Gestern sprach sich Franca Spies an dieser Stelle gegen eine Teilnahme des kirchenpolitischen Sprechers der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, am Katholik*innentag in Münster aus. Jonatan Burger sieht dessen Auftritt weniger dramatisch, hinterfragt aber auch die Debatte überhaupt.
Mit der Einladung zur Teilnahme am diesjährigen Katholik*innentag, die das ZdK an den AfD-Politiker Volker Münz ausgesprochen hat, entbrannte eine Debatte: Ist es legitim, einen Vertreter der AfD einzuladen? Darf es genau dieser Politiker sein? Wäre eine Fortsetzung der ZdK-Politik von 2016, die AfD außen vor zu lassen, nicht ratsamer gewesen? Oder hätte dies nach der Einladung von Anette Schultner, der damaligen Sprecherin der „Christen in der AfD“, auf den Evangelischen Kirchentag 2017 und dem AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl im vergangenen September keine Option mehr dargestellt?
Es gibt wirklich wichtigere Themen rund um die AfD.
Eines gleich vorweg: Eigentlich bin ich es leid, immer wieder aufs Neue hauptsächlich Nachrichtenmeldungen und besorgte Kommentare zu lesen, die sich mit Spitzenvertreter*innen der „Alternative für Deutschland“ und ihren Ausfällen, Relativierungen oder ihrer (Nicht- und dann vielleicht Doch-)Wahl in bislang beinahe unbekannte Untergremien des Deutschen Bundestags beschäftigen. (For your interest: Auch Volker Münz war davon letzte Woche betroffen.) Denn erstens belohnt dies häufig genau die Kommunikationsstrategie dieser Partei. Zweitens überlagern Personaldiskussionen allzu oft die Inhalte – an dieser Stelle herzliche Grüße an die SPD! Und drittens lenken solche allmählich routiniert verlaufenden Debatten von den gesellschaftlichen Hintergrundvoraussetzungen ab, welche sie erst hervorgerufen haben.
Meiner Meinung nach sollte viel weniger darüber diskutiert werden, ob Volker Münz nun für wenige Stunden in Münster anwesend sein und seine Partei repräsentieren darf. Vielmehr muss die Frage in den Vordergrund gestellt werden, warum auch zahlreiche Katholik*innen dazu beigetragen haben, dass Volker Münz überhaupt im Deutschen Bundestag sitzt. Gelegenheit zu einer kritischen Analyse der Verbindungen zwischen Katholizismus und Rechtspopulismus gäbe es in Münster allemal. Und auch weitere ökonomische, soziale und kulturelle Erfolgsfaktoren für die AfD könnten dort zur Sprache gebracht werden. Wenn all dies über der Debatte um das Für und Wider einer Präsenz von Volker Münz in Vergessenheit geriete, wäre dies zu bedauern. Nicht zuletzt entspräche es wohl auch genau dem Kalkül der AfD.
Man sollte zumindest versuchen, im Gespräch zu bleiben.
Gleiches gilt in analoger Weise für den von Thomas Sternberg (CDU by the way) parallel zur Einladung Münz‘ geforderten Abgrenzungsbeschluss des ZdK gegenüber der Partei. Es gilt, mit denjenigen Katholik*innen, die mit der AfD sympathisieren, ihr bei den vergangenen Wahlen ihre Stimme gegeben haben und vielleicht sogar Parteimitglied sind, im Gespräch zu bleiben. Selbstverständlich gibt es rote Linien; Björn Höcke nach Münster einzuladen, wäre absurd. Unter den 12,6 % der Wähler*innen, welche der AfD zumindest einmal sichtbar Unterstützung geleistet haben, gibt es nichtsdestotrotz viele, die der christlichen Botschaft aber oftmals (dennoch) einiges abgewinnen können. Wenn die katholische Kirche und ihre Verbände aber den Kontakt zu diesen Menschen nicht noch weiter abreißen lassen wollen, als dies in den vergangenen Jahren ohnehin schon geschehen ist, führt am Dialog kein Weg vorbei – auch mit christlichen Vertreter*innen der Partei, auch in der Öffentlichkeit, auch im kirchlichen Raum. Hier ist nicht zuletzt das ZdK in der Verantwortung.
Die Katholik*innen sind alt genug für Volker Münz.
Ein Argument, das meiner Ansicht nach im Übrigen immer mehr an Schlagkraft einbüßt, ist die Beteuerung, man wolle der AfD keine (zusätzliche) Plattform verschaffen. Die AfD ist als drittstärkste Fraktion im Deutschen Bundestag vertreten – der Plattform der deutschen Demokratie schlechthin. Und auch außerhalb des Hohen Hauses reden AfD-Politiker*innen doch die ganze Zeit. Und die gesamte Republik redet über sie. Beides geschieht unabhängig davon, ob eine*r ihrer Vertreter*innen nun Münster besucht oder nicht. Zudem könnte dieses Argument ein problematisches Verständnis der Beziehung zwischen Organisator*innen und Teilnehmer*innen des Katholik*innentags implizieren: Schließlich sind es mündige Bürger*innen, die den Katholik*innentag oder den Auftritt von Volker Münz besuchen wollen; sollte man sie (kirchen-)volkspädagogisch vor „bösen“ Einflüssen der AfD bewahren wollen, nimmt man sie in eben dieser Mündigkeit nicht ernst.
Wie man der Teilnahme von Volker Münz etwas abgewinnen kann
Nun ist Volker Münz eingeladen. Jetzt gilt es, das Beste daraus zu machen. Vielleicht bietet sich in Münster ja die Chance, einmal nicht nur jeweils zu betonen, wie wichtig der Einfluss des Christentums für die deutsche Gesellschaft sei – und damit gänzlich Unterschiedliches zu meinen. Vielleicht könnte man ja tatsächlich über Religionspolitik ins Gespräch zu kommen. Zugegeben, die Chancen für einen echten Diskurs sind bei einer Podiumsveranstaltung mit mindestens sieben Diskussionsteilnehmer*innen meist nicht sehr hoch – so bietet man eher allen eingeladenen Politiker*innen eine gerne genutzte Bühne und trägt zur eigenen Öffentlichkeitswirksamkeit bei, als dass man eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung befördert.
Ich persönlich hätte mir von einem Zwiegespräch zwischen Volker Münz und einem Bischof oder einer kirchlich engagierten Laiin aber durchaus etwas versprochen; der Evangelische Kirchentag hätte als Vorbild dienen können. Und dass man ein derartiges Format nicht unterschätzen darf, hat doch zumindest die Kanzlerin im letzten Jahr bei der „Brigitte“ bewiesen. Möglichkeiten, etwa die Grundgesetzkonformität der von der AfD postulierten Maßnahmen gegen Muslim*innen zu erörtern, bestünden zuhauf:
„Wie passt es zusammen, einerseits mit Hinblick auf den Eid der Bundeskanzlerin stetig auf die Verfassung zu verweisen, und im Religionsverfassungsrecht andererseits zu kontroversen Schlussfolgerungen zu gelangen, Herr Münz?“
Zusammengefasst: Eine Teilnahme von Volker Münz am Katholik*innentag in Münster ist für mich kein Ausdruck fehlgeleiteten Appeasements, sondern eine verantwortbare Möglichkeit unter vielen notwendigen Schritten, auf die gesellschaftliche Rechtsbewegung zu reagieren und diese auch auf dem Katholik*innentag präsent zu halten. Dies sollte vor allem durch einen stetigen Dialog geschehen – auch wenn dieser, schon allein, weil man christlichen Grundüberzeugungen verpflichtet ist, oftmals nur in der Form einer harten, inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD erfolgen kann. Ich bin gespannt, wie es den Organisator*innen in Münster gelingt, hierzu einen Beitrag zu leisten.
Hinweis der Redaktion: Auf feinschwarz.net wurde die Debatte unlängst durch eine Erklärung von Theolog*innen gegen eine Teilnahme der AfD befeuert.
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Die von dem Autor dieses für mich nachdenkenswerte MÜNDIGKEIT der KatholikInnen ist ein beachtenswertes Element in dieser Debatte.
Das * Gekasper ist doch Ironie, hoffentlich.
Nein, das ist es nicht. Die Schreibweise mit dem Gender-Asterisk wird von mir präferiert, weil sie sowohl männliche als auch weibliche Assoziationen hervorruft und daneben auf Menschen aufmerksam macht, die sich nicht in Kategorien von Männlich und Weiblich einordnen können. Ich bin der Überzeugung, dass Sprache Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern auch schafft. Wenn diese Schreibweise also irritiert, hat sie eines ihrer Ziele erreicht: Sie soll auf immer noch bestehende Diskriminierungen hinweisen und eine Debatte um diese und deren sprachliche Repräsentation anstoßen. Falls Sie sich weiter zu diesem Thema informieren möchten: Einen Leitfaden der Universität zu Köln finde ich lesenswert, auch wenn ich nicht allem zustimmen würde: http://bit.ly/2FErsgB