In der Liturgie feiern wir die Begegnung zwischen Gott und Mensch; die Liturgie ist unsere Antwort auf den Ruf Gottes. Damit sind wir alle angesprochen. Es bedeutet jedoch Verantwortung für die ästhetische Gestaltung der Liturgie. Denn drückt die Form immer aus, was sich da eigentlich ereignet und wird allen gerecht, fragt sich Isabelle Molz.

Ansprechend, schön und vor allem nicht langweilig. Das scheinen die Kriterien zu sein, an denen sich in der heutigen Zeit eine liturgische Feier – ganz egal ob Eucharistie, Wort-Gottes-Feier oder eine andere liturgische Feierform – messen lassen muss. Grundlegende Kategorien, in denen wir als Kinder unserer Zeit gewohnt sind zu bewerten. Auch ein Film, ein Buch, ein Instagram-Profil oder (vielleicht) auch ein Mitmensch ist ansprechend, schön und (nicht) langweilig. Diese Kategorien bringen auf einfache Weise unser ästhetisches Empfinden zum Ausdruck. Da liegt es doch auf der Hand, dass wir danach auch die Feier unseres Glaubens beurteilen.

Wenn wir dies ganz ernsthaft und ehrlich tun, dann ist unser Glaube aber manchmal ein Trauerspiel. Selbst mir als Theologin geht es immer wieder so, dass ich mit einer lieblos gestalteten Feier konfrontiert bin und sich so gar nichts von tätiger Teilnahme in mir regt. Bei allen scheinbar oberflächlichen Beurteilungskategorien bleibt für mich die Frage offen, ob wir heute überhaupt noch verstehen, was wir da feiern. Liturgie hat eine ihr immanente Sprache, sie ist geprägt von einem hohen Symbolwert und durchdrungen von Ritualen. Wie soll man denn da durchblicken, mitfeiern und alles verstehen? Das tun ja sogar nicht mal alle Theolog*innen.

Liturgie ist Dialog

Alle Menschen sind von Gott angesprochen und aufgerufen, ihm Antwort zu geben. Die Liturgie ist eine mögliche Form der Antwort. Das dialogische Geschehen zwischen Gott und Mensch sollte sich in jeder liturgischen Feier spiegeln. Das Menschliche der Liturgie ist der gesetzte Rahmen, d.h. die Lieder und Texte, die Art und Weise, wie wir als Vorsteher*innen agieren. Wenn wir das ernst nehmen, dann zeigt sich darin die ganze Fülle unseres Lebens oder anders gesagt, kommt unser menschliches Leben mit Lob, Dank und auch Leid und Klage in die Liturgie und damit auch in den Dialog mit Gott.

Die Liturgie berührt uns nicht nur emotional, sie verlangt von uns auch eine kognitive Leistung, derer wir oftmals nicht gewachsen sind. Und das liegt in der Hauptsache in der Wortlastigkeit der Liturgie begründet. Hinzu kommt ein ganz eigener Wortschatz, der konträr ist zu unserem alltäglichen, der seine Bezüge zu oftmals unbekannten biblischen Stellen hat und der erstmal reflektiert werden muss, bevor er erfasst wird. Das alles im aktiven Vollzug zu tun, überfordert uns. Irgendwie erscheint die Liturgie nüchtern und von außen betrachtet wie eine Art Versammlung für Menschen, die was auf dem Kasten haben, für die intelligenten Christ*innen und für alle, die wissen was gemeint ist. Krasser formuliert: Wer es nicht kapiert, ist raus, denn es erklärt auch niemand, was da so abgeht.

Dialog geht auch ohne Worte

Doch was ist mit den Menschen ist, die kognitiv weniger in der Lage sind das zu verstehen? Was ist mit Menschen mit Behinderung? Ich möchte damit keinesfalls irgendwelche Einteilungen vornehmen, wer liturgiefähig ist und wer nicht. Dies führt nur bedingt weiter, denn die Antwort liegt stets beim Menschen selbst und entweder wird er befähigt oder eben nicht. Das ist für mich so ein bisschen die Kategorie „Pech gehabt“ und teilt in Menschen ein, die mitmachen dürfen und in jene, die außen vor sind. Jedoch passt so gar nicht zum grundsätzlichen Ansatz von Liturgie als Dialog zwischen Gott und Mensch. In diesen Dialog tritt Gott mit allen Menschen, ganz unabhängig von ihrer (kognitiven) Disposition. Und sind wir doch mal ehrlich, wenn wir versuchen das Göttliche in Worte zu fassen, dann sind wir in unserer Sprachfähigkeit und unseren Worten irgendwie alle eingeschränkt. Es gibt einfach Dinge, für die wir keine Worte besitzen. Da bleiben wir stumm und versuchen uns auf andere Art und Weise zu auszudrücken. Deshalb braucht es gerade in der Liturgie auch die nonverbale Ebene, d.h. die Zeichenhandlungen, die verschiedenen Körperhaltungen, das Schauen und auch das Schmecken. Liturgie muss sich auf beiden Ebenen, der verbalen und nonverbalen, bewegen, um anschlussfähig zu bleiben.

Seid doch einfach mal still!

Die nonverbalen Ausdrucksformen in der Liturgie bleiben oft etwas unbeachtet, was daran liegt, dass einerseits nicht so ganz klar ist, was man da eigentlich noch für Chancen und Möglichkeiten hat, und andererseits die Kreativität fehlt. Da werden schnell der pastorale Alltag und die Fülle der Aufgaben vorgeschoben, die es nicht möglich machen, sich auch noch auf die Liturgie zu konzentrieren. Hinzu kommt aber auch das rührige Engagement Einzelner, die mit viel Ausdauer versuchen, die Liturgie so zu gestalten, dass sie ansprechend ist. Leider oft in der Form, dass alles, was nicht verstehbar, erklärbar und vermeintlich veraltet ist, einfach weggelassen wird. Das ist natürlich einfach und bequem, aber damit ist eine riesengroße Chance vertan!

Warum sind wir denn in der Liturgie nicht auch einfach mal für eine Weile still und lassen das sacken, was uns gesagt wird und was wir sehen. Aber nein, es geht immer Schlag auf Schlag, eins reiht sich ans andere und Liturgie wird zur Daueranimation, durch die wir oft auch mehr schlecht als recht moderiert werden. Lasst das doch einfach mal und gebt uns die Möglichkeit, dass wir Liturgie auch als erholsam erleben. Das darf dann auch im krassen Gegensatz zur Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft stehen. Wir (oder besser die Liturgie) müssen nicht alles mitmachen und dürfen auch anders sein.

Wer sich in der heutigen Zeit für einen Gottesdienstbesuch entscheidet, erwartet auch etwas, denn wir gehen jetzt einfach mal vom positiven Aspekt aus, dass nicht alle schon aufgegeben haben und nichts mehr erwarten. Eine durchgestylte Liturgie braucht es jedoch nicht, denn Liturgie braucht auch Stille und Freiraum, der es möglich macht zu erfassen, was sich da ereignet. Wir müssen uns von unserem Anspruch verabschieden, dass alle sich von Anfang bis Ende angesprochen fühlen müssen. Dies ist eine absolute Fehlinterpretation von tätiger Teilnahme. Auch die dauerhafte Aktivierung ist so zu bewerten, denn tätige Teilnahme kann auch eine innere Haltung sein. Genau um diese Haltung geht es, wenn wir der Begegnung zwischen Gott und Mensch in der Liturgie einen Rahmen geben. Dies tun wir jedoch stets mit dem Wissen, dass Gott Gastgeber und Handelnder ist und wir die Gäste. Eigentlich eine gute Grundhaltung, denn wer von uns gestaltet einen Abend mit Freund*innen lieblos und langweilig?

Und was heißt das jetzt konkret?

Am Ende allen Nachdenkens lande ich immer wieder bei der Frage, wie menschenfähig die Liturgie ist? Wie sehr geht die äußere Form auf die Situation der Menschen ein und wie bleibt es trotzdem eine adäquate Ausdrucksform des inneren Geschehens? Liturgie ist inklusiv und für alle da, aber wird das in ihrer Gestaltung immer deutlich? Bei aller Zuwendung zu den Menschen und dem Eingehen auf ihre Bedürfnisse darf die Liturgie nicht zu einem säkularen Geschehen verkommen. Diese Tendenz erlebe ich jedoch oftmals dann, wenn die Anpassung der Liturgie auf die Zielgruppe in der Form geschieht, dass alles Unverständliche rausgenommen wird. Wir legen den Maßstab ausschließlich beim eigenen kognitiven Verstehen an.

Aus der Arbeit mit Menschen mit Behinderung lernen wir jedoch, dass es viel mehr nonverbale Ausdrucksformen in der Liturgie braucht, d.h. dass wir auch Formen und Teile der Liturgie brauchen, die von Gesten, Handlungen und auch von Berührung leben. Dies sind dann auch jene Teile, die uns in Kontakt mit den anderen Mitfeiernden bringen. Wir dürfen die Liturgie jedoch auch nicht damit überfrachten; es ist ein gutes Maß davon angesagt.

Und zu guter Letzt brauchen wir eine liturgische Bildung und zwar nicht nur für jene, die Gottesdienste mitfeiern, sondern auf für jene, die sie vorbereiten und ihnen vorstehen. Dabei geht es einerseits um das Erfassen und Begreifen des Inhaltes, aber auch um den äußeren Vollzug. In der Liturgie feiern wir Tod und Auferstehung, zwei Extreme, die eigentlich lebensnah sind. Doch wie sind diese in der Liturgie erfahrbar? Liturgische Bildung zeigt Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf, die diese Dimensionen erlebbar machen. Dies meint jedoch nicht, dass man sich nochmals mehr einliest und verschiedene theologische Hintergründe aneignet. Ein starker Akzent der liturgischen Bildung sollte auf der nonverbalen Ebene liegen.

Denn hier liegt der Schlüssel zum Verstehen der Liturgie. Die unterstützenden Gesten (sitzen, stehen, knien, Orantenhaltung, Friedenszeichen etc.) geschehen nahezu selbstverständlich und stellenweise vielleicht auch unreflektiert, weil sie klar in den Ablauf eingebunden sind. Und alles was selbstverständlich ist, wird nicht zwangsläufig infrage gestellt. Der sakramentale Charakter der Liturgie, der das göttliche Geschehen in der Liturgie ausdrückt, darf dabei nicht verloren gehen. Es braucht auch nicht mehr Aktivierungsübungen und Einladungen irgendetwas zu tun. Es braucht auch Stille und Kontemplation, in der sich das setzen kann, was wir erleben. Dabei ist es wichtig, dass Liturgie auf zweifache Weise den ästhetischen Ansprüchen gerecht wird – dem Anspruch dem Dialog von Gott und Mensch Ausdruck zu verleihen und andererseits menschlicher Ästhetik angemessen zu sein.

Hashtag der Woche: #liturgiefueralle

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isabelle molz

hat an der Universität Freiburg Theologie studiert. Sie ist Pastoralreferentin im Erzbistum Freiburg und Doktorandin (Liturgiewissenschaft) an der Theologischen Hochschule in Chur/Schweiz.

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