre als Gemeinschaftseigentum der Menschheit zu begreifen und dies durch internationale Abkommen politische Realität werden zu lassen. Die Nutzung der Erdatmosphäre muss dann etwas kosten. Denn nicht alle, die sie nutzen, sind mit den unmittelbaren Folgen des Klimawandels konfrontiert. Wenn endlich erkannt wird, dass die Atmosphäre allen Erdenbürger*innen gehört, würde ein Stückchen mehr Gerechtigkeit einkehren. Der Weltgemeinschaft würde dann Geld zur Verfügung stehen, das sie zurück in den Klimaschutz investieren kann.
Päpstliche Unterstützung
Während sich die Politiker*innen bei Paris mit der Umsetzung dieser Idee noch schwer taten, hat Edenhofer von anderer Seite einen großen Fürsprecher erhalten. Papst Franziskus schreibt in seiner Umweltenzyklika „Laudato Si“ über die Sorge für das gemeinsame Haus:
Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle. (LS 23)
Für Edenhofer trägt Papst Franziskus mit seiner Schrift zu einer Mobilisierung der Bevölkerung für den Klimaschutz bei.3 Franziskus fordert darin eine neue universale Solidarität. Er appelliert:
Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. […] Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus. (LS 14)
Franziskus macht sich zum Sprachrohr der globalen Perspektive: Wir können so leben, als hätten wir drei Erden, aber wir können auch etwas für die eine tun, die es gibt.
Warum war der Klimawandel berechtigtes, prominent erstplatziertes Thema auf den Salzburger Hochschulwochen? Weil er – dem Überthema entsprechend – Angst machen kann. Und weil er als eine der drängenden Gegenwartsfragen in das Bewusstsein von Theologie und auf die Tagesordnung kirchlichen Handelns rücken muss.
Hashtag: #shw2018
(Beitragsbild: @stokpic)
[1] Edenhofer, Ottmar/Jakob, Michael: Klimapolitik: Ziele, Konflikte, Lösungen, München 2017, 29-33.
[2] Ebd., 65.
[3] Ebd., 70.