Kürzlich hat der Präfekt der Glaubenkongregation, Luis Ladaria SJ, einmal mehr verlauten lassen, dass die Kirche auch künftig keine Frauen zu Priesterinnen weihen wird. Dahinter verbirgt sich — so Dr. Rita Werden — ein Verständnis von lehramtlicher Autorität, das heute längst infrage steht.

In zeitlos erscheinender Weise hat der Präfekt der Glaubenskongregation am 29.05.2018 im L’Osservatore Romano bekräftigt, dass Jesus Christus selbst wirklich, nein, wahrhaft entschieden habe, dass nur durch das Mann-Sein, diesen „unentbehrlichen Aspekt“, gekennzeichnete Menschen ihn sakramental am Altar vertreten könnten. Und weiter erklärt Ladaria, dass das Lehramt, selbst wenn es anders wollte, nicht anders könnte, als definitiv noch einmal zu erklären, was definitiv schon als definitiv erklärt worden ist. Gott will eben keine Priesterinnen, er will diesen Aspekt hinter dem Altar. Mit Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow höre ich mich innerlich antworten: „Ach was.“ Das Lehramt ruft zur Treue und bleibt vor allem sich selbst treu in Stil und Inhalt dieser demonstratio. Als überraschend lässt sich vielleicht der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung beschreiben. Aber auch auf diese Frage gibt der Text eine Antwort. Wenn auch nur indirekt.

Mehr Lehramt geht nicht.

Was Christus gewollt habe und woran die Kirche nun einmal gebunden sei, lehrte auch bereits Johannes Paul II. in seinem Schreiben Ordinatio Sacerdotalis aus dem Jahr 1994:

Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.

(OS, Nr. 4)

Die Glaubenskongregation habe dies bestätigt. Und Benedikt VXI. Und Franziskus. Diese im Duktus von „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“ daherkommende Aufzählung soll nichts anderes heißen als: Mehr Lehramt geht nicht. Mehr Lehrautorität hat die Kirchenführung nicht in die Waagschale zu werfen. Und wenn dies nicht hilft, wenn so tatsächlich nicht alle Zweifel beseitigt sind, muss man eben gebetsmühlenartig wiederholen, was in die Köpfe soll, aber nicht so recht will.

Tatsächlich ist die Frage der ausschließlichen Priesterweihe für Männer eine theologisch wie kirchenpolitisch so häufig und intensiv geführte Debatte, dass sie gleichermaßen anstrengend wie langweilig wirkt. Dass sie trotzdem nicht verstummt, hängt zum einen damit zusammen, dass ihre Konsequenzen im kirchlichen Vollzug nicht zu übersehen sind, und zum anderen damit, dass die Antwort des Lehramts offensichtlich nicht allen Gläubigen einzuleuchten vermag. Der Zweifel, der Zweifel… Gleichzeitig scheint, auch das macht die Frustration in dieser Debatte aus, jedoch keine suffiziente Veränderung greifbar: So gespalten die Kirche in dieser Frage ist, so erstaunlich ist die Einigkeit in der Überzeugung, dass sich an der Ausschließlichkeit der Weihe für Männer in der mittelbaren Zukunft nichts ändern wird. Ja, einige Hoffnungen stützen sich auf eine eventuelle Zulassung von Frauen zum Diakonat. Doch ist dieses Amt bereits vor Jahren vorsorglich aus dem Klerikerstand herausgenommen worden. Sorry.

Gottes Wille – oder: was Menschen wollen

Soziologisch betrachtet müsste man hier von einer erklärungsbedürftigen Durchsetzungsmacht des Lehramts sprechen, die auf starke legitimatorische Mittel schließen lässt. Denn hier sind mit propagierten Gewissheiten wie derjenigen, dass „die Verschiedenheit der Aufgaben zwischen Mann und Frau keine Unterordnung mit sich (bringt), sondern eine gegenseitige Bereicherung“, nicht nur kognitive Dissonanzen zu bewältigen. Doch die theologischen sind gravierender. Damit sind wir bei dem eigentlichen Kernthema des Vorsitzenden der Glaubenskongregation: dem Verständnis von Lehramt. Mit einigem Aufwand erklärt Ladaria, warum eine Lehre, selbst wenn sie formal nicht ex cathedra, also gemäß den Kriterien einer damit dogmatisierten, d.h. als unfehlbar zu geltenden Lehre vom Papst vorgetragen wurde, doch als solche gelten kann, und in diesem Fall: soll.

Theologisch spannender als diese ist jedoch die Frage, die innerhalb der Theologie zu dem Graben führt, der zu überspringen schon lange zu breit ist: Kann eigentlich überhaupt ein Mensch wissen, was der Wille Gottes ist? Kann das Lehramt wissen, was Gott, was Jesus Christus wollte? Mit „wissen“ ist hier nicht eine Überzeugung, ein Glaube, eine Gewissheit gemeint, sondern ein Wissen, welches die Macht verleiht, die Grenzlinie der Glaubensgemeinschaft zu ziehen. Einzuschließen und auszuschließen. Und zwar mit göttlichem Recht.1 Diese Frage ist durch das Lehramt im 19. Jahrhundert mit der Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes beantwortet worden, als das Papstamt sich in einer legitimatorischen Krise befand.

Wir leben in Hypothesen.

Spätestens seit dem mit dem Namen Kant verbundenen Ende der Gottesbeweise haben sich theologische Denktraditionen etabliert, die die Kirche im Bewusstsein ihrer begrenzten definitorischen Möglichkeiten vor allem als eine Gemeinschaft von Menschen verstehen, die um eine Hoffnung auf einen Gott ringt, dessen Existenz nicht einmal felsenfest steht. Geschweige denn, wer dieser Gott ist und was er will. Mit dieser Misere hat die Kirche, hat bereits Israel über Jahrhunderte hinweg selbstverständlich gelebt. Ausdruck der Überzeugung, nicht mehr als eine redliche, aber nichtsdestoweniger existentiell relevante Hoffnung auf den geglaubten Gott erreichen zu können und zu wollen, sind zum Beispiel die vielen biblischen Erzählungen, in denen Gottesbilder in Frage gestellt und verändert werden.

Im Kontext und in der Auseinandersetzung mit der jüngeren Philosophie erfährt diese Überzeugung eine Zuspitzung: Mit dem Begriff der Moderne verbindet sich, nachzulesen etwa bei Hermann Krings oder Herbert Schnädelbach2 , die Überzeugung, dass wir nicht mehr für unsere Überzeugungen in Anspruch nehmen können, als dass sie auf guten Argumenten beruhen. Ruhe verleiht dies nicht. Im Gegenteil. Es verpflichtet dazu, die eigenen Überzeugungen, die lieb gewonnen Selbstverständlichkeiten immer wieder zu hinterfragen, ohne jemals behaupten zu können, endgültiges Wissen erreicht zu haben. Wir leben in Hypothesen, und das immerhin zumeist nicht schlecht. Das Ende der Gottesbeweise bedeutet das Ende eines zu legitimierenden Gehorsams, auch gegenüber einer religiösen Autorität.

Mit einer Fiktion gegen die „Verwirrung“

Und damit zurück zu Ladaria. Sein theologisches Hintergrundmodell ist das Erfolgsprodukt einer Legitimitätskrise des Lehramts im 19. Jahrhundert, oder die nun wirksame, selbst angelegte Fessel des Lehramtes. Dieses Modell sieht die katholische Kirche bzw. das Lehramt der katholischen Kirche in der Lage, den Willen Gottes mit endgültiger Autorität zu benennen. Weil der geoffenbarte Wille Gottes formuliert wird, spielen Argumente außerhalb der Legitimationsfrage des Lehramts keine Rolle, so zum Beispiel der Einwand, dass die Kirche angesichts des quantitativen Mangels an Priestern in bestimmten Regionen ihrer Sendung nicht mehr gerecht werden könne. In der Vorstellungswelt des Textes wird auch nicht diskutiert im Sinne einer sachorientierten, argumentativen Auseinandersetzung. Akteur ist ausschließlich das Lehramt. Wer an der Position des Lehramts zweifelt, vertritt nicht etwa eine theologisch alternative, begründete Hypothese; wenn Zweifel am Lehramt aufkommen, herrsche „Verwirrung“ (Ladaria).

Gegen diese Verwirrung wird sehr wohl immer wieder darauf verwiesen, dass in dieser Lehre nur dargelegt werde, was schon immer zum Glaubensgut der Kirche gehört habe:

Er (Johannes Paul II., Anm. d. Autorin) verkündete also kein neues Dogma, sondern bekräftigte, um jeden Zweifel zu beseitigen, mit der ihm als Nachfolger Petri verliehenen Autorität in einer förmlichen Erklärung, was das ordentliche und allgemeine Lehramt in der ganzen Geschichte als zum Glaubensgut gehörend vorgetragen hat.

(Ladaria)

Unnötig zu erklären, dass hier eine Fiktion bemüht wird. Die Kehrseite der Medaille: Das Lehramt kann keine Veränderung in der Lehre darlegen, ohne damit die eigene Legitimation infrage zu stellen. Im Fall der Menschenrechte hat das Lehramt innerhalb von 100 Jahren eine Kehrtwendung vollzogen, wenn auch ohne Konsequenzen für das eigene Selbstverständnis. Ob ein solches Manöver auch in der Frage der Ordination von Frauen möglich wäre, steht zu bezweifeln. Es könnte sein, dass in beiden Fällen die Glaubwürdigkeit des Lehramts gegen die Glaubwürdigkeit einer Kirche steht, aus deren Struktur und Handeln der liebende und gerechte Gott ersichtlich werden soll, auf den sie sich bezieht.

Hashtag der Woche: #menonly


(Beitragsbild: @joshapplegate)

1 Zur Problematik dieser Denkfigur: Stephan Goertz, Magnus Striet (Hg.): Nach dem Gesetz Gottes. Autonomie als christliches Prinzip (Katholizismus im Umbruch, Bd. 2), Freiburg, Basel, Wien 2014.

2 Sehr lesenswert zum Beispiel: Schnädelbach, Herbert: Gescheiterte Moderne? (1989), in: Vorträge und Abhandlungen, hrsg. v. ebd., Frankfurt 1992, 431-447.

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dr. rita werden

studierte Soziologie, kath. Theologie und Medizin in Freiburg und Edinburgh, Promotion in Soziologie. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie der Uni Freiburg.

One Reply to “For men only. Zur fesselnden Logik einer lehramtlichen Tradition”

  1. Sehr geehrte Frau Dr. Werden,

    „Ja, einige Hoffnungen stützen sich auf eine eventuelle Zulassung von Frauen zum Diakonat. Doch ist dieses Amt bereits vor Jahren vorsorglich aus dem Klerikerstand herausgenommen worden. Sorry.“

    Mit diesem Satz gehe ich nicht d’accord.

    Zwar hat das Motu Proprio „Omnium in mentem“ c. 1009 § 3 CIC so geändert, dass nur Bischof und Priester in persona Christi capitis handeln (Art. 2 OIM). Allerdings regelt c. 266 § 1 CIC ebenso eindeutig, dass jemand durch die Diakonenweihe Kleriker wird.

    Es sind mir auch keine lehramtlichen Texte bekannt, die dies anders sehen sollten.

    Freundlicher Gruß!
    Urs Frigger

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